"Marler Manifest" als Ergebnis des Schleusengipfels im Chemiepark an Minister übergeben

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Der Zustand der Binnenwasserstraßen - insbesondere der Schleusen - bereiten der Industrie aktuell große Sorgen. Aus diesem Grund trafen sich etwa 50 Vertreter aus dem Bundesverkehrsministerium, der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt, dem NRW-Verkehrsministerium, dem NRW-Wirtschaftsministerium, Bundestagsabgeordnete, Landtagsabgeordnete, Binnenhafenbetreiber, Binnenschiffer und Vertreter aus den betroffenen Kommunen und Unternehmen in Marl, um über die dringend notwendigen Kanalsanierungen zu sprechen.

Marler Manifest

Die Ergebnisse der Diskussion wurden nun im Rahmen des "Marler Manifest" verschriftlicht und heute an die verkehrspolitischen Sprecher der Landtagsfraktionen sowie an Verkehrsminister Wüst übergeben. Gemeinsam will man sich nun in Berlin dafür einsetzen, dass die Binnenwasserstraßen in NRW bald wieder zukunftsfähig sind.

Sanierung der Binnenwasserstraßen

Hans-Jürgen Mittelstaedt, Geschäftsführer VCI NRW: "Erstmals hat sich eine so breite Gemeinschaft relevanter Akteure aus Bund und Land zusammen aufgemacht, um die kritische Situation im Binnenwasserkanalnetz in den Griff zu bekommen. Auf dem Schleusengipfel in Marl wurden viele Probleme angesprochen aber auch Lösungsideen entwickelt, die nun im "Marler Manifest" verschriftlicht wurden. Ich freue mich, dass wir uns nun in engem Schulterschluss mit den Landtagsfraktionen und mit Verkehrsminister Wüst gegenüber Berlin für eine dringende Sanierung der Binnenwasserstraßen in NRW - die ja Bundeswasserstraßen sind - einsetzen. Eine schnelle Lösung der Probleme ist machbar, muss aber auf die Zukunft ausgerichtet sein und nicht nur auf Notfallreparaturen. Sie erfordert jedoch insbesondere auf Bundesebene beherzte und zügige Entscheidungen."

MARLER MANIFEST IM WORTLAUT

Auf Einladung des Verbandes der Chemischen Industrie, Landesverband NordrheinWestfalen, trafen sich Ende April zum „Schleusengipfel“ etwa 50 Vertreter aus dem Bundesverkehrsministerium, der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt, dem NRW-Verkehrsministerium, dem NRW-Wirtschaftsministerium, Bundestagsabgeordnete, Landtagsabgeordnete, Binnenhafenbetreiber, Binnenschiffer und Vertreter aus den betroffenen Kommunen und Unternehmen in Marl, um über die dringend notwendige Sanierung des Wesel-Datteln-Kanal (WDK) zu sprechen.
Das „Marler Manifest“ gibt die diskutierte Problemstellung wieder, ergänzt durch wesentliche Aspekte der geführten Diskussion. Dieses Papier soll als Grundlage für die dringend notwendigen weiteren Gespräche dienen und helfen, zu schnellen Lösungen zu gelangen. Eine schnelle Lösung der Probleme ist machbar, muss aber auf die Zukunft ausgerichtet sein und nicht nur auf Notfallreparaturen. Sie erfordert jedoch insbesondere auf Bundesebene beherzte und zügige Entscheidungen.

Hintergrund und Problemstellung:

Mitten in Europa entwickelt sich eine neue Verkehrskrise. Es ist höchste Zeit, sofort gegenzusteuern, um Nachteile für Verbraucher, Arbeitnehmer, Unternehmen und regionale Entwicklung zu vermeiden: Alte, dringend sanierungsbedürftige Schleusen sind bereits heute ein Bremsklotz für Mobilität und Logistik. Jedes weitere Zögern setzt in NordrheinWestfalen Arbeitsplätze, wirtschaftlichen Erfolg und Chancen aufs Spiel.
Es gilt, den nötigen Sanierungs-Schub so schnell wie möglich wirtschaftspolitisch in die Tat umzusetzen um einen drohenden Verkehrsinfarkt zu vermeiden. Denn Nordrhein-Westfalen hat eine
außergewöhnlich wichtige Rolle für den Transport von Gütern in Deutschland und in Europa
– deshalb ist NRW von dem Problem verzögerter und verschleppter öffentlicher Investitionen in moderne Schleusen und Kanaltechnik auch besonders betroffen. Es gilt nun,
durch Sanierung und Ertüchtigung Abhilfe zu schaffen. Die Region braucht gut
funktionierende und auch für künftige Herausforderungen gewappnete Kanäle mit moderner Technik.

