Industrie, Entwicklung des Konkurrenzdrucks auf dem EU-Markt
In einem Report wird untersucht, ob China mit seinen Exporten immer mehr in diejenigen Branchen vordringt, in denen die deutsche Wirtschaft ihre Stärken hat. Um dieser Frage nachzugehen, werden die Veränderungen der Anteile Chinas und Deutschlands an den EU-Importen im Zeitraum 2000 bis 2022 deskriptiv analysiert.
Dabei werden zunächst die aggregierten Warenimporte und die Einfuhren von anspruchsvollen Industriegütern insgesamt betrachtet, auf welche die deutsche Wirtschaft spezialisiert ist.
Chinas Anteile an den EU-Importen sind durchgängig und sehr deutlich gestiegen. Dies galt zunächst vor allem für die erste Dekade des Betrachtungszeitraums und weniger für die zweite Dekade, wie eine Vorläuferstudie mit Daten bis 2019 gezeigt hat. Diese Aktualisierung kommt zu der bemerkenswerten Erkenntnis, dass der Anteilsanstieg Chinas seit 2020 wieder an Dynamik gewonnen hat. In vielen der in diesem Report analysierten Aspekte hat China seine Anteile an den EU-Importen allein in den beiden Jahren zwischen 2020 und 2022 in etwa so stark und teils sogar stärker ausgebaut als im gesamten Zehnjahreszeitraum zuvor. Dies gilt vor allem für anspruchsvolle Industriegüter, auf die Deutschland bislang spezialisiert war.
Deutschlands Anteile an den EU-Importen sind insgesamt und in zahlreichen anspruchsvollen industriellen Produktgruppen seit 2005 im Trend rückläufig. Dieser Rückgang hat sich in vielen Bereichen zuletzt beschleunigt.
Chinesische Anteilsgewinne und deutsche Anteilsverluste gehen in vielen Perspektiven oft zeitlich Hand in Hand. Auch wenn in diesem Report keine Kausalität untersucht wird, deutet dieser Befund doch stark darauf hin, dass China der deutschen Wirtschaft auf ihrem EU-Heimatmarkt und in ihren angestammten Bereichen zunehmend Konkurrenz macht. Problematisch dabei ist, dass Chinas Exporterfolge auch auf umfangreicher verbreiteter Subventionierung beruhen dürften, was die Frage nach handelspolitischen Reaktionen aufwirft.
Der empirische Befund stimmt sorgenvoll angesichts der Herausforderungen der Energiewende und der grundlegenden Probleme mit Wettbewerbsfähigkeit und Standortqualität in Deutschland. Bei den Ausfuhren der Automobilindustrie, die eine wichtige Säule des deutschen Exporterfolgs sind, dürfte das Fortschreiten der Energiewende die aufgezeigte problematische Entwicklung weiter verstärken. Denn China ist bei Elek-trofahrzeugen gerade dabei, die europäischen Märkte zu erobern, wenngleich noch von geringer Basis ausgehend. Auch erscheint es fraglich, wie die energieintensive Chemieindustrie ihre gesamtwirtschaftlich relevanten Exporterfolge bei so hohen Energiekosten verteidigen soll, zumal China auch hier Boden wettgemacht hat. Und selbst der hochspezialisierte Maschinenbau, der tendenziell von der Energiewende profitiert, verliert in immer mehr Bereichen seine Vormachtstellung an chinesische Maschinenbauer. In all diesen Sektoren sind Deutschlands Anteilsvorsprünge auf dem EU-Markt zuletzt immer stärker geschrumpft. In der Elektroindustrie hat China Deutschland schon seit Längerem mit Blick auf die EU-Importanteile überholt.
Das deutsche industrielle Exportmodell scheint ins Wanken zu geraten.
Autor:Siegfried Schönfeld aus Marl |
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