Kirschen und Pflaumen stehen in der zweiten Reihe
Gut angewachsen sind sie, die vierzehn Kirsch- und Pflaumenbäume an der Obstbaumallee am Weierbach. Hubert Schulte-Kemper, der Vorsitzende des rührigen Heimatvereins Marl, übergab die Bäume jetzt an ihre Paten. Gekauft und gepflanzt wurden die Fruchtträger zwar unter der Regie des Heimatvereins – aber finanziert haben sie Marler Bürger. Und so unterschiedlich die Bäume sind, so unterschiedlich sind ihre Paten und die Geschichten, die hinter jeder Patenschaft stehen. Mit dem Landrat des Erftkreises, Werner Stump, und dem Chefredakteur der NRZ, Rüdiger Oppers, wohnten der Paten-Party gleich zwei prominente Gäste bei, die von der ehrenamtlichen Arbeit des Heimatvereins beeindruckt waren.
Kirschen fürs Enkelkind
„Jeder Obstbaum hier am Weierbach erzählt seine eigene Geschichte“, ist der Vorsitzende des Heimatvereins sichtlich zufrieden: Kein Wunder, denn auch er gehört zu den Spendern, die ihren Baum an einen Paten gegeben haben. Bis sein Patenkind allerdings in „Büttners Rote Knorpelkirsche“ klettern kann, werden noch einige Jahre ins Land gehen. Damit ist auch schon die erste Patengeschichte erzählt.
Kirschen in Nachbars Garten
Auch Bürgermeister Werner Arndt hat einen Obstbaum gespendet: „Im Garten meiner Eltern gab es keinen Kirschbaum – mein Baum stand in Nachbars Garten“, schmunzelt der Bürgermeister und stellt gleich klar: „Das war der Garten meiner Großeltern und dort durfte ich pflücken, so viel ich wollte. Mit dem Süßkirschbaum ‚Stella’ am Weierbach beschenke ich mich daher selber.“
Liebesbeweis „Mirabelle von Nancy“
„Unser Baum steht für unsere Ehe, auf die unsere Freunde und Bekannten zu unserer Hochzeit nicht wetten wollten“, grinsen Brigitte und Manfred Vorholt. „Alle hatten damals gemeint, wir passten nicht zueinander – und jetzt haben wir Rubinhochzeit gefeiert.“ Die erfahrenen Eheleute haben sich für ihren Liebesbeweis eine „Mirabelle von Nancy“ ausgesucht, deren Früchte sie „auf jeden Fall den Gästen zu unserer Goldhochzeit“ anbieten wollen.
Vitamine für Jan
Praktisch gedacht haben Sylvia und Detlef Bassing, deren Apfelbaum vor zwei Jahren gepflanzt wurde und in diesem Jahr Früchte trägt. Jan bekam den Baum zum Beginn eines neuen Lebensabschnitts geschenkt. „Für die Schule braucht man schließlich Gehirnnahrung – also Vitamine“, war sich Opa Detlef sicher. Beide – Baum und Jan – sind inzwischen gewachsen. „Sehr schön ist, dass dieses Jahr das erste mal Früchte auf dem Baum sind - zwei Stück. Jan ist jetzt noch in der 2. Klasse, also für jedes Schuljahr einen. Wir hoffen natürlich, dass der Baum groß und schön wird und noch viele Vitamine liefern wird“, sagen die stolzen Großeltern.
