Erinnerung an die Progrommnacht in Marl am 9. November 1938

 Vestischer Ehrenbürger Rolf Abrahamsohn
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In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 organisierten SA-Truppen und Angehörige der SS gewalttätige Übergriffe auf die jüdische Bevölkerung. Mehrere hundert Synagogen wurden in Brand gesetzt, mindestens 8000 jüdische Geschäfte zerstört sowie zahllose Wohnungen verwüstet. Zwischen 90 und 100 Juden wurden erschlagen, niedergestochen oder zu Tode geprügelt. In den Tagen darauf wurden im ganzen deutschen Reich etwa 30000 jüdische Männer verhaftet und in die Konzentrationslager Dachau, Buchenwald und Sachsenhausen verschleppt. Die antisemitischen Ausschreitungen waren von der nationalsozialistischen Führung organisiert, die die Diskriminierung und Verfolgung jüdischer Bürger seit der "Machtergreifung" Hitlers 1933 systematisch vorantrieb.

Rolf Abrahamsohn

Rolf Abrahamsohn (geboren 9. März 1925 in Marl) ist ein deutscher Kaufmann jüdischen Glaubens aus Marl und als Überlebender mehrerer NS-Lager ein wichtiger Zeitzeuge.
Der letzte Überlebende des Holocaust in Marl erinnerte sich an die Gewalterfahrungen in der NS-Zeit, von der Ermordung seiner Familie.

„1938 erlebte ich mit meiner Familie die Pogromnacht am 9.November in meiner Heimatstadt Marl. Unser Haus an der Loestrasse, in dem sich auch unser Geschäft befand, wurde von den Nazis in Brand gesetzt. Mein Vater wurde brutal von SA-Leuten zusammengeschlagen und im brennenden Geschäft zurückgelassen. In letzter Minute konnten wir ihn retten. Mein Vater konnte mit meinem Bruder Hans
kurze Zeit später nach Belgien fliehen, meine Mutter, mein kleiner Bruder Nobert und ich sollten nachkommen. Noch bevor wir das Geld für den Fluchthelfer zusammen hatten, wurden die Grenzen dicht gemacht und so mussten wir zurückbleiben.

Aus Marl vertrieben

Zwei Wochen nach der Pogromnacht mussten wir Marl verlassen, die Stadt wollte ja „judenrein“ werden. Unser Haus nahm uns die Stadtverwaltung Marl weg, dort zog die NSDAP ein.
Rolf Abrahamsohn hat das Ghetto in Riga überlebt. Er erinnert sich.
Als wir am 1. Februar im Ghetto ankamen, stand gefrorenes Essen auf dem Tisch. Erst später erfuhren wir, dass das Essen für die lettischen Juden bestimmt war, die im Wald von Birneki erschossen wurden, damit wieder Platz im Ghetto war“.
nach Riga deportiert,
Aus dem nördlichen Ruhrgebiet sind insgesamt 938 Juden nach Riga deportiert, die dort fast alle zu Tode kamen. „Riga wurde zum Auschwitz für die westfälischen Juden“.

Die Marler Stadtverwaltung als Unterstützer der NSDAP?

Der Ortsgruppenleiter Becker schrieb damals an den Bürgermeister Willecke:
„Heute konnte die Ortsgruppe Marl der NSDAP ihre neuen Räume im Haus Loestrasse 26 beziehen. Für Ihre tatkräftige Unterstützung, der Partei ein würdiges Heim zu besorgen, spreche ich Ihnen meinen und meiner Mitarbeiter herzlichen Dank aus. Möge das Haus dazu beitragen, das enge Band zwischen der Amtsverwaltung und der Parteileitung noch enger zu gestalten. Das ist mein aufrichtiger Wunsch beim heutigen Einzug.
Es würde mir eine große Freude sein, Sie recht bald im neuen Heim begrüßen zu können.
Ortsgruppenleiter Becker

Der Bürgermeister Willeke in Marl

Friedrich Wilhelm Willeke, war bis 1946 Bürgermeister in Marl. Als Bürgermeister setzte er sich 1938 nach der Pogromnacht für den Zwangsverkauf des Hauses des jüdischen Händlers Abrahamson, Loestraße 26, an die NSDAP ein. Nach dem Erwerb durch die Ortsgruppe Marl und dem Bezug als neue Parteizentrale dankte der Ortsgruppenleiter Becker Willeke für die gute Zusammenarbeit.
Ab 1. Mai 1933 war er NSDAP-Mitglied. 1945 beteiligte er sich an der Gründung der CDU. 1947–1965 war Hauptgeschäftsführer der Kommunalpolitischen Vereinigung der CDU/CSU. Willeke gehörte dem Deutschen Bundestag von 1953 bis zu seinem Tode an.

Ehrenmal

Die Stadt Marl ist seit 2010 Mitglied im Deutschen Riga-Komitee, das mit der Gräber- und Gedenkstätte Riga-Bikernieki an das Schicksal der über 25 000 deutschen Juden erinnert, die in den Jahren 1941/42 nach Riga deportiert und in ihrer überwiegenden Zahl im Wald von Bikernieki ermordet wurden.

Rolf-Abrahamsohn-Medaille

Der Kreis Recklinghausen wird für  herausragende Verdienste für das Gemeinwohl und das Ansehen des Kreises Recklinghausen mit der Rolf-Abrahamsohn-Medaille gewürdigt. Nach dem Vestischen Ehrenbürger Rolf Abrahamsohn ist die Auszeichnung benannt. Der Recklinghäuser Künstler Heinrich Brockmeierhat die Medaille gestaltet.
Die Medaille zeichnet in beeindruckender Weise den Charakterkopf von Rolf Abrahamsohn.

Video

Autor:

Siegfried Schönfeld aus Marl

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