LWL-Klinik Marl-Sinsen nimmt die Herausforderung Fachkräftemangel an
Immer häufiger berichten Medien über einen Fachkräftemangel sowohl in Pflege- als auch Erziehungsberufen. In der LWL-Klinik Marl-Sinsen sind beide Berufsgruppen etwa gleichstark vertreten. Einen Nachwuchsmangel verzeichnet die Marler Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) derzeit nicht. Doch auf dem Ist-Zustand will sich die Pflegedirektorin Anne Rabeneck nicht ausruhen. Sie arbeitet mit ihrem Team weiter an zukunftsweisenden Konzepten, um das Arbeitsfeld dieser Berufsgruppen attraktiv zu gestalten.
Frau Rabeneck, wie würden Sie das Berufsfeld des Pflege- und Erziehungsdienstes in der LWL-Klinik Marl-Sinsen beschreiben?
Anne Rabeneck: Nun, auf der einen Seite begleiten die Kolleginnen und Kollegen die jungen Patienten durch ihren Alltag auf der Station. Sie schaffen ein sicheres Umfeld, indem sich diese jungen Menschen wohl fühlen können, gestalten pflegetherapeutische Angebote und bieten gemeinsame Freizeitaktivitäten an. Zusätzlich leisten sie erzieherische Arbeit, indem sie auf das oftmals herausfordernde Verhalten der Kinder und Jugendlichen adäquat reagieren.
Die Zusammenarbeit in einem multiprofessionellen Team spielt im Alltag des Pflege- und Erziehungsdienstes (PED) eine wichtige Rolle. Multiprofessional bedeutet, dass Ärzte, Therapeuten und der PED auf Augenhöhe arbeiten. Hier unterstützt das Team des PED die Therapie mit Angeboten der kinder- und jugendpsychiatrischen Pflege wie zum Beispiel dem DBT (Dialektisch-Behaviorale Therapie), mit der Patienten lernen, Anspannung durch bestimmte Verhaltensweisen zu kontrollieren. Den Eltern bietet das Team durch die Multifamilientherapie die Chance, sich mit anderen Betroffenen unter professioneller Anleitung auszutauschen und zu entlasten.
Hier zeigt sich, dass der Pflege- und Erziehungsdienst nicht nur mit den jungen Patienten arbeitet, sondern auch Ansprechpartner für die Familie und das Bezugssystem ist. Denn beide Seiten, sowohl die Kinder und Jugendlichen als auch ihre Familien oder Betreuer sind durch die Erkrankung der Patienten belastet. Das erfordert eine hohe Fachlichkeit aber auch sehr viel Empathie.
Welches "Rezept" haben Sie als Pflegedirektorin einer Kinder- und Jugendpsychiatrie, um dieses vielfältige Berufsbild attraktiv zu gestalten und so einem Fachkräftemangel erfolgreich vorzubeugen?
Anne Rabeneck: Hierzu gibt es verschiedene Bausteine. Zum einen ist es von immenser Bedeutung, dass wir Mitarbeitenden, die täglich ein so hohes Maß an Fachlichkeit und persönlichem Engagement zeigen, die entsprechenden Möglichkeiten zur Weiterbildung und Qualifizierung bieten. Hierzu zählen Fortbildungen wie die zum Marte-Meo-Praktiker, zum Multifamilientherapeuten oder Waldpädagogen. Eine sehr umfassende Weiterbildung, die wir bereits seit Jahren in der LWL-Klinik Marl-Sinsen für unsere eigenen Mitarbeiter aber auch für Kollegen aus anderen Einrichtungen anbieten, ist die Weiterbildung zur Fachkraft für Kinder- und Jugendpsychiatrie. Dass wir hiermit einen Nerv - nicht nur für das Berufsfeld der Pflegenden und Erziehenden - getroffen haben, zeigt unter anderem der Umstand, dass mittlerweile auch Mitarbeitende der Jugendhilfe wie Sozialarbeiter oder Sozialpädagogen an dieser Weiterbildung teilnehmen. Denn hier erhalten sie wertvolles Know-How für den Umgang mit einem Teil ihrer Schutzbefohlenen. Zudem können wir unser Fachwissen auch in der Schnittstelle zur Jugendhilfe zur Verfügung stellen und so Kooperationen bereichern. Von diesem Austausch profitieren auch unsere Kollegen sehr.
Okay, Fort- und Weiterbildung sowie Arbeiten auf Augenhöhe sind wichtig. Aber wie sieht es mit Karrierechancen aus?
Anne Rabeneck: Das ist ebenfalls ein wichtiger Aspekt, der gerade für unsere jüngeren Mitarbeiter oftmals den entscheidenden Ausschlag für die Berufswahl gibt. Auch hierfür ist die Fort- und Weiterbildung ein wichtiger Bestandteil. Denn sie bietet die Möglichkeit, sich als Fachexperte oder auch für eine Führungsaufgabe zu qualifizieren. Hinzu kommt die Chance, berufsbegleitend zu studieren und sich so für bestimmte Aufgabenfelder zu qualifizieren und akademisches Wissen im Stationsalltag zu installieren und praktisch anzuwenden. Dazu führen wir Karriereberatungen durch.
Es scheint, als wäre die LWL-Klinik Marl-Sinsen gut aufgestellt. Als Pflegedirektorin haben Sie ja ein Stück weit berufspolitischen Einfluss. Welche Impulse sehen Sie für die Zukunft im Bereich der Pflege und Erziehung?
Anne Rabeneck: Ich kann hier nur für die Kinder- und Jugendpsychiatrie sprechen. Ein ganz wichtiger Aspekt ist die Vernetzung zwischen unterschiedlichen Institutionen und Berufsgruppen. In vielen Bereichen vollzieht sich gerade ein Generationenwechsel. Und diese neue Generation wünscht sich flache Hierarchien und attraktive Karrieremöglichkeiten. Dazu ist auch ein weiterer Ausbau der Kooperation mit den entsprechenden Hochschulen, zum Beispiel im Sozial- und Gesundheits- oder Pflegemanagement, wichtig. Denkbar wären hier die Anrechnung sogenannter Credits aus bestimmten Fachfortbildungen wie der Fachkraft für Kinder- und Jugendpsychiatrie auf Studieninhalte. Ein weiterer Impuls ergibt sich aus der Möglichkeit, sogenannte Advanced Practice Nurses (APN) nach einem Pflegewissenschaftlichen Studium einzusetzen und so eine Verzahnung von akademischem Wissen und praktischer Arbeit zu fördern.
In unserem Fachtag "Kompetent-systemisch und vernetzt. Von der Wissenschaft zur gelebten Praxis in der Kinder- und Jugendpsychiatrie" am 19. März greifen wir diese und weitere spannende Themen rund um die Zukunft des Berufsfeldes der Pflege- und Erziehung auf und bieten Einblicke in bereits bestehende moderne Konzepte. Hierzu laden wir Mitarbeitende aus dem Pflege- und Erziehungsdienst sowie interessierte anderer Berufsgruppen ein.
Autor:Siegfried Schönfeld aus Marl |
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