Viele Paten – keine Kinder
Eigene Kinder haben sie nicht, Rita und Wolfgang Katzer. „Aber zusammen haben wir fünf Patenkinder“, schmunzeln die Eheleute Katzer, die im Heimatverein und den Städtepartnerschaftsvereinen aktiv sind. „Mit unserer ‚Hauszwetsche’ und einem Apfelbaum aus der ersten Pflanzung hinterlassen wir etwas Lebendiges in Marl.“
Zum Haus fehlte nur noch der Baum
Quicklebendig ist auch der Pate eines Baumes, dessen Spender ungenannt bleiben möchten. Die Geschichte darf der Heimatverein dennoch erzählen: „Als wir von den Patenschaften für einen Obstbaum am Weierbach hörten waren wir gleich hellauf begeistert“, sagte die Heimatfreundin. „Wir hätten gern die Patenschaft eines Baumes übernommen, als Zeichen für unsere Familie. Leider hat es sich beim ersten Mal jedoch nicht ergeben. Allerdings wussten wir, dass eines Tages die Mauerspechte weitere Bäume pflanzen würden. Gesagt getan. Nun hat es geklappt. Wir, beziehungsweise unser Enkel Johann, sind die Paten des Pflaumenbaumes ‚The Czar’. Als unser Enkel – zu unserer großen Freude!! - im letzen Jahr auf die Welt gekommen ist und wir gemeinsam mit unseren Kindern ein Mehrgenerationenhaus in Marl gebaut haben, fehlte uns nur noch – ein Baum! Da unser Johann ebenfalls im letzen Jahr 2011 getauft worden ist, haben wir ihm unter anderem eine Patenschaft für einen Baum geschenkt. Diesen soll er beim Wachsen begleiten und gemeinsam mit ihm groß werden. Da wir in unmittelbarer Nähe wohnen, wird Sebastian ganz bestimmt oft einfach mal ‚Hallo’ sagen und sich rührend um seinen Baum kümmern. Man kann also sagen, dieser Baum steht als Zeichen für unsere Familie und ganz besonders für unseren kleinen Johann.“
Der Kirschbaum erinnert an die gemeinsame Liebe zum Naschen
So ungetrübt wie die Baumgeschichte von „The Czar“ ist die der Süßkirsche „Burlat“ nicht. „Meine Frau hatte sich bereits Anfang vergangenen Jahres um einen Obstbaum am Weierbach beworben - allerdings war seinerzeit schon alles vergeben; im Dezember 2011 ist meine Frau verstorben“, erzählt der Heimatfreund. „Als ich im Frühjahr 2012 den Hinweis auf die Anpflanzung weiterer Obstbäume erhalten habe, haben meine Tochter mit Familie und ich uns spontan entschieden, uns für einen Obstbaum anzumelden. Doch der ursprünglich beabsichtigte Kirschbaum war nicht mehr verfügbar. So kam es dann zu unserer Entscheidung für die Süßkirsche ‚Burlat’, um nun die ursprüngliche Absicht meiner Frau zu verwirklichen und den Baum in ihrem Gedenken zu erwerben - zumal süße Kirschen in unseren gemeinsamen Jahren stets zu ihren Lieblingsfrüchten gehörten“, schaut der Heimatfreund auf die Zeit mit seiner Frau zurück und blickt zugleich in die Zukunft: „Und so dient uns der erworbene Baum nicht nur zum Gedenken an meine Frau, sondern auch zur erinnerlichen Fortsetzung beim Verspeisen süßer Kirschen, worüber sich insbesondere auch unsere Enkelin sehr freut.“
Der „weiteste“ Pate wohnt in Amerika
Peter Ulrich Luxenhofer ist der Name des Paten, den der Atlantik von seinem Baum in Marl trennt. Seine Halbschwester Helga Ahlert und er haben den gleichen Vater. Kompliziert wie der Krieg sind auch die Wege, die die beiden Geschwister dann gegangen sind. Am Ende landete Peter bei einer Nenntante in den Vereinigten Staaten und Helga blieb in Deutschland. Mit dem Ortswechsel verlor Peter seinen Namen, seine Identität und seine Familienbande – niemals aber seine deutsche Muttersprache. Von Peter wusste Helga viele Jahre nichts – und umgekehrt.
