INFLATIONSRATE: FAMILIEN MIT NIEDRIGEM EINKOMMEN AM STÄRKSTEN BELASTET

Familien mit niedrigem Einkommen tragen aktuell die höchste Inflationsbelastung, Alleinlebende mit hohem Einkommen die geringste – und die Schere bei den Belastungen hat sich noch einmal deutlich geöffnet: Gemessen an den für diese Haushaltstypen repräsentativen Warenkörben sind die Preise im Mai 2022 um 8,9 Prozent bzw. um 6,5 Prozent gestiegen, während der Wert über alle Haushalte hinweg bei 7,9 Prozent lag. Auch für Alleinlebende mit höheren und mit mittleren Einkommen lagen die Raten mit 7,6 und 7,7 Prozent im Mai leicht unterhalb der allgemeinen Preissteigerung. Die Preissteigerung bei Alleinlebenden mit niedrigem Einkommen lag mit 7,8 Prozent nahe am Durchschnitt. Dagegen sind auch Alleinerziehende und Familien mit zwei Kindern und jeweils mittleren Einkommen etwas überdurchschnittlich von der Teuerung belastet: Für diese Haushalte betrug die Inflationsrate im Mai 8,2 Prozent.

Bei Familien mit höherem Einkommen verteuerte sich der haushaltsspezifische Warenkorb weniger stark – um 7,6 Prozent. Die haushaltsspezifische Inflationsrate für kinderlose Paare mit mittlerem Einkommen liegt aktuell bei 7,9 Prozent. Das ergibt der IMK Inflationsmonitor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung, der monatlich die spezifischen Teuerungsraten für neun repräsentative Haushaltstypen liefert.

Verbraucherpreise stiegen stark an 

In Folge des Ukrainekriegs und von weiterhin durch die Corona-Pandemie angespannten Lieferketten stiegen die Verbraucherpreise für alle Haushalte im Mai so stark wie seit der Ölkrise der 1970er Jahre nicht mehr. Dabei sind die Unterschiede je nach Haushaltskonstellation und Einkommen erheblich und sozial hoch problematisch, zeigt der IMK Inflationsmonitor: Mit 2,4 Prozentpunkten zwischen ärmeren Familien und wohlhabenden Alleinlebenden war die Differenz im Mai deutlich größer als in den Vormonaten und dreimal so hoch wie im Februar. Das liegt daran, dass die stärksten Preistreiber – Haushaltsenergie, Kraftstoffe und zunehmend Lebensmittel – unterschiedlich stark durchschlagen: Bei Familien mit zwei Kindern und niedrigem Einkommen machen diese drei Komponenten 6,6 Prozentpunkte der haushaltsspezifischen Inflationsrate von 8,9 Prozent aus. Bei Alleinstehenden mit hohem Einkommen entfallen darauf hingegen 3,5 Prozentpunkte von insgesamt 6,5 Prozent haushaltsspezifischer Teuerung.

„Der Preisanstieg bei Wohnenergie

belastet Haushalte mit geringeren Einkommen überproportional und auch die Verteuerung der Nahrungsmittel schlägt sich stärker nieder“, schreiben IMK-Direktor Prof. Dr. Sebastian Dullien und Inflationsexpertin Dr. Silke Tober. Dieser Trend könnte sich nach Analyse des IMK in den kommenden Monaten weiter verschärfen, da bisher noch nicht alle Preissteigerungen von Haushaltsenergie im Großhandel an die Privathaushalte weitergegeben wurden. Bei Nahrungsmitteln kletterte der Preisanstieg im Mai auf den höchsten Wert seit 1991, als das Statistische Bundesamt die aktuelle Datenreihe begann. Und der rasant gestiegene Börsenpreis für Erdgas dürfte sich in den kommenden Monaten noch einmal deutlich stärker auf die Verbraucherpreise auswirken, so Dullien und Tober.

Notfallplans Gas

Besonders stark dürfte dieser Anstieg ausfallen, falls die Bundesnetzagentur im Rahmen des „Notfallplans Gas“ tatsächlich eine Knappheit bei den Gasimporten feststellen muss und den Versorgern erlaubt, die gestiegenen Bezugspreise unmittelbar an die Verbraucherinnen und Verbraucher weiterzugeben. „In diesem Fall könnten kurzfristig sogar Inflationsraten im zweistelligen Bereich erreicht werden“, schreiben Dullien und Tober.

Haushalte mit niedrigeren Einkommen

Besonders drastisch würde das wiederum Haushalte mit niedrigeren Einkommen treffen, weil Gas, Strom, Heizöl und Nahrungsmittel als Waren des Grundbedarfs bei ihren Ausgaben sehr stark ins Gewicht fallen, während sie bei Haushalten mit hohem Einkommen und insbesondere bei wohlhabenden Alleinlebenden einen deutlich kleineren Anteil des Warenkorbs ausmachen. Das ist auch der Grund dafür, dass die Inflationsrate für Alleinlebende mit niedrigen Einkommen in den vergangenen zwei Monaten recht schnell gestiegen ist und nun mit 7,8 Prozent nahe am Durchschnitt aller Haushalte liegt. Am Jahresanfang war sie noch spürbar niedriger, weil ärmere Haushalte kaum Geld für Güterarten wie Kraftstoffe, Fahrzeugkauf oder Reisen ausgeben können, die sich im ersten Teil der Inflationswelle stark verteuert hatten. Bei Familien mit Kindern und niedrigem bis mittlerem Einkommen schlagen aktuell zusätzlich zum hohen Stellenwert von Nahrungsmitteln und Haushaltsenergie auch die hohen Preise für Kraftstoffe relativ stark zu Buche.

Grundsätzlich haben Haushalte mit niedrigem Einkommen ein besonderes Problem mit starker Teuerung, betonen Dullien und Tober. Denn die Alltagsgüter, die sie vor allem kaufen, sind kaum zu ersetzen. Schon gar nicht, wenn, wie aktuell, beispielsweise für fast alle Grundnahrungsmittel die Preise kräftig steigen. Zudem besitzen diese Haushalte kaum Spielräume, ihr Konsumniveau durch Rückgriff auf Erspartes aufrecht zu erhalten.

Autor:

Siegfried Schönfeld aus Marl

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