Gespräch mit Psychiater Dr. Rüdiger Haas
"Fasten nicht als Diät verstehen"
Der Verzicht auf Nahrung soll viele positive Effekte auf die Gesundheit haben. Aber birgt Fasten auch Gefahren? Dr. Rüdiger Haas, Ärztlicher Direktor der LWL-Klinik Marl-Sinsen für Kinder- und Jugendpsychiatrie, gibt im Gespräch Antworten.
Fasten wird immer beliebter - nicht nur in Bezug auf Nahrung, sondern auch die Mediennutzung oder Alkoholkonsum werden eingeschränkt. Bewerten Sie das als positive Entwicklung oder birgt sie auch Risiken?
Grundsätzlich ist das eine positive Entwicklung. Es ist einfach schwierig, sich innerlich, emotional zu regulieren. Sich dieser Aufgabe zu stellen, ist gut. Man wird sich dessen auch mehr bewusst, was man tut. Durch Verzicht gewinnt das, was man tut, an Bedeutung. Man schätzt es mehr wert.
Was passiert mit der Psyche, wenn man bewusst verzichtet?
Auf der einen Seite kann das zu einer positiven Euphorie führen. Man fühlt sich stark, besiegt sich selber. Auf der anderen Seite entsteht eine negative, innere Spannung. Etwas Schönes wird entzogen. Bei Medien entsteht eine Lücke, Langeweile. Man muss sich überlegen, was man nun machen will. Ausgetretene Verhaltenspfade werden verlassen. Langeweile ist in der Entwicklung ein wichtiges Gefühl. Es lässt Kreativität entstehen und man probiert etwas Neues aus.
Kann dieses Gefühl/dieser Zustand zur Sucht werden?
Fasten ist erst einmal ungefährlich. Meist handelt es sich um religiöse Motive oder um sogenannte Reinigungsprozesse des Körpers. Wenn man Diäten macht, weil man mit sich und seinem Körper unzufrieden ist, ist die Gefahr deutlich größer. Man will immer mehr abnehmen, noch weniger essen, noch dünner sein. Das kann sogar Suchtcharakter annehmen.
Was raten Sie, wie kann man dem vorbeugen? Also wie gelingt der Absprung vom Verzicht, ohne, dass man sich schlecht fühlt?
Verzicht führt erstmal nicht zur Sucht. Nur die Verbindung mit weiteren Faktoren wie Fixierung auf Abnehmen, übermäßige Konzentration auf den Körper macht den Verzicht zum Problem.
Wie entstehen Essstörungen? Kann Fasten eine Essstörung auslösen?
Fasten im Sinne einer Diät mit dem Ziel, dünner zu werden, ist immer mit einem Risiko verbunden. Insbesondere Personen, die sehr leistungsorientiert oder sogar perfektionistisch sind, sind gefährdet für die Entwicklung einer Magersucht. Man möchte alles sehr gut machen, findet kein Ende, weil es noch nicht perfekt ist, man noch mehr abnehmen kann.
Wer sollte aus Ihrer Sicht lieber nicht (Nahrung) fasten? Welche Gefahren bestehen?
Essenfasten an sich ist unproblematisch. Am besten definiert man von Anfang an den Zeitraum des Fastens und koppelt ihn nicht an ein Gewicht oder wiegt sich erst gar nicht. Die Motivation des Fastens ist entscheidend. Eine Gewichtsabnahme sollte nicht der Antrieb sein, sondern eine geistige oder körperliche Erneuerung.
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