Halina Birenbaum, Holocaust-Überlebende, pflanzt Baum der Freundschaft im Skulpturenpark Marl
Das jüdische Neujahrsfest der Bäume (ראש השנה לאילנות) ist ein kleiner jüdischer Feiertag. In Marl wurde deshalb ein Baum der Freundschaft im Skulpturenpark von Halina Birenbaum, Holocaust-Überlebende, gesetzt. Der Baum soll die Freundschaft zur Marler Partnerstadt Herzliya stärken. Sie wurde von Vertreterinnen und Vertreter der Marler Städtepartnerschaftsvereine begleitet. Jetzt ist Birenbaum mit ihrer Enkelin Yael aus Herzliya wieder in Marl, um von ihren Erlebnissen im Holocaust zu berichten. Sie leistet hier eine bemerkenswerte Aufklärungs- und Erinnerungsarbeit besonders an den Marler Schulen. Halina Birenbaum trug bei der Baumpflanzung ihr Gedicht „Bäume schweigen“ in deutsch vor. Anlässlich des Gedenktages an die Opfer des Nationalsozialismus ist sie diesen Samstag, den 27.01.2018 um 17 Uhr im Rathaus zu Gast.
Halina Birenbaum, Holocaust-Überlebende
Halina Birenbaum wurde als Tochter von Jakub Grynsztejn und Pola Grynsztejn (geb. Kijewska, verwitwete Perl) geboren und wuchs mit zwei älteren Brüdern auf. Nach dem deutschen Überfall auf Polen musste ihre Familie in das Warschauer Ghetto übersiedeln. Nach dessen Vernichtung wurde sie im Juli 1943 – mit einem Halt im Konzentrationslager Majdanek – in das KZ Auschwitz-Birkenau verschleppt. Nach dessen Auflösung wurde sie im Januar 1945 in das KZ Ravensbrück verbracht und im Februar in das
KZ Neustadt-Glewe. Dort wurde sie am 2. Mai 1945 durch die Rote Armee befreit. Ihre Mutter wurde in Majdanek ermordet, ihr Vater im Vernichtungslager Treblinka.
Halina Birenbaum die Schriftstellerin
Das Leben und der Tod in der Besatzungszeit, das Märtyrertum der polnischen Juden in den Ghettos und in den Konzentrationslagern bilden die Hauptthemen der Prosa und der Dichtung von Halina Birenbaum. Ihre teils in Polnisch, teils in Hebräisch geschriebenen Bücher wurden ins Deutsche, Englische, Französische, Italienische, Japanische und Spanische übersetzt. Sie vermittelt ihre Erfahrung des Holocaust in zahlreichen Lesungen und bei Begegnungen mit Jugendlichen in Israel und Europa.
Halina Birenbaum: Gedicht Bäume Schweigen
Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus
27. JANUAR 1945 - BEFREIUNG VON AUSCHWITZ
Am 27. Januar 2018 jährt sich die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz durch die Rote Armee zum 73. Mal. Der Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz wurde 1996 offizieller deutscher Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus. Die Vereinten Nationen erklärten den 27. Januar im Jahr 2005 zum Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocausts.
"Die Erinnerung darf nicht enden; sie muß auch künftige Generationen zur Wachsamkeit mahnen. Es ist deshalb wichtig, nun eine Form des Erinnerns zu finden, die in die Zukunft wirkt. Sie soll Trauer über Leid und Verlust ausdrücken, dem Gedenken an die Opfer gewidmet sein und jeder Gefahr der Wiederholung entgegenwirken."
Schriftstellerin und Holocaust-Überlebende Halina Birenbaum trug ihr Gedicht „Bäume schweigen“ vor.
Bäume sehen und hören vieles
Nehmen in sich auf, verhüllen
Doch sogar dann wenn sie rauschen –
Schweigen sie
Sie erzählen nicht davon, wovon
Sie Zeugen waren
Sprechen
Weder über herrliche Dinge, die sich
In ihren Schatten ereigneten
Noch über schreckliche –
Klettern zum Licht
Wie wir schmachten sie nach der Sonne
In Dunkelheiten scheiden sie hin
Trocknen vor Brutalität aus
Und schweigen – immer schweigen
Mit einem geheimnisvollen Schatten umhüllen
Verwischen glatt die Spuren
Der Liebe und der Verbrechen –
... auch in Auschwitz
Wuchsen, kletterten gen Himmel
Nahmen in sich auf
Sowohl den Schrei als auch das Feuer und den Rauch
Und schwiegen hartnäckig –
Und ich
Als man mich unter ihnen führte
Entdeckte ich in ihnen ein Lebenszeichen
Ein Existenzbeweis
Meines verbotenen Ich
Ich heftete meine Blicke auf die Bäume
Atmete ihren Duft vermischt
Mit dem Geruch brennender Menschen ein
Ich übertrug ihnen mit den Augen meine Sehnsüchte
Meinen Schrei nach Leben
Nach dem Glauben,
Dass es auch für mich wird
Möglich sein?
Ich betete um Erhaltung der Spuren
Meiner Existenz auf dieser Welt ...
Viele wie ich beichteten hier den Bäumen
Flehten nach Erinnerung
Wünschten, sich in ihre Gipfeln empor zu klimmen
Um wegzufliegen.
Ihre Spuren gingen verloren, wurden verwischt,
Verweht
Und die Bäume sahen es, hörten es
Und ihrer Gewohnheit nach
Wuchsen, grünten sich – und schwiegen
Weinten nicht über die menschliche Qual –
Vielleicht lachten sie sogar dort?
Berauschten sich am Geruch brennender Menschen
In Höllischem Zauber verhext?
Und verwandelten sich in etwas anderes
Als sie bisher waren?
Sie schweigen ständig –
Mir kleiner Person wurde gegönnt zu überleben
Um zu erzählen
Von den Nazi-Deutschen Ungeheuern,
Von Menschen, von Bäumen – Zeugen
Von ihrem unveränderlichen Schweigen
Angesichts jeden Augenblicks
Angesichts jeden Ereignisses
Dennoch
Liebte und liebe ich Bäume
Ihrem Schatten vertraue ich an
Meinen Schmerz, meine Sehnsucht, Träume –
In ihrem Rauschen vereinige ich mich
Mit meinen Nächsten
Hingerichteten
Mit der Welt
Die einst existierte
Und zerstört wurde
Und ich in ihr – Wir
Diese feierliche Stille der Bäume
Ihr unverbesserliches, geheimnisvolles Schweigen
Bedeutete damals Hoffnung
Und heute Linderung
Autor:Siegfried Schönfeld aus Marl |
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