Johanna Eichmann, Tochter des ersten Oberbürgermeisters der Stadt Marl ist verstorben
Schwester Johanna Eichmann ist am 23. Dezember 2019 im Alter von 93 Jahren verstorben. Für Schwester Johanna Eichmann ging nach langen Kampf ein Wunsch in Erfüllung. Die Stadt Marl ehrte ihren verstorbenen Vater Paul Eichmann und nahm das Porträt des ersten Oberbürgermeisters in die Bürgermeister-Galerie im Rathaus auf.
Als Tochter einer jüdischen Mutter und eines katholischen Vaters hat Schwester Johanna im Nationalsozialismus Ausgrenzung und Verfolgung erfahren. Sie musste das Dorstener Internat der Ursulinen verlassen und in den letzten Kriegsmonaten Zwangsarbeit verrichten. Ihre Mutter wurde 1944 verhaftet, ihr Vater Paul Eichmann, der als Kaufmann in Marl tätig war, wurde von den Nazis verfolgt und nach Kriegsende von der amerikanischen Militärregierung zum ersten Bürgermeister von Marl nach dem Zweiten Weltkrieg Krieg ernannt.
Marls Oberbürgermeister Paul Eichmann
Marls erster und einziger „Oberbürgermeister“ – starb am 9. Januar 1978 an einem Herzinfarkt.
Nach dem Einmarsch der amerikanischen Truppen in Marl am 31. März 1945 begann die Besatzungsbehörde unverzüglich mit der Neuordnung der Verwaltung. Nach Beendigung der Kampfhandlungen setzten allgemeine Plünderungen ein. Die Fremdarbeiter nutzten ihre wiedererlangte Freiheit aus; aber auch Deutsche versuchten in den Einzelhandelsgeschäften zu plündern. Am 1. April 1945 wurde Paul Eichmann nach der Auseinandersetzung mit einer plündernden Frau ohne weitere Erklärung aus dem Möbelgeschäft Reinhard geholt und in einem Jeep zur gerade eingerichteten Kommandantur der amerikanischen Besatzung an der heutigen Otto-Hue-Straße gebracht. Es folgte ein mehrstündiges Verhör. Danach sagten die verhörenden Offiziere zu Paul Eichmann:
Ernennung zum Oberbürgermeister von Marl
„You are now ‚Oberbürgermeister’ from Marl!“ (deutsch: „Sie sind nun Oberbürgermeister von Marl!“) Der parteilose Paul Eichmann versuchte vergebens, den amerikanischen Offizieren die kommunale Struktur zu erklären, wonach Marl resp. Hüls kreisangehörige Gemeinden seien. Die Offiziere blieben aber bei ihrer Entscheidung, Paul Eichmann zum „Oberbürgermeister“ von Marl zu ernennen. Erst nach 23 Tagen fiel der amerikanischen Besatzungsmacht auf, dass dem Kaufmann Paul Eichmann nach der geltenden Amtsverfassung nur die Funktion und Anrede eines Amtsbürgermeisters zukamen.
Als neuer Marler Bürgermeister begann Paul Eichmann schnell zu handeln. Er besorgte unbürokratisch Decken für die heimkehrenden und durchreisenden Soldaten, Verpflegung für die Marler Bevölkerung und Unterkünfte für Flüchtlinge und Bombengeschädigte. Er schaffte es auch, dass die amerikanischen Besatzer die kompensierte Butter als Sonderration für die Marler Bevölkerung freigaben.
Amtsbürgermeister
Eichmann bekleidete das Amt des Bürgermeisters der Stadt Marl vom 1. April 1945 bis zum 24. April 1946 und wurde anschließend im Zuge der neuen Gemeindeordnung vom 23. April 2014 bis zum 24. April 1946 Amtsbürgermeister. Bei der anschließenden Neuordnung der Ämter stand Eichmann nicht mehr zur Verfügung. Er wünschte, sich endlich als Kaufmann selbständig machen zu können, was ihm während der Zeit des Nationalsozialismus wegen der Ehe mit einer jüdischen Frau nicht erlaubt worden war. Direkter Nachfolger Eichmanns als Amtsbürgermeister von Marl wurde 1946 der Schuhmachermeister Cornelius.
2. Vorsitzender bei FC Schalke 04
Als gebürtiger Schalker nahm Paul Eichmann regen Anteil am heimischen Sport. Schon vor der Kapitulation am 8. Mai 1945 wurde er Mitglied im neu geschaffenen Zonensportrat und Vorsitzender des Fußballverbandes Nordrhein-Westfalen. Außerdem war er viele Jahre Gönner des TSV Marl-Hüls und drei Jahre 2. Vorsitzender bei FC Schalke 04. In dieser Funktion organisierte er schon im Sommer 1945 mit Genehmigung der Briten ein Fußballspiel auf dem Sportplatz im Volkspark der Stadt Marl. Etwa 10.000 Menschen wohnten dieser ersten Sportbegegnung teil und sahen, wie die Hülser Stadtmannschaft mit 0:9 Toren dem FC Schalke unterlag.
Aus dem Opferbuch der Stadt Recklinghausen
Eichmann , Paul
Geboren am04.12.1898
in Schalke / Gelsenkirchen
Religion, katholisch
Ehepartner
Martha Eichmann, geb. Rosenthal (*1903)
Beruf Kaufmann
Verfolgungsschicksal
Er trennte sich nicht von seiner jüdischen Ehefrau und unterstütze Frau und Tochter in der
Weitere Lebensdaten
lebte seit 1945 in Marl-Hüls
nach dem Krieg von den Alliierten ernannter "Ober"-Bürgermeister in Marl
gestorben in Haltern, 1978
Autor:Siegfried Schönfeld aus Marl |
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