Schriftsteller

Beiträge zum Thema Schriftsteller

Kultur

Zum Tod von Mario Vargas Llosa
Zwischen Exotik und Realismus

„Ich glaube, die beste Art, die Übel unserer Zeit zu bekämpfen, besteht darin, Bücher zu verbreiten und die Menschen von einer besseren Welt träumen zu lassen, von einer anderen Welt, in der es weniger Gründe gibt, um unzufrieden zu sein“, hatte Nobelpreisträger Mario Vargas Llosa im September 2020 in Berlin erklärt. Im letzten Jahr war in deutscher Übersetzung noch der Roman „Die große Versuchung“ erschienen. Liebe und Kunst, Leidenschaft, die Politik und Peru: Vargas Llosa hatte noch einmal...

Kultur

Hartmut Langes Band „Der etwa vierzigjährige Mann“
Tödliche Umarmung

„Es ist die Kunst, die es uns ermöglicht, die Grenze vom Leben zum Tode niederzureißen“, heißt es – durchaus charakteristisch für Hartmut Langes gesamtes Werk – in der Novelle „Die Cellistin“ aus dem Band „Das Haus in der Dorotheenstraße“ (2013). Der inzwischen 88-jährige Berliner Autor schreibt seit fast einem halben Jahrhundert auf beeindruckend hohem Niveau und hat sich mehr und mehr als einer der letzten großen Meister der Novelle heraus kristallisiert. Ohne großes Pathos, aber mit...

Kultur

Karl Ove Knausgård: „Die Schule der Nacht“
Porträtist des Todes

„Er ging schonungslos mit seinem Leben um und liebte nichts und niemanden", heißt es vollends zutreffend über die durch und durch unsympathisch gezeichnete Hauptfigur Kristian Hadeland in Karl Ove Knausgårds neuem Roman „Die Schule der Nacht“. Knausgårds literarischer Output ist bewundernswert, er schreibt seit mehr als 15 Jahren wie ein Uhrwerk. Während der Corona-Pandemie hatte der 56-jährige norwegische Erfolgsautor eine neue Romanreihe begonnen. „Der Morgenstern“ (2022) war der erste Band...

Kultur

Christoph Heins Roman „Das Narrenschiff“
An der Zeitachse entlang

Die deutsch-deutsche Geschichte mit all ihren gegensätzlichen Befindlichkeiten, die sie entfachte, wird den inzwischen 81-jährigen Schriftsteller Christoph Hein (vermutlich) nicht mehr loslassen. „Nach 1989 gab es eine ungeheure Dämonisierung der DDR, jetzt eine rosarote Verklärung. Das würde ich mit Humor und Gelassenheit nehmen. Wer wirklich etwas über die DDR erfahren will, der muss Bücher lesen, die in dieser Zeit geschrieben wurden“, erklärte Hein vor einigen Jahren und empfahl in diesem...

Kultur

Zum Tod des Schriftstellers Peter Bichsel
Großer Individualist

„Ich glaube, man kann das eigene Leben nur erzählend bestehen, sich selbst erzählend. Der Mensch, der in eine wirkliche Notsituation gerät, in ein Gefangenenlager, in eine Gletscherspalte oder weiß ich, wohin: Der Mensch, der in der Gletscherspalte an einem Seil hängt, bereitet bereits die Erzählung vor, die er dann erzählen wird am Stammtisch. Wenn er gerettet wird“, hatte Peter Bichsel 2022 in einem Interview mit dem „Deutschlandfunk“ erklärt. Es gibt nicht wenige Literaturexperten, die...

Kultur

Fernando Aramburus Roman „Der Junge“
Literatur und Wahrheit

Obwohl Fernando Aramburu seit rund vierzig Jahren in der Nähe von Hannover lebt, gilt er als bedeutendster zeitgenössischer baskischer Schriftsteller. Sein verfilmter Bestseller-Roman „Patria“ (dt.: 2018), der um das ureigene baskische Lebensgefühl kreist und sich mit dem Terror der ETA auseinandersetzt, wurde in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt und mehr als 800 000mal verkauft. In den begleitenden, kommentierenden Notaten seines Romans „Langsame Jahre“ (2019) schrieb Aramburu, dass er...