Wesel-Datteln-Kanal

Die Problematik der Kanäle und Schleusen zeigt sich an vielen Stellen. Ein besonders deutliches Beispiel ist der Wesel-Datteln-Kanal (WDK).
Er ist eine der bedeutendsten Verkehrsadern für die Schifffahrt in der Region und der europäischen West-Ost Wasserstraßen-Achse. Die Situation ist alarmierend:
Der Wesel-Datteln-Kanal (60 km Länge, gebaut 1915-1930, ausgebaut 1966-1990, 6 Schleusen, Güterumschlag 19,7 Mio. to. (2014)) ist marode und genügt nicht mehr denAnforderungen einer bedeutenden Verkehrsader für das Ruhrgebiet.
Dringenden  Handlungsbedarf gibt es v.a. hinsichtlich
 der Nischenpoller,
 der häufig reparaturbedürftigen Schleusen (Tore, Pumpenhäuser),
 der zu niedrigen Brückenhöhen,
 des Personalmangels beim Betrieb der kleinen Schleusen und der
 mangelhaften Infrastruktur an den großen Schleusen
(u.a. 50% geringere Kapazität 2018 durch marode Poller).
Die Probleme haben erhebliche Auswirkungen auf die Wirtschaftsttätigkeit in der Region und entwickeln sich zu einem zunehmend negativen Standortfaktor.

Dokumentation der geführten Diskussion:

