Ist die Rodung an der Bahnlinie S9 in Marl illegal?

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Umweltaktivisten einer neugegründeten Marler Baumschutzgruppe protestieren gegen den Totalrückschnitt, der zur Zeit auf dem Bahndamm der Linie S9 auf Höhe der B225 angekommen ist. In Polsum sind bereits diese arbeiten erledigt, "hier sieht es jetzt aus wie eine Mondlandschaft", so der Aktivist Volker Julius aus dem Marler Stadtteil. Erwin Gebauer, Gruppensprecher des NABU in Marl, versucht seit geraumer Zeit die Genehmigung für diese Maßnahme der DB Netz AG einzusehen, die angeblich von der Unteren Naturschutz Behörde im Kreis erteilt worden ist, bisher ohne Erfolg.
Sollten die Rodungsarbeiten an der gesamten Bahnlinie von Gelsenkirchen Buer bis Haltern Sythen durchgesetzt und komplett durchgeführt werden, dann sind ca. 500 000 qm Grünfläche für die nächsten Jahre vernichtet. Wie viele Vogelnester entlang der Bahntrassen bisher zerstört wurden, ist nicht schätzbar, die Marler Bürger haben einige gefunden. Die Ratsanfrage von Christian Thieme aus Marl-Hüls, ob Bürgermeister Werner Arndt etwas gegen die Kahlschläge auf dem Marler Stadtgebiet unternommen hat, ergab leider keinen positiven Bescheid. Dabei könnte die Stadtverwaltung sehr wohl eine Ordnungsverfügung gegen diesen Umwelt- und Klimafrevel erwirken, so Thieme. Die Trassen sind auch nach Meinung des Marler Naturschützer, Ralf Vorpahl, ein Rückzugsort für die bedrohte Tierwelt, die in der freien Landschaft aufgrund der extensiv betriebenen Landwirtschaft keinen Lebensraum mehr finden. Wie sich Politik, Verwaltung und Behörde einen aktiven Klimaschutz vorstellt, ist den Mitgliedern der Marler Baumschutzgruppe ein Rätsel.

Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen: Natur- und Landschaftsschutz gilt auch an Bahngleisen

Die DB Netz AG muss sich bei Betrieb und Unterhaltung des Eisenbahnschienennetzes  an die Vorschriften des Natur- und Landschaftsrechts einschließlich der kommunalen Baumschutzsatzungen halten. Sie unterliegt insoweit der Aufsicht der Landschaftsbehörden der Kreise und kreisfreien Städte. Das hat der 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts mit Urteil vom 8. Juni 2005 in einem Verfahren zwischen der DB Netz AG und dem Oberbürgermeister der Stadt Köln entschieden.

Seit der Privatisierung der Deutschen Bahn im Jahr 1994 herrscht Streit über dieZuständigkeitsverteilung zwischen dem im Rahmen der Bahnreform geschaffenen Eisenbahn-Bundesamt und den Kreisen und Städten. Seit dem Jahr 2001 hat die DB Netz AG, die als privates Unternehmen das Schienennetz der ehemaligen Deutschen Bundesbahn betreibt, entlang zahlreichen Bahnstrecken umfangreiche Rodungs- und Rückschnittmaßnahmen durchgeführt. Nachdem viele Kölner Bürger und Verbände
ihren Unmut über das Vorgehen der DB Netz AG auch auf Kölner Stadtgebiet an dieStadt herangetragen hatten, untersagte diese der DB Netz AG, zukünftig
Baumfällarbeiten ohne vorherige Genehmigung durchzuführen, soweit nicht derunmittelbare Gleisbereich betroffen sei oder akute Gefahren zu beseitigen seien. Das Verwaltungsgericht Köln bestätigte Ende November 2004 die Ordnungsverfügung der Stadt Köln. Zur Begründung führte es aus, zwar falle die Überwachung solcher Vegetationsmaßnahmen in die Zuständigkeit des Eisenbahn-Bundesamtes, die Stadt habe aber ausnahmsweise in Notkompetenz tätig werden können, weil das Eisenbahn-
Bundesamt sich nicht für zuständig gehalten habe. Nunmehr hat der 8. Senat desOberverwaltungsgerichts entschieden, dass der Vollzug des Natur- und
Landschaftsrechtes nicht in den Zuständigkeitsbereich des Eisenbahn-Bundesamtesfalle. Vielmehr unterlägen die privaten Eisenbahnunternehmen des Bundes wie andere Private den landesrechtlichen Vorschriften des Natur- und Landschaftsschutzrechtes.
Bei deren Vollziehung hätten die örtlich zuständigen Landschaftsbehörden allerdings den besonderen Sicherheitsanforderungen des Eisenbahnbetriebes Rechnung zutragen. Gleichwohl hat der Senat die streitige Ordnungsverfügung aufgehoben, weil sie zu weit und zu ungenau gefasst sei.

Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision zum Bundsverwaltungsgericht nichtzugelassen.

Az.: 8

Autor:

Siegfried Schönfeld aus Marl

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