Zum 75. Geburtstag restlos pleite
„Wirtschaftlich und politisch wurden und werden weiter elementare Fehler in Marl begangen. Aber das will ja keiner hören“, ärgert sich Friedrich Dechert (Wir für Marl) über die herrschende Ignoranz bei den Entscheidungsträgern.
Denn Dechert mahnt seit jeher und unablässig, wies als erster auf den beängstigenden demographischen Wandel der Stadt hin, die sich bis 2050 an Bürgern fast halbieren soll. Doch 2010 war schon ein katastrophales Jahr für die Kommune - und pünktlich zum 75. Stadtjubiläum ist Marl nicht nur völlig pleite, sondern auch ohne Plan B für eine schuldenfreie Zukunft.
Der politische Wechsel ist zwar vor über einem Jahr vollzogen worden, an der beängstigenden Schieflage des Haushaltes, den inhaltlichen, aber auch teilweise persönlichen Auseinandersetzungen im Rat sowie der wirtschaftlichen Lage der Chemiestadt hat sich 2010 zumindest gefühlt nichts geändert.
Kurzum: Andere Ansichten, dieselben Baustellen, gleiches Resultat. Marl wälzt einen Schuldenberg vor sich her, der fast alles lähmt und den Handlungsspielraum für die Entscheidungsträger auf ein Minimum begrenzt. Dazu unpassend gesellen sich die wirtschaftlichen Luftnummern aus dem letzten Jahr. Geplatzt ist die fast vier Jahre lang aufrechterhaltene chinesische Vision eines Groß- und Außenhandelszentrum an der Herzlia-Allee. Allein dieses von vehementer Kritik begleitete Projekt kostete nicht nur unzählige Arbeitsstunden, damit bares Geld, Nerven und teure Planungsstudien, die nunmehr allesamt ins Reich der ungelebten Geschichte wandern.
Weiterleben indes darf das schier endlose Tempelmann-Märchen, das längst zu einem schlechten Drama verkommen ist. Als vorerst letzte schallende Ohrfeige kassierte die Stadt ein Urteilsspruch, der den Dorstener Investor Jürgen Tempelmann förmlich die Macht über den Raum zwischen Marler Stern bis zum Anfang des Busbahnhofs einräumte. Dort plante der Geschäftsmann vor mehr als einem Jahrzehnt ein Entertainment-Center samt Kino-Paradies aus dem Beton stampfen. Wurd‘ nichts d‘raus, wird nichts d‘raus. Aber man darf aufs nächste Kapitel gespannt sein. Denn Tempelmann plant weiter. Kostet ihn ja nichts, weil ohne Baugenehmigungs-Zustimmung der Stadt der Grundstückpreis nicht fällig wird. Ein durchdachter Vertrag...
Derweil entwickelt sich der einst frisch gestaltete Busbahnhof samt großzügigem Umfeld zum nächsten ungeliebten Schandfleck mit Folgekosten. Ständig zerstörte Unterstände, die den Fahrgästen das Warten zur Tortour machen und ansonsten gähnende Leere drumherum.
Doch es gibt weitere Baustellen in unmittelbarer Nähe. Wie die vor dem Verfall stehenden Rathaustürme, an die trotz massivem Sanierungsbedarf auch 2010 keine Hand angelegt wurde. Davor dümpelt der Creiler Platz als häßliches Entlein dahin. An Ideen und Motivation mangelt‘s nicht, aber: „ohne Moos nix los“.
Zusatzinfo
Aktuell bekommen die Autofahrer die klammen Stadtkassen zu spüren. Denn die Straßen gleichen nach dem großen Tauen einer anspruchsvollen Teststrecke für Geländewagen. Die Schlaglöcher werden derzeit nur provisorisch gestopft. Und im Frühjahr dürfte wohl das Geld fehlen, um langfristige Lösungen für die Straßenschäden zu finanzieren.
Autor:Mariusch Pyka aus Marl |
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