Die Diskussion wurde entlang nachfolgender Aspekte geführt:
1) Benötigte Ressourcen (Geld und Personal),
2) Sichtbarkeit und Bedeutung des Themas „Binnenwasserstraße“
3) Relevante Aspekte für eine Umsetzung der durchzuführenden Maßnahmen.
Zu 1) In der Diskussion um das Thema Finanzen wurde positiv angemerkt, dass im letzten Jahr erstmals die jährlich für Maßnahmen zur Verfügung stehenden Mittel auch komplett in die Planung und Umsetzung überführt werden konnten. Dies müsse nun verstetigt werden, so dass auch künftig die zur Verfügung stehenden Mittel komplett ausgeschöpft werden.
Zudem ist beim zu erwartenden Rückgang künftiger Steuereinnahmen dafür zu werben, dass die derzeit für die Verkehrsinfrastruktur bereitgestellten Mittel nicht verringert werden dürfen.
Im Personalbereich steht man bei jungen Menschen im Wettbewerb mit der Industrie, so dass es mittel- und langfristig darauf ankommen wird nicht nur diese Stellen zu bewerben
sondern auch die Attraktivität dieser Stellen durch den Wegfall von Befristungen zu
erhöhen. Eine Bewerbung der Personalmöglichkeiten in der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung könnte auch durch Schülerexkursionen an die Schleusen und ähnliche Maßnahmen vor Ort erfolgen.
Es gibt zudem auch neue Studiengänge in diesen
Themenfeldern, für die – genauso wie für die Berufsfelder insgesamt – noch stärker geworben werden muss. Dazu zählen Energie- und Wassermanagement in Mülheim an der Ruhr, Water Science in Essen sowie Wasserwissenschaften in Münster.
Insgesamt wird für die anstehenden Maßnahmen mehr Personal benötigt, als aktuell vorhanden und zugewiesen ist. Das bedeutet, dass in Berlin für die Zuweisung weiterer Personalstellen für die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung geworben werden muss.
Die anwesenden Mitglieder des Bundestages haben gemeinsam zugesagt, sich bei den anstehenden Haushaltsverhandlungen für 2020 - insbesondere nach der in Marl geführten Diskussion - besonders einzusetzen. Gleichzeitig forderten die Abgeordneten die Industrie dazu auf, unvermindert und intensiv auf die Problematik aufmerksam zu machen.
Dazu sollte geprüft werden, ob die aktuellen Personalengpässe auf den öffentlichen Planungs- und Verwaltungsebenen nicht auch durch regionale Verschiebungen gelöst werden können, ohne jedoch die Regionen gegeneinander auszuspielen. Eine weitere Möglichkeit wäre der flexiblere Umgang mit bundesweit vorhandenen Personalkapazitäten.
Somit könnten freie Kapazitäten eines Mitarbeiters in einer anderen Region auch zeitlich befristet für die Planung und Umsetzung von dringend benötigten Maßnahmen in NRW verwendet werden.
Zu 2) In der Diskussion zur Sichtbarkeit und Bedeutung des Themas „Binnenwasserstraße“ waren sich die Akteure einig, dass sowohl in Land als auch Bund noch viel Aufklärungsarbeit zu diesem Thema zu leisten ist. In den relevanten Ausschüssen im Landtag NRW sowie im Bundestag, aber auch in der Gesellschaft.
Die breite Öffentlichkeit kennt bereits kilometerlange Staus, kaputte Straßen und verspätete Züge. Probleme durch veraltete und baufällige Schleusenanlagen wirken sich dagegen auf den Alltag der Menschen zunächst nicht so unmittelbar und persönlich aus. In der Bevölkerung herrscht zwar eine hohe Akzeptanz für den Ausbau der Wasserstraßen, jedoch
gelingt es noch zu wenig, die Dringlichkeit der Situation auch in den gesellschaftlichen Diskurs zu tragen.
Zu 3) In der Diskussion, wie man nun am schnellsten und effizientesten in eine Umsetzung der dringend notwendigen Maßnahmen kommt, wurde angeregt, mit einfacheren Maßnahmen in der Umsetzung anzufangen, wozu zum Beispiel die Spundwände und Nischenpoller gehören. Dies führte in der Diskussion zum Thema „Priorisierung“ auch dazu, dass dringend ein Regionen unabhängiges und objektives Priorisierungssystem benötigt
wird. Wenn dies transparent und von allen anerkannt ist, könnte es auch helfen, unnötige Konkurrenz zwischen Regionen zu vermeiden. In diesem Zusammenhang wurde ein Masterplan Binnenschifffahrt für Mitte Mai angekündigt und am 28. Mai soll auf der Regionalkonferenz in Duisburg ein Maßnahmenplan für die Wasserstraßen in NordrheinWestfalen vorgelegt werden. In der Diskussion wurde zudem auch deutlich, dass man für eine schnelle und effiziente Umsetzung dringend auch neue Wege andenken muss. Unter dem Stichwort „Out-of-thebox-Denken“ wurde angeregt, auch mit anderen Regionen Synergien zu nutzen.
Beispielsweise könnte man sich mit den Niederlanden zusammen tun und die jeweiligen Engpässe im Bereich des benötigten Fachpersonals gemeinsam schließen. Auch PPPModelle wurden angeregt, da insbesondere in den Niederlanden acht Schleusen dadurch gebaut bzw. ertüchtigt worden sind.
Zudem können die in NRW besonders guten Erfahrungen aus dem Straßenbau als Blaupause übernommen werden, wie zum Beispiel Sammellose, Fremdvergaben, Bonus-MalusRegelungen und Funktionalausschreibungen.
Am Ende stellten die Teilnehmer des Schleusengipfels noch einmal als eigenen Wert heraus, dass sich nun erstmals eine so breite Gemeinschaft aus vielen relevanten Akteuren aus Bund und Land zusammen aufmacht, um die kritische Situation im Binnenwasserkanalnetz in den
Griff zu bekommen. Insbesondere, da das Binnenschiff ein klimafreundliches
Transportmittel der Zukunft darstellt.