Über den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge wurde 1986 das Grab des gefallenen Vaters in der Slowakei gefunden. Danach fanden sich die verlorenen Geschwister. Peter wohnt als „Treefarmer“ in Wisconsin und hatte Heimweh nach Deutschland. Helga und Peter sehen sich nun alle zwei Jahre. Helga Ahlert: „Peter hat die Gene zur Naturliebe von unserem Vater, der war Forsteleve in Mecklenburg-Vorpommern. Wenn ich Peter jetzt zum Paten der Süßkirsche ‚Sunburst’ mache, wird mich jede Frucht an ihn erinnern.“
Der Heimatverein ehrt Hans-Josef Overbeck
Der Heimatfreund Hans-Josef Overbeck ist im vergangenen Jahr verstorben und wäre am Freitag, 13. Juli – dem Tag der Paten-Party - 82 Jahre alt geworden. Wie kein zweiter in Marl war er dem Heimatgedanken verbunden und ein großzügiger Förderer des Heimatvereins. „Wenn man den Begriff ‚Heimat’ mit einer Person verbinden kann, dann ist das unser Hans-Jupp“, erinnert Hubert Schulte-Kemper an den Landwirt, Banker, Kornbrenner und Familienmenschen, dessen einziger Makel darin bestand, nicht in Marl, geboren zu sein, „weil meine Mutter mit mir zur Entbindung nach Gelsenkirchen ging“ – wie Hans-Jupp stets augenzwinkernd erzählte. „Mit der Reneklode Graf Althanns ehren ihn nun die Mitglieder des Heimatvereins für seine Verbundenheit mit unserem Verein, für seine Herzensgüte und seine beispiellose Menschlichkeit“, sagt ein sichtlich bewegter Hubert Schulte-Kemper. „Gern hätten wir ihm unsere Früchte in die Brennerei gebracht, damit er sie dort zu einem leckeren Obstler veredelt.“ Dem pflichteten Annette Overbeck und ihre Tochter Anne bei: „Der Pflaumenbaum ist das schönste Geburtstagsgeschenk für meinen Mann und unseren Vater, er hätte sich sehr darüber gefreut.“
Riesenkirschen für drei Kinder und Kirschen statt „Kardinal Bea“
Auch die anderen Bäume würden – könnten sie sprechen – nette Geschichten erzählen. Zum Beispiel die „Hedelfinger Riesenkirsche“, deren Paten die Kinder von Andrea und Andreas Steidle sind: „Wir haben drei Kinder, konnten aber nur einen Baum spenden. Da riet uns Peter Hofmann vom Heimatverein, die Riesenkirsche zu nehmen – wegen der großen Früchte. Vielleicht bekommen wir ja unsere Kinder mit einem Baum satt“, schmunzeln die Eltern.
„Ich wäre so gern Pate eines Apfelbaumes ‚Kardinal Bea’ geworden“, bedauert Baudezernent Wolfgang Seckler, „dem Kardinal bin ich in meiner Kindheit begegnet und habe oft an seinem Grab in der Riedböhringer Kirche gestanden.“ Weil aber nur Kirschen und Pflaumenbäume gepflanzt wurden, entschied sich Wolfgang Seckler leichten Herzens für „Dörnissens Gelber Knorpelkirsche“. – „Süß und lecker“, freut sich ein Genießer.
„Unsere beiden Töchter Katrin und Nina sollen die Paten unseres Baumes sein“, Bernhardine und Hans-Walter Haagsma überraschen ihre beiden Mädchen mit einer „Schattenmorelle“ – einer Sauerkirsche.
Eine „Bühler Frühzwetsche“ erinnert Alfred Vadder an viele glückliche Jahre mit seiner Frau Christine und der Mauerspecht Dieter Kimpel spendierte seinem Enkelkind Luca eine „Wangenheimer Frühzwetsche“. Luca war übrigens der einzige Gast der Paten-Party, der in seinem Kinderwagen keinen Tropfen Regen abbekam – während sich alle anderen die wenigen Schirme teilten, als ein heftiger Schauer die Paten zusammenrücken ließ.
