Menschen und Schicksale: Besuch bei der Marler Tafel
Die Zeit über Weihnachten bis ins neue Jahr nutzen viele für Momente der Besinnung, aber auch zum Blick in den Rückspiegel und über den Tellerrand hinaus. Wer allerdings bei der Marler Tafel Kunde ist, der schaut traurig und nicht selten hoffnungslos zurück und ins neue Jahr voraus. Denn wer dort einkauft, lebt in Armut: Hartz-IV-Empfänger, Spätaussiedler oder Menschen mit geringer Rente sind zum Einkauf berechtigt.
Bianca Munker hat die Marler Tafel besucht und selbst mit angepackt. Hier ihr Bericht.
„Gut, dass es sie gibt, aber traurig, dass es sie geben muss“, sagt Renate Kampe. Die Rede ist von der Tafel. Fast 2400 Marler Bürger kaufen hier ihre Lebensmittel. Oder besser: Sie müssen sie kaufen.
Ein verschneiter Tag, kurz vor Weihnachten. „Heute wird es voll“, sind sich die Helferinnen einig. Den Kunden bleibt daher nichts anderes über, als geduldig zu warten. Die ehrenamtlichen Verkäuferinnen stellen Stühle vor die Tür, damit ältere oder kranke Menschen beim Warten Platz nehmen können.
Wer bei der Marler Tafel Kunde ist, der lebt in Armut. Hartz-IV-Empfänger, Spätaussiedler oder Menschen mit geringer Rente sind zum Einkauf berechtigt. Und es werden immer mehr ...
„In den letzten zwei Jahren sind viele Leute dazu gekommen“, erzählt Renate Kampe, die Vorsitzende des Vereins. „Besonders alleinerziehenden Eltern geht es schlecht. Aber auch die Altersarmut wird immer größer“. Daher scheint der Tafel-Laden am Lipper Weg immer öfter aus allen Nähten zu platzen. Denn in den Supermarkt gehen und nach Herzenslust den Einkaufswagen beladen, das können die Kunden der Tafel sich einfach nicht leisten.
Bis zu 140 Familien werden an diesem Nachmittag günstige Lebensmittel kaufen. Sie bezahlen nur rund 10 Prozent der üblichen Preise für die Waren, die aus Spenden Marler Supermärkte bestehen. Grundnahrungsmittel wie Brot, Obst und Gemüse gehen hier über die Theke. Besonders hoch im Kurs stehen aktuell Orangen und Trauben.
Und kurz vor Heiligabend hat sich der „Tafel-Laden“ noch eine Überraschung einfallen lassen: Jeder Kunde bekommt eine Weihnachtstüte mit köstlichen Keksen, Nüssen und frischem Obst. Die Produkte stammen aus der Aktion „Eins mehr“, bei der die Mitglieder des „Tafel Vereins“ Spenden vor Marler Laden gesammelt haben.
Dem nicht genug: Hinter dem Kühlraum steht aussortiertes Spielzeug wie Puzzles, Puppen und Stofftiere, das geduldig auf seine neuen kleinen Besitzer wartet. Die Kinder der Tafel-Kunden dürfen sich hier ein Präsent aussuchen. „Für viele von ihnen ist es das einzige Geschenk, das sie überhaupt bekommen“, ist sich Dieter Wolf sicher.
Wer steckt hinter der Arbeit der Marler Tafel? Rund 80 Freiwillige packen derzeit mit an. Sie holen die Waren ab, sortieren das Essen und helfen beim Verkauf. „Ich habe genügend Zeit, seitdem die Kinder aus dem Haus sind“, erklärt Renate Kampe. Zudem mache die Arbeit im Tafel-Laden ihr große Freude, da das Team so nett sei.
Das kann auch Sieglinde Pollmann bestätigen. „Die Gemeinschaft ist toll. Der eine hilft dem anderen. Und wir kennen unsere Kunden oftmals Jahre.“
Und etwas steht noch fest: Die Hilfe im „Tafel-Laden“ lässt niemanden kalt, der hier arbeitet. „Man kann nicht alles vergessen. Das Schicksal der Menschen nimmt man mit nach Hause.“
Öffnungszeiten: dienstags und freitags von 14.30-18 Uhr
Standort: Lipper Weg 72, Marl-Hüls
Kontakt: 02365/ 202810
Autor:Kerstin Halstenbach aus Emmerich am Rhein |
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