Fazit:

Die Lage ist klar, die Zeit der Analysen und Diskussionen vorbei. Nun gilt es, zu handeln - die Versorgung mit Rohstoffen und Gütern ist keine Nebensache, zumal wir in NRW auf die Zulieferung von Rohstoffen zwingend angewiesen sind. Es muss nun darum gehen, den lange geforderten Sanierungsschritt auch zu verwirklichen. Es wäre ein Beitrag zur Stärkung des gesamten Industrie- und Wirtschaftsstandortes Deutschland. Auch für die Wettbewerbsfähigkeit Europas ist eine moderne und leistungsfähige Infrastruktur - bei der
die Binnenwasserstraßen eine bedeutende Rolle spielen - notwendig. Um
- Menschen mit Waren und Dienstleistungen zu versorgen,
- Unternehmen wettbewerbsfähig zu halten,
- zukunftsfähige Arbeitsplätze zu sichern
- und Regionen Entwicklungs- und Wachstumschancen zu erschließen.

Marl, den 30. April 2019

Das Marler Manifest“ wurde mit den nachfolgenden Teilnehmern des  Schleusengipfels am 30.4. in Marl abgestimmt:
Dr. Michael Beziel, Vestolit GmbH
Stefan Bouillon, Landtag NRW
Alexandra Boy, Evonik
Gerd Deimel, c2i
Andrea Dimitrova, Evonik
Dr. Hartwig Drögemüller,
Synthomer Deutschland GmbH
Alexander Felsch, unternehmerNRW
Herr Gelsen,
Verkehrsministerium des Landes NRW
Dr. Arndt Glowacki, Bundesverband
Öffentlicher Binnenhäfen e.V.
Herr Gössel,
Verkehrsministerium des Landes NRW
Bernd Groß, WiN Emscher-Lippe GmbH
und ChemSite e.V.
Michael Groß,
Mitglied des Deutschen Bundestags
Ocke Hamann, IHK Niederrhein
Jan Hinterlang, VCI NRW
Daniel Janning, IHK Nord Westfalen
Heinz-Josef Joeris, Generaldirektion
Wasserstraßen und Schifffahrt
Thorsten Kalinofski, BP
Daniela Kampmann, BP
Bettina Kittel, Ministerium für Wirtschaft,
Innovation, Digitalisierung und Energie des
Landes NRW
Michael Klement, Stadt Marl
Jochen Klewin, Landtag NRW
Reinhard Klingen, Bundesministerium für
Verkehr und digitale Infrastruktur
Iris Klinkenberg, Europäische Vereinigung der
Binnenschiffer e.V.
Dr. Christoph Kösters,
Verband Verkehrswirtschaft und Logistik NRW
Peter Lehmann, Deutscher Bundestag
Carsten Löcker,Mitglied des Landtags NRW
Claudia Müller-Werner, Deutscher Bundestag
Hans-Jürgen Mittelstaedt, VCI NRW
Norbert Neß, Evonik
Daniel Neuhaus, ISP Marl GmbH
Frau Nöggerath,
Verkehrsministerium des Landes NRW
Ulrich Reuter, Mitglied des Landtags NRW
Bernd Reuther,
Mitglied des Deutschen Bundestags
Volker Schlüter, WSA Duisburg-Meiderich
Dr. Hendrik Schulte,
Verkehrsministerium des Landes NRW
Reinhold Sendker,
Mitglied des Deutschen Bundestags
Roberto Spranzi, Bundesverband der
Deutschen Binnenschifffahrt e.V.
Mathias Stein,
Mitglied des Deutschen Bundestags
Tobias Stockhoff,
Bürgermeister der Stadt Dorsten
RA Andreas Stommel,
Verband Verkehrswirtschaft und Logistik NRW
Cay Süberkrüb,
Landrat des Kreises Recklinghausen
Ruben Thiel, Evonik
Bettina Tull, Landtag NRW
Jolanda van Gils, Europäische Vereinigung der
Binnenschiffer e.V.
Klaus Voussem, Mitglied des Landtags NRW
Uwe Wäckers, VCI NRW
Prof. Dr. Hans-Heinrich Witte,
Generaldirektion Wasserstraßen und
Schifffahrt

Autor:

Siegfried Schönfeld aus Marl

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