Fraktionsbildung im Marler Stadtrat?

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FDP und die buergerunion (bum) wollen im Stadtrat Marl eine Fraktion bilden. Da FDP und bum nur mit einem Sitz im neuen Rat vertreten sind, verlieren beide ihren bisherigen Fraktionsstatus, der aus zwei Sitze bestehen muss. Eine Fraktion hat das Recht auf Sitz und Stimme in den Ausschüssen und die Bestellung von sachkundigen Bürgern. Fraktionen haben Anspruch auf ein Büro im Rathaus und bekommen Geld für die Geschäftsführung. Die Verwaltung muss prüfen ob die Voraussetzung für eine gemeinsame Fraktion gegeben ist. Dazu gibt es strenge rechtliche Auflagen.

Anforderungen an die Bildung einer Ratsfraktion

Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 GO NRW sind Fraktionen freiwillige Vereinigungen von Ratsmitgliedern oder von Mitgliedern einer Bezirksvertretung, die sich auf der Grundlage grundsätzlicher politischer Übereinstimmung zu möglichst gleichgerichtetem Wirken zusammengeschlossen haben. Im Rat einer kreisangehörigen Gemeinde muss eine Fraktion aus mindestens zwei Mitgliedern bestehen, § 56 Abs. 1 S. 2 GO NRW. Die Fraktionen wirken gemäß § 56 Abs. 2 S. 1 GO bei der Willensbildung und Entscheidungsfindung in der Vertretung mit. Aufgabe der Fraktionen ist es, abweichende Meinungen der in ihnen zusammengeschlossenen Ratsmitglieder zu einem mehrheitlich für richtig gehaltenen Standpunkt zusammenzuführen, um so durch Vorwegbildung klarer Mehrheiten die Zusammenarbeit des Rates zu erleichtern und dadurch eine zügige Bewältigung seiner Aufgaben zu ermöglichen.
Diese Bündelungs-, Koordinierungs- und Organisationsfunktion kann ein Zusammenschluss von Ratsmitgliedern nur wahrnehmen, wenn seine Mitglieder in wesentlicher Hinsicht übereinstimmende politische Überzeugungen besitzen. Eine Fraktion im Sinne des § 56 GO NRW  kann daher nicht angenommen werden, wenn sich Ratsmitglieder ohne eine grundsätzliche politische Übereinstimmung allein deshalb als „technische Fraktion“ zusammenschließen, um sich z.B. bei der Zusammensetzung von Ausschüssen Vorteile zu verschaffen oder um sich finanzielle Vorteile zu verschaffen. 
Eine grundsätzliche politische Übereinstimmung ergibt sich nach der Rechtsprechung ohne weiteres bei einem Zusammenschluss, der aus Personen besteht, die für ein und dieselbe Partei oder Wählergruppe bei der Wahl angetreten sind. Denn aus dem Parteizusammenschluss bzw. dem mitgliedschaftlich organisierten Zusammenschluss der Wahlberechtigten zum Zwecke gemeinsamer Wahlvorschläge ergibt sich ohne Weiteres, dass der Zusammenschluss zum Zwecke möglichst gleich gerichteten Wirkens auf der Grundlage grundsätzlicher politischer Übereinstimmung erfolgt. 
Ob ein gemeinsamer Zweck verfolgt werden soll, bemisst sich im Übrigen nach den Vereinbarungen im Rahmen des Zusammenschlusses und ihrer tatsächlichen Anwendung sowie den Bekundungen der Mitglieder des Zusammenschlusses, soweit sich diese Erklärungen als glaubhaft erweisen. Insbesondere reicht allein eine Übereinkunft (auf dem Papier) nicht aus, wenn aufgrund der Gesamtumstände Zweifel an dem nachhaltigen politischen Zusammenschluss bleiben. Dient der Zusammenschluss offenbar vornehmlich dem fraktionsfremden Ziel der Ratsmitglieder, ihre Rechtstellung als fraktionslose Ratsmitglieder im Stadtrat zu verbessern und eine den einzelnen Mitgliedern nicht zustehende Vergrößerung der Finanzzuwendungen und Mitwirkungsrechte herbeizuführen, ist der Fraktionsstatus nicht anzuerkennen.

OVG-NORDRHEIN-WESTFALEN – Aktenzeichen: 15 B 279/13

Beschluss vom 19.06.2013

Leitsatz: 1. Das Bestehen einer Fraktion muss, um die mit dem Fraktionsstatus verbundenen Rechte in Anspruch nehmen zu können, positiv feststehen. Hierfür tragen diejenigen, die sich auf das Bestehen einer Fraktion berufen, die materielle Beweislast.

2. Wie sich aus dem gesetzlichen Erfordernis, dass sich die Ratsmitglieder zusammengeschlossen "haben" müssen, ergibt, entsteht die Fraktionseigenschaft nicht schon mit der bloßen - wenn auch bereits rechtlich verfestigten Absicht, eine Fraktion zu bilden. Vielmehr muss der Zusammenschluss bereits verwirklicht sein. Weiter ergibt sich aus der finalen Präposition "zu" möglichst gleichgerichtetem Wirken, dass die Fraktionseigenschaft nicht davon abhängt, dass ein so gleichgerichtetes Wirken auf der Grundlage grundsätzlicher politischer Übereinstimmung bereits vorliegt. Allerdings folgt daraus, dass dieser Zweck dem Zusammenschluss zugrunde liegen muss, was u. U. - etwa bei schon längerem Bestehen der vermeintlichen Fraktion - nur dann als glaubhaft angesehen werden kann, wenn sich der Zweck des Zusammenschlusses nicht nur aus einer politischen Absichtserklärung ergibt, sondern er darüber hinaus auch sichtbaren - praktischen - Ausdruck gefunden hat.

Autor:

Siegfried Schönfeld aus Marl

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