Verwaltungsgericht kippt Versammlungsverbot – Mahnwache gegen Uranmüllzug

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Das Verwaltungsgerichts Münster (Aktenzeichen 5 L 361/20) hat in einem Eilverfahren eine Mahnwache gegen Uranmüllexporte für den morgigen Montag, 27. April, um 11 Uhr auf dem Alfred-Krupp-Weg am Güterbahnhof in Münster erlaubt. Die Stadt Münster hatte die Versammlung zunächst untersagt, verzichtete aber nach dem Beschluss auf Rechtsmittel und erteilte umgehend die Genehmigung. Auch in Gronau wurde für morgen ab 8 Uhr eine Mahnwache vor der Urananreicherungsanlage (auf der Eisenbahnbrücke Max-Planck-Str.) genehmigt. Grund für die Mahnwachen ist die befürchtete Durchfahrt eines neuen Uranmülltransports von der Urananreicherungsanlage Gronau nach Russland.

grundrechtlich geschützte Versammlungsfreiheit

Im Ergebnis trifft das Verwaltungsgericht Münster folgende Abwägung: „Bei Einhaltung der vom Antragsteller selbst vorgesehenen Vorgaben sind keine infektionssschutzrechtlichen Umstände mehr ersichtlich, welche eine Ablehnung der Ausnahmegenehmigung und mithin einen Eingriff in die grundrechtlich geschützte Versammlungsfreiheit rechtfertigen.“
Im Einzelnen führte das Verwaltungsgericht Münster folgendes aus:

1. Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit verpflichte die Kommunen, jede Anmeldung einer politischen Versammlung in NRW nach pflichtgemäßen Ermessen zu prüfen, ob eine Genehmigung mit den Anforderungen des Infektionsschutzes vereinbar ist. Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit und die Belange des Infektionsschutzes müssten dabei anhand des konkreten Einzelfalls miteinander abgewogen werden.

2. Wenn das Konzept der angemeldeten Versammlung – wie im vorliegenden Fall – alle Vorgaben des Infektionsschutzes einhält, dürfe eine Versammlungsbehörde nicht die Erteilung einer Genehmigung nach der Corona-Schutzverordnung verweigern. Der Ermessensspielraum der Versammlungsbehörde sei hier „auf Null reduziert“ und es bestünde ein Anspruch auf Genehmigung.

Der Anmelder hatte schon selbst mit der Wahl der Örtlichkeit, der Teilnehmerzahl von 35 und zahlreichen Maßnahmen, u. a. dem Tragen von Mund-Nasen-Schutz sowie 1,50 m Abstand, dem Infektionsschutz ausreichend Rechnung getragen.

3. Ablehnungsgründe, die im Grunde auf jede Versammlung zuträfen – z. B. dass die Nichtzulassung für den Infektionsschutz womöglich besser sei, der Anmelder die genaue Zahl der Teilnehmer und das Verhalten von Teilnehmern oder Schaulustigen nicht vorab garantieren könne oder dass Ordnungskräfte Infektionsgefahren ausgesetzt sein könnten – könnten nicht pauschal eine Ablehnung begründen. Ob ein zeitlich drängender Anlass für eine Versammlung gegeben ist, entscheide der Anmelder.

Wir möchten an dieser Stelle Menschen ermutigen, ermutigen, ihr Grundrecht auf Versammlungsfreiheit bei drängenden Themen unter Beachtung des Infektionsschutzes wahrzunehmen! Versammlungsfreiheit ist ein Grundrech – Shopping nicht! Gleichzeitig distanzieren wir uns ausdrücklich von Rechtsextremen und anderen Verschwörungstheoretikern, die meinen für Grundrechte zu streiten und mit ihren Aktionen und Aufrufen andere Menschen der Infektionsgefahr aussetzen! Wer solchen Verschwörungstheoretikern verbreiten möchte und/ oder sich bei der Mahnwache nicht an die Infektionsschutzauflagen hält, ist bei unseren Protesten nicht erwünscht!

„Urantransporte und Urananreicherung sind unverantwortlich“

Wir freuen uns sehr über dieses klare Urteil, das für Versammlungen in Corona-Zeiten erheblich mehr Rechtssicherheit schafft. Anlass für die Proteste sind die vom Gronauer Urananreicherer Urenco auch während der Corona-Pandemie fortgesetzten Uranmüllexporte von Gronau nach Russland. Wer seinen Atommüll nicht in Deutschland sicher entsorgen kann oder will, sollte auch keine Erlaubnis zum Betrieb einer Atomanlage erhalten. Es wird dringend Zeit, dass der unverantwortliche Betrieb der Urananreicherungsanlage Gronau eingestellt wird. Die Menschen in Russland zahlen den Preis für die gescheiterte Atommüllentsorgung in Gronau. Auf den Mahnwachen morgen werden wir zudem den Opfern der Reaktor-Katastrophe von Tschernobyl vor genau 34 Jahren gedenken. Der Super-GAU hat deutlich gezeigt, welch verheerende Folgen die Atomkraft anrichten kann.

Die Anti-Atomkraft-Initiativen und Verbände rufen nochmals Urenco sowie die NRW-Landesregierung und das Bundesinnenministerium eindringlich auf, in den schwierigen Corona-Zeiten auf die zusätzliche und vollkommen vermeidbare Belastung der Öffentlichkeit und Notfalldienste durch Urantransporte zu verzichten.

Hintergründe:

Urenco exportierte bereits von 1995 bis 2009 sämtliche „Reststoffe“ aus der Urananreicherung als Atommüll zur Endlagerung nach Russland, um in Deutschland die wesentlich teurere Entsorgung des Uranmülls zu umgehen. Aufgrund internationaler Proteste gab es dann eine zehnjährige Pause, bis im Frühjahr 2019 die Exporte wieder aufgenommen wurden. Seither verließen insgesamt 12 Uranmüllzüge Gronau mit insgesamt 7500 t Uranhexafluorid.

Die Uranmüllzüge fuhren dabei immer von Gronau über Steinfurt durch Münster und dann weiter via Drensteinfurt, Hamm, den Kreis Unna, das Ruhrgebiet, Duisburg, Viersen, Mönchengladbach, Venlo und viele niederländische Orte bis zum Hafen Amsterdam. Dort erfolgte die Verladung nach St. Petersburg. Zielort ist die Geschlossene Stadt Novouralsk, die von Außenstehenden nur mit Sondererlaubnis besucht werden darf.

Bei Uranmülltransporten Ende 2019 hatten AtomkraftgegnerInnen zwei Uranmüllzüge zwischen Gronau und Münster mit Abseilaktionen für mehrere Stunden blockiert. Die Proteste richten sich auch gegen die häufigen Urantransporte mit LKW, die mit dem Betrieb der Gronauer Uranfabrik verbunden sind. Auch in Russland kam es in St. Petersburg, Moskau und sogar am Zielort in der abgeschotteten Atomstadt Novouralsk zu Protesten gegen die Uranmüllexporte. Zudem haben in Russland 70 000 Menschen eine Protest-Petition gegen die Uranmüllexporte aus Deutschland unterschrieben. Diese Unterschriften wurden im Januar 2020 von Greenpeace Russland und der russischen Umweltorganisation Ecodefense im Bundesumweltministerium in Berlin übergeben.

Mitte März hatte das Bundesinnenministerium einen für Anfang April geplanten Atommüll-Transport vom britischen Sellafield zum stillgelegten AKW Biblis in Hessen aufgrund der Corona-Gefahrensituation abgesagt.

Autor:

Siegfried Schönfeld aus Marl

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