Kultur

Jonas Lüschers Roman „Verzauberte Vorbestimmung“
Zu viel Wissen, zu wenig Leben

„Man hatte nahezu jede erdenkliche Maschine, die die Spitzenmedizin in ihrem Arsenal vorrätig hielt, um mein Bett versammelt und an meinen Körper angeschlossen, mein Leben war vollständig vom Funktionieren dieser Geräte abhängig“, heißt es im neuen teils autofiktionalen, teil stark essayistischen Roman „Verzauberte Vorbestimmung“ des 48-jährigen in der Nähe von Zürich geborenen und in München lebenden Schriftstellers Jonas Lüscher. Dazu muss man wissen, dass Lüscher in der ersten Corona-Welle,...

Kultur

Michael Köhlmeiers Roman „Die Verdorbenen“
Verdorben und doch unschuldig

„Du bist verdorben auf die Welt gekommen. Ein verdorbener Mensch und dennoch unschuldig. Das gibt es“, heißt es über den Ich-Erzähler Johann. Der 75-jährige österreichische Autor Michael Köhlmeier, der seit den 1980er Jahren auf durchgehend hohem Niveau veröffentlicht und mit vielen Preisen ausgezeichnet wurde, hat nach den zuletzt hoch gelobten, relativ schmalen Romanen „Das Philosophenschiff“ (2024) und „Frankie (2022)“ wieder ein auf der Waage leichtes Buch vorgelegt – den novellenartigen,...

Kultur

Leon de Winters Roman „Stadt der Hunde“
Der sprechende Hund

„Mein erster Auftrag ist natürlich, eine spannende und unterhaltsame Geschichte zu schreiben. Wenn es auch noch etwas sagen könnte über unsere Wirklichkeit: Ja, natürlich, gerne! Ich schreibe so eine Geschichte nicht in einem Vakuum“, hatte der 70-jährige niederländische Schriftsteller Leon de Winter im Zuge der Veröffentlichung seines Romans „Geronimo“ (dt. 2016) erklärt, in dem Osama bin Laden eine zentrale Rolle einnahm. De Winter, Sohn orthodoxer Juden, ist immer auch ein politischer...

Kultur

Daniel Glattauers Roman „In einem Zug“
Leiden unter dem Glück

Seinen literarischen Durchbruch schaffte der 64-jährige Wiener Daniel Glattauer mit seinem 2006 veröffentlichten Roman „Gut gegen Nordwind“, einem modernen Briefroman, der ein wenig an den Kinofilm „Email für dich“ mit Tom Hanks und Meg Ryan erinnerte. Im Mai 2009 wurde eine Bühnenfassung in den Wiener Kammerspielen uraufgeführt. 2019 folgte die Verfilmung des Bestsellers mit Nora Tschirner und Alexander Fehling in den Hauptrollen. In den letzten knapp zwanzig Jahren ging es bei Daniel...

Kultur

Über KI: Charles Lewinskys Roman „Täuschend echt“
Wenn Kirsten einen Roman schreibt

Er war schon sechzig Jahre alt, als ihm 2006 mit seinem euphorisch gefeierten Roman "Melnitz", der vom Schicksal einer jüdischen Familie in der Schweiz über mehrere Generationen von 1871 bis 1946 erzählt, der literarische Durchbruch gelungen ist. Dabei hat Charles Lewinsky, der einige Jahre als Redakteur und Ressortleiter der Sendung "Wort-Unterhaltung" des Schweizer Fernsehens gearbeitet hatte, schon früher viel geschrieben: sein erstes Theaterstück mit 16, den ersten (unveröffentlichten)...

Kultur

Neuer Band zum 80sten von Botho Strauß
Allzeit unzeitgemäß

„Für mich wäre es das Schlimmste, aufs Schlimmste nicht gefasst zu sein“, schreibt Botho Strauß in seinem neuen, ohne Genrebezeichnung veröffentlichten Band „Schattengetuschel“. Das Buch besteht aus drei mehr oder weniger zusammenhanglosen Teilen. Zu Beginn begegnen wir kunstvoll arrangierten Prosa-Miniaturen, der essayistisch geprägte Mittelteil kreist um poetische Fragen und das Selbstverständnis als Dichter, den Abschluss bilden brillant pointierte, messerscharfe Aphorismen. Der einleitende...

