Gedenk- und Informationsort für die Opfer der nationalsozialistischen »Euthanasie«-Morde
Der Gedenkort wurde am 2. September 2014 der Öffentlichkeit übergeben.
In der Berliner Tiergartenstraße 4 befand sich ab April 1940 die Zentrale für die Organisation, die unter dem Decknamen »T 4« – oder schlicht »Aktion« – den Massenmord an Patienten aus Heil- und Pflegeanstalten im Deutschen Reich initiierte, koordinierte und durchführte. Über 70.000 Menschen fielen ihm zum Opfer, bis die Aktion am 24. August 1941 aufgrund öffentlicher Unruhe unterbrochen wurde.
Das Morden begann bereits mit Kriegsbeginn im September 1939 und wurde sowohl nach dem »Euthanasiestopp« im August 1941 als auch mit dem Angriff auf die Sowjetunion im Juni 1941 im gesamten Deutschen Reich und in vielen besetzten Gebieten, insbesondere im Osten, fortgesetzt. Die Erfassung, »Selektion« und Tötung der Anstaltspatienten war die erste zentral organisierte und systematische Massenvernichtung von Menschen durch die Nationalsozialisten. Dabei stellt »T 4« nur einen Teilkomplex des Gesamtverbrechens gegen Anstaltsbewohner dar. Die Forschung geht derzeit von insgesamt 300.000 Opfern des sogenannten Euthanasie-Programms in Europa aus. Allerdings liegen verlässliche Zahlen insbesondere für Osteuropa noch nicht vor.
Im November 2011 beschloss der Deutsche Bundestag, einen »Gedenkort für die Opfer der NS-›Euthanasie‹-Morde« am historischen Ort der Planungszentrale zu errichten. Das Land Berlin lobte daraufhin einen Gestaltungswettbewerb aus. Der Siegerentwurf der Architektin Ursula Wilms sowie des Künstlers Nikolaus Koliusis und des Landschaftsarchitekten Heinz W. Hallmann umfasst eine transparente blaue 24 Meter lange Glaswand, die auf einer zur Mitte leicht geneigten dunklen Fläche aus anthrazitgefärbtem Betonbelag verläuft. Eine begleitende Freiluftausstellung informiert über die Geschichte der nationalsozialistischen »Euthanasie«-Morde mit ihren Auswirkungen bis in die Gegenwart hinein.
Endlich erinnert ein Gedenk- und Informationsort an diesen Aspekt der nationalsozialistischen Rassenideologie. Doch mit einem Mahnmal allein ist es nicht getan. Die Überlebenden der Zwangssterilisierungen und "Euthanasie"-Verbrechen mussten bis in die 1980er-Jahre warten, bis sie erstmals Härteleistungen als Opfer der NS-Unrechtsmaßnahmen erhalten haben. Bis heute sind die beiden Opfergruppen nicht als rassisch Verfolgte des Nationalsozialismus anerkannt.
Wer diese Verbrechen überlebt hat und noch am Leben ist, hat die Blütezeit seines Lebens hinter sich. Statt bewegender Reden sind Taten notwendig. Jeder weitere Tag, den die Opfergruppen auf eine Regelung weiter warten müssen, ist einer zu viel.
Im nationalsozialistischen Wahn gegen "lebensunwertes Leben" wurden mehr als 350.000 Menschen zwangssterilisiert. Bis zu 6000 Frauen und ungefähr 600 Männer starben an den Folgen der Eingriffe, weitere 200.000 starben in den "Euthanasie"-Programmen.
Öffnungszeiten: Der Gedenk- und Informationsort ist Tag und Nacht frei zugänglich.
Der Gedenk- und Informationsort für die Opfer der nationalsozialistischen »Euthanasie«-Morde sowie die begleitende Freiluftausstellung sind barrierefrei.
Lage: Tiergartenstraße 4, 10785 Berlin
Autor:Siegfried Schönfeld aus Marl |
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