Rücksichtslose Autofahrer gefährden Kinder
Astrid Kromrey, seit zehn Jahren als Schulbus-Fahrerin in Marl unterwegs, wandte sich schon fast verzweifelt an den Stadtspiegel. Warum? Schlichte Antwort: „Anders weiß ich mir nicht mehr zu helfen.“
Sie sagt: „Klar ist die Mehrheit der Autofahrer vernünftig. Aber einige nehmen leider keine Rücksicht auf die Kinder, die aus dem Schulbus ein- und aussteigen. Und unter diesen schwarzen Schafen sind oft richtig krasse Fälle.“
Astrid Kromrey fährt mehrmals täglich Schulen an, darunter auch die Glück-auf-Schule, die Förderschule an der Brassertstraße. „Ich fahre auch geistig und körperlich behinderte Kinder, helfe ihnen beim Ein- und Aussteigen und begleite sie beim Überqueren der Straße.“
Manche rücksichtlose Autofahrer stoppen aber nicht ordnungsgemäß hinter dem haltenden Schulbus, trotz eingeschaltetem Warnlicht: Drängler wollen partout vorbei, am liebsten mit dem Bleifuß auf dem Gaspedal.
Astrid Kromrey: „Wenn sich die Gelegenheit ergibt, spreche ich solche Autofahrer darauf an. Oder ich mache mit Handzeichen auf die Kinder aufmerksam. Manche reagieren richtig böse, zeigen mir den ausgestreckten Mittelfinger. Es ist wirklich manchmal unfassbar.“
Für solche krassen Verkehrsrowdys müsste sich doch die Polizei interessierten. Warum wendet sich Astrid Kromrey nicht an die Ordnungshüter: „Ist doch alles schon passiert. Die Polizei kann aber erst dann aktiv werden, wenn ich nicht nur das Fahrzeug beschreiben kann und das Kennzeichen weiß, sondern auch die Person, die hinterm Steuer saß, genauestens beschreiben kann und wiedererkenne. Aber genau daran scheitert‘s. In diesen gefährlichen Situationen muss ich mich vor allem um die Kinder kümmern.“
Mit ihrer harschen Kritik - wohlgemerkt nicht generell an Autofahrern, sondern an den „schwarzen Schafen“ unter ihnen - steht die Marlerin keineswegs alleine: Manfred Steinert, auch er ein erfahrerer Schulbusfahrer in der Stadt der Chemie und Kohle, weiß von ähnlich krassem Fehlverhalten einiger Benzinkutscher zu berichten: „Ich habe Autofahrer erlebt, die über den Gehweg gefahren sind, um an einem Schulbus vorbeizukommen. Das ist doch völlig verrückt.“
Andreas Wilming-Weber, Sprecher des Polizeipräsidiums Recklinghausen, erläutert: „Grundsätzlich gilt: Wenn ein Bus hält, muss man vorsichtig vorbeifahren. Und wenn der Busfahrer das Warnlicht eingeschaltet ist, muss man halten. Auch wenn auf der Gegenfahrbahn ein Bus hält, müssen Autofahrer besonders vorsichtig sein.“
Für Fehlverhalten können Autofahrer bestraft werden. Wilming-Weber: „Sogar dann, wenn es gar nicht zu einem Unfall gekommen ist. Verwarngelder bis zu 50 Euro und ein bis zwei Punkte in Flensburg sind drin.“
Udo Lutz, Verkehrsplaner der Stadt Marl und Ansprechpartner des Netzwerks Verkehrsicherheit im Kreis Recklinghausen, hält die negativen Fälle, von denen Astrid Kromrey und Manfred Steinert dem Stadtspiegel berichtet haben, nicht für übertrieben. Im Gegenteil: „Es gibt eindeutig einen Trend zu einer persönlichen, sehr egoistischen Auslegung der Verkehrsregeln. Die zweite Rot-Sekunde an der Ampel wird immer mehr ,genutzt‘.“ Udo Lutz hält rein gar nichts davon, beispielsweise Ampeltaktungen für Autos kürzer zu schalten. „Klar ließe sich das technisch machen, aber ich sehe nicht ein, warum Raserei und Rücksichtlichslosigkeit belohnt werden sollten.“
Mit Aktionen wie „Ampelmännchen-Diplom“ und anderen verkehrspädgogischen Maßnahmen erreicht der Fachmann für Verkehrssicherheit Jahr für Jahr viele Kindergartenkinder und Schüler. „Es bringt auch was. Die Unfallzahlen sind gesunken“, so Udo Lutz.
Aber wer nimmt die Erwachsenen an die Kandare?
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Hier der "Autofahrer-Knigge":
§ 20 StVO (Straßenverkehrsordnung): An Linienbussen und gekennzeichneten Schulbussen, die an Haltestellen halten, darf - auch im Gegenverkehr - nur vorsichtig vorbeigefahren werden. Die Schrittgeschwindigkeit gilt auch für den Gegenverkehr auf derselben Fahrbahn. Busse mit eingeschaltetem Warnlicht dürfen nicht überholt werden.
Autor:Kerstin Halstenbach aus Emmerich am Rhein |
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