Lehren für Emscher und Lippe aus der Hochwasserlage vor einem Jahr
Die Hochwasser-Katastrophe vom Juli 2021 jährte sich in diesen Tagen. Auch wenn die Infrastruktur von Emschergenossenschaft und Lippeverband der Belastungsprobe standhielt, haben die Wasserverbände zusätzliche Maßnahmen ergriffen. Diese sollen Hochwasserschutz und Starkregenvorsorge in der Region verbessern. Dazu gehört auch der Umbau der Quartiere zu Schwammstädten, wie ihn die Zukunftsinitiative Klima.Werk vorantreibt. Das Netzwerk will gemeinsam die Region klimaresilient umgestalten.
13./14. Juli 2021:
Seit der Nacht sorgt Tief „Bernd“ im Emscher-Lippe-Gebiet für ergiebigen Dauerregen, lokal kommt es immer wieder bis zum Nachmittag zu Starkregen-Ereignissen mit Intensitäten und Niederschlagsmengen, die statistisch gesehen seltener als einmal in 100 Jahren vorkommen. In der Folge steigen die Pegelstände, die Emscher-Auen zwischen Dortmund-Mengede und Castrop-Rauxel verwandeln sich beispielsweise in eine Seenlandschaft, der Phönix See in Dortmund wird seiner Funktion als Hochwasserrückhaltbecken gerecht und nimmt zusätzlich über 100.000 Kubikmeter Wasser aus der Emscher auf. In Oberhausen erreicht der Fluss mit 7,13 Metern seinen maximalen Höchststand, lokale Überflutungen treten an den Nebenläufen auf. Das Hochwasserrückhaltebecken in Bönen im Lippeverbandsgebiet, das 340.000 Kubikmeter Wasser fassen kann, ist im Volleinstau.
Bilanz des Hochwassers
Trotzdem fällt die Bilanz von Emschergenossenschaft und Lippeverband nach der Hochwasser-Lage im Juli 2021 positiv aus: Es sind keine Toten und Verletzten zu beklagen, die Sachschäden halten sich in Grenzen. Deiche und Hochwasserrückhaltebecken haben gemäß ihrer Bestimmung funktioniert, es hat keine extremen Überflutungen gegeben. „Aber uns war sofort klar, dass uns das nicht reichen kann, auch wenn wir alle gesetzlichen Vorgaben zum Hochwasserschutz einhalten und darüber hinausgehen. Wir hatten Glück und Geschick“, sagt Dr. Emanuel Grün, technischer Vorstand von EGLV. „Wenn es im Emscher-Lippe-Gebiet die gleichen Regenmengen wie zum Beispiel in Hagen oder im Ahrtal gegeben hätte, wären die Schäden erheblich gewesen, das bestätigen uns aktuelle Analysen der damaligen Situation. Solche Niederschlagsmengen können die besten technischen Systeme nicht aufnehmen und abführen“, so Grün weiter.
Aktionsplan für mehr Hochwasserschutz
Die Erkenntnis vom Juli 2021 haben die Wasserverbände in den vergangenen zwölf Monaten in die Tat umgesetzt und zum Beispiel die „Roadmap Krisenhochwasser“ aufgesetzt. Der Aktionsplan, in Workshops unter Beteiligung der kommunalen und gewerblichen Mitglieder erarbeitet, sieht unter anderem die Schaffung von mehr Retentionsflächen vor, die im Ernstfall kontrolliert geflutet werden können. Mehr Raum für Wasser, 30 zusätzliche Pegel im EGLV-Gebiet, um die Hochwasser-Warnung zu verbessern, die Ertüchtigung von Deichen oder die Anpassung der Hochwasserschutzanlagen an extreme Wetterlagen, die in Folge des Klimawandels häufiger auftreten, gehören dazu.
Investitionen in Hochwasserschutz:
Neue Förderprogramme sind notwendig
Finanzierung und Flächenknappheit sind dabei im dicht besiedelten und stark versiegelten Ruhrgebiet zentrale Fragen. Unterstützung bei deren Lösung fordert EGLV-Vorstandsvorsitzender Prof. Dr. Uli Paetzel von der neuen nordrhein-westfälischen Landesregierung. „Wir zählen darauf, dass die schwarz-grüne Koalition ihr Vorhaben umsetzt, mehr in ökologische Infrastruktur zu investieren. Dazu gehören auch der Ausbau des Hochwasserschutzes, hier sind neue Förderprogramme des Landes notwendig“, macht Uli Paetzel deutlich. Denn erhebliche Investitionen stehen in den nächsten zehn bis 15 Jahren an, um den Hochwasserschutz zu gewährleisten. Allein die „Roadmap Krisenhochwasser“ sieht bis 2037 Investitionen in Höhe von rund 500 Millionen Euro vor.