Kultur
In der Friedenskirche Duisburg Hamborn stellt Bernhard Klaffke seinen neuen Krimi "Totenwald" vor.
Foto: Tanja Pickartz

Krimilesung mit Bernhard Klaffke in Hamborn
„Totenwald“ in der Friedenskirche

Der aktuelle Thriller Bernhard Klaffke führt bei den Ermittlungen zur Aufklärung des Falles in die Tiefen des Duisburger Stadtwalds. Als Duisburger kennt der Schriftsteller diese und alle Gegenden seiner Heimatstadt genau. Jetzt führt ihn „Totemwald“ in die Hamborner Friedenskirche, Duisburger Straße 174. Dort wird er am Donnerstag, 21. November, um 18.30 Uhr aus „Totemwald“ lesen und das Buch vorstellen. Die Evangelische Kirchengemeinde Duisburg Hamborn lädt herzlich zu der spannungsgeladenen...

Kultur

Antonio Lobo Antunes: Am anderen Ufer des Meeres
Einsames Unglück

„Was und wie ich schreibe, muss unbedingt etwas mit mir zu tun haben, mit meinen Hirngespinsten und Obsessionen“, hatte der große portugiesische Schriftsteller Antonio Lobo Antunes vor einigen Jahren in einem Interview über sein dichterisches Credo befunden. Seit mehr als zwanzig Jahren wird sein Name in jedem Herbst stets hoch gehandelt, wenn das Rätselraten um die Verleihung des Nobelpreises in die heiße Phase geht. Nun ist der 30. Roman des inzwischen 82-järigen Portugiesen erschienen, der...

Kultur

Zum Tod des Büchner-Preisträgers Jürgen Becker
Prosa als fehlender Rest

„Vielleicht ein Versuch, die Zeit aufzuhalten und geräumtes Gelände zurückzugewinnen. Weit kommst du nicht mehr, aber fang nicht damit an, deine Schritte zu zählen; allein dein Schatten, falls Sonne vorhanden, begleitet dich“, hieß es im Band „Die Rückkehr der Gewohnheiten“ (2022)  aus der Feder des viele Jahrzehnte unterschätzten Schriftstellers Jürgen Becker. Als „eine maßgebliche Stimme der zeitgenössischen Poesie“ wurde Becker 2014 völlig zu Recht bezeichnet, als ihm der...

Kultur

Clemens Böckmanns Debütroman
Mutmaßungen über Uta

Was für ein eindrucksvolles literarisches Debüt! „Die eindringliche, literarisch anspruchsvolle Schilderung des DDR-Alltags und die vielschichtige Charakterzeichnung Utas“, hat die Jury des Jürgen Ponto-Preises Clemens Böckmanns ersten Roman bereits vor dessen Veröffentlichung gerühmt. Ein Buch, das völlig ohne Ostalgie daher kommt, hier wird nichts verklärt, sondern ein DDR-Lebenslauf mit all seiner Tragik und Dramatik aus unterschiedlichen Perspektiven rekonstruiert. Hauptfigur ist die...

Kultur

Marco Balzanos Band „Café Royal“
Eine Straße – eng und elegant

„Ich wähle gern Themen, die unter unser aller Augen sind, aber von der Politik, den Medien verzerrt oder gar nicht angefasst werden“, hatte der italienische Schriftsteller Marco Balzano in einem Interview mit der in Wien erscheinenden Tageszeitung „Die Presse“ erklärt. In seinem Roman „Ich bleibe hier“ (2018), dessen Handlung im Vinschgau (Südtirol) angesieldet ist, hatte er sich mit einem dunklen Kapitel italienisch-deutsch-österreichischer Geschichte auseinander gesetzt. Sein letzter Roman...

Kultur

Richard Powers' Roman „Das große Spiel“
Naturbilder in poetischem Hochglanz

Richard Powers ist ein universal gebildeter Zeitgenosse, ein belesener Experte auf dem Gebiet der Physik, der virtuellen Welten, der Neurobiologie und der Ökologie. Dass er überdies auch eine Menge von Musik versteht, hat er in seinem Roman "Der Klang der Zeit" (2004) unter Beweis gestellt, der zu einem Weltbestseller wurde. Der 1957 in Illinois geborene Schriftsteller, der 2019 für seinen Roman „Die Wurzeln des Lebens“ mit dem Pulitzer Preis ausgezeichnet wurde, ist mit seinem breiten...

