Frieden schaffen ohne Waffen!
Militär kann keinen Frieden schaffen – diese Überzeugung eint Pazifisten
Wer nur die „offizielle“ deutsche Außenpolitik kennt, könnte glauben, für den Frieden seien ausgerechnet Soldaten zuständig. „Friedenstruppen“ treffen da „friedensbildende Maßnahmen“ und Deutschland „engagierte“ sich bisher mit seiner Bundeswehr weltweit ausschließlich für „Frieden“. Pazifisten bezweifeln dagegen, dass Mordskerle in Uniform dafür geeignet sind. Soldaten sollen kämpfen und töten, Polizeiaufgaben dagegen sollten von Polizisten ausgeübt und Sandsäcke von Katastrophenschützern wie Mitarbeitern des Technischen Hilfswerks geschleppt werden. Wozu bedarf es da noch Soldaten? Und wie können Konflikte zwischen Nationen oder Bevölkerungsteilen zivil, also gewaltlos gelöst werden?
Dazu haben Friedensforscher und -aktivisten schon längst verschiedene Strategien entwickelt. Bei drohender feindseliger Invasion empfehlen Exponenten der „Sozialen Verteidigung“, keinen gewalttätigen Widerstand zu leisten, sondern dem Invasor die Besatzung zu verleiden. Diese Strategie setzt auf die Rettung möglichst vieler Menschenleben und bewertet diese also höher als politische Einflusssphären, während militärischer Widerstand meist ein Blutbad an den Grenzen bedeutet. Ein Beispiel für erfolgreiche soziale Verteidigung wären die Sabotageakte während der Nazi-Besatzung in Skandinavien, dank derer die Nationalsozialisten in unseren nördlichen Nachbarstaaten nie Fuß fassen konnten.
Gewaltfreie Alternativen zu Krieg und Rüstung
Der Angriff Russlands auf die Ukraine hat die sicherheitspolitische Situation in Europa grundlegend verändert. Die Überzeugung, dass Russland keinen Krieg riskieren würde, hat sich als Täuschung herausgestellt. Pazifistische Positionen werden – wie in jedem Krieg – zwischen „naiv“ und „Verrat“ eingeordnet. Bei den Rüstungsausgaben und Waffenlieferungen gab es einen Dammbruch nicht nur hier in Deutschland. „Abschreckung“ ist das Gebot der Stunde. In den kriegsführenden Ländern werden diejenigen, die nicht kämpfen wollen, verfolgt; viele verstecken sich oder versuchen, außer Landes zu fliehen.
Wir möchten anhand eines Infoblatts von soziale-verteidigung.de ein paar Gedanken und Argumente für gewaltfreie Optionen vorstellen.
Gewaltfreier Widerstand / Soziale Verteidigung als Option für die Ukraine und ganz Europa Soziale Verteidigung wäre eine Alternative für die Ukraine gewesen. Die Berichte von immer wieder auftretendem spontanen zivilen Widerstand gegen die russischen Truppen (Menschen, die Panzer blockieren, Bürgermeister*innen in besetzten Orten, die die Kooperation verweigern) zeigen das Potenzial gewaltfreien Widerstands in der Ukraine. Ein Übergang zu Sozialer Verteidigung wäre auch dann eine Möglichkeit, falls es nicht zu einem Verhandlungsfrieden kommen und Russland sich in diesem Krieg doch militärisch durchsetzen sollte. Sie könnte Russland eine Beherrschung der Ukraine schwer machen. Mehrere Bedingungen, die die Forschung über zivilen Widerstand /Soziale Verteidigung als wichtig für dessen Erfolg ansieht, sind in der Ukraine gegeben.
- Eine Erfolgsbedingung von Sozialer Verteidigung ist die Möglichkeit, die gegnerischen Soldat*innen direkt anzusprechen. Das ist leicht möglich; die meisten Ukrainer*innen sprechen Russisch.
- Gemeinsamkeiten finden: Viele Menschen haben biografische und familiäre Bindungen zu beiden Ländern (Arbeits- und Studienaufenthalte, gemischte Familien). Das sollte es leicht machen, die Dämonisierung der Ukraine durch die russische Propaganda zu unterlaufen.
- Die Ukraine hat Erfahrungen mit gewaltfreiem Widerstand, an die angeknüpft werden kann: die „Orangene Revolution“ von 2004, die erfolgreich Wahlbetrug bei einer Präsidentschaftswahl verhinderte, und der "Euromaidan" 2014.
- Kriegsziele des Gegners, die eine Kooperation der Bevölkerung des angegriffenen Landes erfordern, was Ansatzpunkte für Widerstand bietet.
- Internationale Unterstützung: Sie ist auf jeden Fall gegeben.
- Unterstützung im angreifenden Land: Trotz der Nachrichtenblockade, die die russische Regierung versucht zu verhängen, erfahren immer mehr Menschen die Wahrheit über den Krieg in der Ukraine. Soziale Verteidigung ist ebenso eine Alternative für die anderen europäischen Staaten, die einen Angriff Russlands fürchten. Litauen hat im Rahmen seiner Landesverteidigung auch „Formen und Grundsätze des zivilen Widerstands“ integriert. Um das Leben der Zivilbevölkerung insbesondere in Städten besser schützen zu können, muss ein Wechsel von militärischer Verteidigung zu zivilem Widerstand und Sozialer Verteidigung möglich sein. Die Fähigkeit zu Sozialer Verteidigung sollte nicht nur in Litauen und den anderen osteuropäischen Ländern, sondern auch in Deutschland vorbereitet werden.
Eine neue Friedensordnung schaffen
Wir sollten schon jetzt beginnen, darüber nachzudenken, was nach dem Krieg sein wird. Es zeichnet sich die Gefahr einer neuen Blockbildung ab, mit Russland und China auf der einen und den NATO-Staaten mit den USA und Europa auf der anderen. Die Länder des globalen Südens beginnen schon jetzt, sich der einen oder anderen Seite zuzuordnen. Die USA haben schon seit längerem China als möglichen Hauptgegner im Visier und verstärken, zusammen mit Japan, Australien und Südkorea, ihre Rüstungsanstrengen im Ostpazifik. Wir benötigen eine Initiative für eine neue Friedensordnung. Nicht nur in Europa, sondern weltweit. Die Vereinten Nationen könnten hierfür den Rahmen abgeben. Es braucht Friedenskonferenzen auf weltweiter Ebene, unter Einbeziehung der internationalen Zivilgesellschaft.
Quellenangaben:
CLEMENS POKORNY
Bund für Soziale Verteidigung e.V.
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