Schwammstadt-Prinzip in Stadtplanung etablieren
Darüber hinaus gelte es, das Schwammstadt-Prinzip in jeglicher Stadt- und Bauleitplanung zu etablieren. Regenwasser soll demnach nicht mehr in die Kanalisation abfließen, diese im Extremwetter-Fall überlasten und zur Kläranlage geleitet werden. Die Schwammstadt-Maßnahmen (Dach- und Fassadenbegrünungen, Entsiegelung von Flächen, Bau von unterirdischen Speichern, Abkopplung von Flächen von der Mischwasserkanalisation, Anlegen von Versickerungsmulden, Überflutungs- und Wasserflächen) sorgen dafür, dass Regenwasser lokal zurückgehalten und gespeichert wird, Straßengrün bewässert oder über Verdunstung die Temperatur in den überhitzten Wohnquartieren im Sommer kühlt. Die Folgen des Klimawandels wie Hitze, Dürre oder Starkregen können so abgedämpft werden.
Zukunftsinitiative Klima.Werk Treiber des klimarobusten Umbaus
Mit der Zukunftsinitiative Klima.Werk sind Emschergenossenschaft und Emscher-Kommunen seit 2014 Treiber dieses klimaresilienten Umbaus der Region, der bereits seit Anfang der 2000er Jahre läuft. Das Leitbild der Zukunftsinitiative, die „Klimaresiliente Region mit internationaler Strahlkraft“, ist Ende 2019 als Ruhrkonferenz-Projekt verabschiedet worden. Seit März 2022 gibt es die Förderrichtlinie, die rund 250 Millionen Euro für Schwammstadt-Maßnahmen in den 53 Städten und Gemeinden des RVR-Gebiets bis 2030 bereitstellt.
Bereisungen und Hochwasser-Tagungen
Um die Entscheider in der Region vom Schwammstadt-Prinzip auch mit Blick auf den Überflutungsschutz zu überzeugen, haben EGLV im Frühjahr dieses Jahres Kommunalpolitikerinnen und -politiker zu Bereisungen und Hochwasser-Tagungen eingeladen. Wie wasserbewusste Stadtentwicklung, die den natürlichen Wasserkreislauf stärkt, aussehen kann, erfuhren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer beim Besuch der Freizeitanlage „Am Hausacker“ in Bochum, des Schulhofs der Gesamtschule Weierheide in Oberhausen, der Wohnsiedlung an der Elsässer Straße in Duisburg oder des Gewerbegebiets Hibernia in Herne mit seinem Grachtensystem.
Die Zukunftsinitiative Klima.Werk
In der Zukunftsinitiative Klima.Werk arbeiten Emschergenossenschaft und Emscher-Kommunen zusammen an einer wasserbewussten Stadt- und Raumentwicklung, um die Folgen des Klimawandels abzumildern und die Lebensqualität in den Quartieren zu steigern. Der grünblaue Umbau startete 2005 mit der Zukunftsvereinbarung Regenwasser (ZVR) und entwickelte sich 2014 zur Zukunftsinitiative „Wasser in der Stadt von morgen“ weiter, jetzt Zukunftsinitiative Klima.Werk. Unter dem Dach des Klima.Werks wird das Ruhrkonferenz-Projekt „Klimaresiliente Region mit internationaler Strahlkraft“ des Landes Nordrhein-Westfalen umgesetzt, an dem sich seit 2020 alle Wasserverbände der Region beteiligen. Die Förderkulisse des Projekts umfasst das Gebiet des Regionalverbandes Ruhr (53 Städte und Gemeinden). In den klimafesten Wandel sollen bis 2030 rund 250 Millionen Euro investiert und in ausgewiesenen Gebieten 25 Prozent der befestigten Flächen abgekoppelt und die Verdunstungsrate um 10 Prozentpunkte gesteigert werden. Die Serviceorganisation der Zukunftsinitiative bei der Emschergenossenschaft setzt mit den Städten die Maßnahmen zur Klimafolgenanpassung um.
Autor:Siegfried Schönfeld aus Marl |
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