Kultur

Michael Kumpfmüllers Roman „Wir Gespenster“
Du bist überall

„Mein Glück besteht darin, dass ich immer schreiben wollte, spät damit angefangen habe, jetzt aber seit über Jahren schreibe - ich auch weiter schreiben kann, was ja immer eine ökonomische Frage is“, bekannte Erfolgsautor Michael Kumpfmüller in einem Interview. Die Erfolgsgeschichte des inzwischen 63-jährigen Autors begann im Jahr 2000 mit seinem von der FAZ damals vorab gedruckten Romanerstling „Hampels Fluchten“. Mit Nachfolgewerken wie den verfilmten und in 27 Sprachen übersetzten Roman “Die...

Kultur

Reinhard Kaiser-Mühlecker: Brennende Felder
Luisa auf Abwegen

Reinhard Kaiser-Mühlecker passt ganz und gar nicht in unseren schnelllebigen Literaturbetrieb, denn der Niederösterreicher bewirtschaftet nebenbei noch den von den Eltern übernommenen Bauernhof. Als er 2008 mit dem schmalen Roman „Der lange Gang über die Stationen“ debütierte, wirkte seine Prosa über das bäuerliche Leben wie ein Relikt aus vergangener Zeit, wie eine Art verspäteter Heimatroman. Doch längst ist der 41-jährige Schriftsteller dem Status‘ des Geheimtipps entwachsen, hat etliche...

Kultur

Mario Vargas Llosas' letzter Roman
Die Kraft der Musik

"Die Musik hatte die Seelen der Anwesenden so fest in ihren Bann gezogen, dass jeder soziale, ethnische, intellektuelle oder politische Unterschied in den Hintergrund trat. Der Innenhof des Hauses war wie elektrisiert von einer Welle des Miteinanders, es herrschte das Wohlwollen, die Liebe“, heißt es im letzten Roman des bedeutenden peruanischen Schriftstellers Mario Vargas Llosa. Er werde nur noch ein Buch über sein großes dichterisches Vorbild Jean-Paul Sartre beenden, verriet er im Nachwort...

Kultur

Neuer Roman von Bodo Kirchhoff
Hoch über dem See

„Er lässt kaltes Wasser über sich laufen, minutenlang, als könnte es ihn so auflösen wie den Schweiß auf seiner Haut und im Abfluss verschwinden lassen“, heißt es über Louis Arthur Schongauer, die Hauptfigur in Bodo Kirchhoffs neuem Roman. Schongauer steht kurz vor seinem 75. Geburtstag, hat zwei Frauen auf tragische Weise verloren und sich in ein abgelegenes Haus über einem See zurückgezogen. Ein See, der dem Gardasee, wo Autor Kirchhoff einen Zweitwohnsitz hat, nicht unähnlich ist. Vor vielen...

Kultur

Helmut Krausser: "Freundschaft und Vergeltung"
Blick auf Testosteron-Diktatur

Helmut Kraussers künstlerische Produktivität ist beeindruckend. Der Schach- und Backgammon-Liebhaber, der am 11. Juli seinen 60. Geburtstag feiert, hat nun bereits seinen 19 Roman vorlegt. Darüber hinaus hat er äußerst fleißig Erzählungen, Gedichte, Tagebücher, Opernlibretti, Hörspiele und Theaterstücke veröffentlicht. Im letzten Jahr wurde seine Sinfonie in Aue uraufgeführt. Krausser pendelt oft und gern zwischen hohem künstlerischen Anspruch und klischeehaften Vereinfachungen. "In Wahrheit...

Kultur

Zum Tod des Booker-Preisträgers Ismail Kadare
Begeistert von Macbeth

„Ein Schriftsteller ist kein Zauberer. Er kann das Fehlverhalten eines Landes, das auf den Abgrund zusteuert, nicht wegzaubern. Er trägt allerdings Verantwortung für sein Werk, auch wenn dieses unter widrigen Verhältnissen entsteht. Ich habe nicht erst über den Kommunismus geschrieben, als man es tun konnte“, hatte der albanische Schriftsteller Ismail Kadare erklärt, der über Jahrzehnte hinweg vor allem als politischer Chronist seines Heimatlandes wahrgenommen wurde und oft als...