Kirschen und Pflaumen
Als der Heimatverein Anfang des Jahres Marler wieder Paten für die Allee am Weierbach suchte, konnte sich Peter Hofmann, stellvertretender Vorsitzender des Heimatvereins, vor potentiellen Paten nicht mehr retten: „Es haben sich wieder weit mehr Paten gemeldet, als wir Platz für Bäume haben,“ war Peter Hofmann nach dem ersten Aufruf vor zwei Jahren nicht mehr allzu überrascht vom Echo. In Absprache mit dem Umweltamt der Stadt Marl konnten die Mauerspechte – eine Gruppe von Helfern der Kleingartenvereine und der Siedlergemeinschaft Brassert –Standorte aussuchen. Die Firma Büning & Weimann Garten- und Landschaftsbau aus Polsum, fand kräftige und gesunde Bäume, die die Mauerspechte am Ende der Frostzeit pflanzen konnten. Wurden bei der ersten Pflanzaktion Apfel- und Birnbäume ausgesucht, liebäugelte der Heimatfreund Horst Zachau diesmal mit verschiedenen Kirsch- und Pflaumensorten.
Jeder der Baumpaten erhielt aus der Hand von Schulte-Kemper eine ganz besondere Patenurkunde – die für sich schon ein Schmuckstück ist: kleine Holzskulpturen mit Aufschrift, handgefertigt in der A&QUA Qualifizierungswerkstatt in Nottuln.
Für jeden Baum hat der Mauerspecht und Heimatfreund Dietmar Lotze in liebevoller Handarbeit Schilder gefertigt, auf denen der Name der Obstsorte und eine Nummer stehen. Diese Zahl deckt sich mit der Zahl auf der Skulptur. So kann jeder Pate seinen Baum durch das Jahr begleiten. Er kann ihn im Frühjahr blühen sehen, verfolgen, wie die Früchte reifen und im Herbst die Früchte ernten. Das ganze Jahr über können sich die Paten und jeder Spaziergänger an den Fruchtbäumen erfreuen.
Paten gibt es genug – was fehlt sind die Standorte
„Wir haben noch viele Spender für die nächste Aktion“, sagt Hubert Schulte-Kemper, „auf jeden Fall möchten wir in Zusammenarbeit mit dem Umweltamt weitere Standorte suchen, um auch diesen Paten Bäume geben zu können.“
Prominente Gäste sind begeistert von der Arbeit der Marler Heimatfreunde
Ehrenamtliches Engagement sind dem Landrat des Erftkreises, Werner Stump, und dem Chefredakteur der NRW, Rüdiger Oppers, aus ihrer täglichen Arbeit nicht unbekannt. Auf Einladung von Hubert Schulte-Kemper wohnten beide der Paten-Party und dem sich anschließenden Sommerfest der Heimatfreunde bei. „Mit meinen Gästen bin ich vorher zu allen Häusern des Heimatvereins gefahren“, sagt der Vorsitzende des Heimatvereins, „und wir haben uns alle Einrichtungen angesehen.“ Beide Gäste waren mehr als beeindruckt von den Leistungen, die die Mitglieder des Heimatvereins erbringen. Schulte-Kemper: „Landrat Stump war so angetan von unserer Arbeit, dass er spontan alle aktiven Heimatfreunde im nächsten Jahr zu sich in den Erftkreis eingeladen hat, um uns die Arbeit seiner Heimatpfleger zu zeigen.“
Paten-Party am Heimatmuseum
Nach der Übergabe der Bäume an die Paten lud der Heimatverein zu einer Feier am Museum ein. Bis in die Nacht feierten die Paten, Mauerspechte, Freunde, Gönner und die ehrenamtlich Tätigen im Verein am kühlen Bach eine Paten-Party, die auch ein Dankeschön an alle war, die sich für den Heimatverein stark machen.
Autor:Peter Hofmann aus Marl |
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