Die Landschaftsverbände werden 70: Kommunale Selbstverwaltung für die Menschen
Festveranstaltung mit NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst: "Landschaftsverbände machen unser Land vielfältiger, stärken den Zusammenhalt und bereichern die Gesellschaft selbst."
Die beiden Landschaftsverbände Rheinland (LVR) und Westfalen-Lippe (LWL) feiern in diesem Jahr ihr 70-jähriges Bestehen. Hendrik Wüst, Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen, würdigte am Freitag (12. Mai) das Wirken der beiden Kommunalverbände bei einem Festakt in Köln. "Gesellschaftlicher Zusammenhalt ist eine wesentliche Grundlage für das Funktionieren unseres Gemeinwesens. Die Vielfalt und Qualität der Arbeit der Landschaftsverbände ist beeindruckend und verdient höchste Anerkennung. Ich bin dankbar, dass die Landschaftsverbände seit nunmehr 70 Jahren Großes leisten, um allen Menschen umfassende Teilhabe am Leben in unserer Gesellschaft zu ermöglichen - dadurch machen sie unser Land vielfältiger, stärken den Zusammenhalt und bereichern die Gesellschaft selbst."
In dialogischer Form begrüßten Anne Henk-Hollstein, Vorsitzende der Landschaftsversammlung Rheinland, und Klaus Baumann, Vorsitzender der Landschaftsversammlung Westfalen-Lippe die rund 500 Gäste in Köln.
"Heute vor genau 70 Jahren erhielten beide Landschaftsverbände den Auftrag, ein Haus zu bauen, einziehen sollte eine große Familie - die kommunale Familie", so Anne Henk-Hollstein. "Heute ist dieses Haus, sind die Landschaftsverbände topmodern aufgestellt, auf der Höhe der Zeit - mit viel Licht, Transparenz und offen für die Menschen."
Die Landschaftsverbände hätten so manchen Sturm überstanden und stünden gefestigt da, so der Vorsitzende der LWL-Landschaftsversammlung, Klaus Baumann. "Das Land hat unsere Verbände immer wieder mit neuen Aufgaben beauftragt. Wir haben gezeigt, dass wir solche Aufgaben sehr agil und schnell bewältigen können." Dafür brauche es aber auch eine auskömmliche Finanzierung, so Baumann.
In einer Talkrunde stellten sich die LVR-Direktorin Ulrike Lubek, und der Direktor des LWL, Dr. Georg Lunemann, den Fragen zur Zukunft der Verbände und den anstehenden Herausforderungen. "Menschen mit Behinderung zu beschäftigen kann ein Teil der Lösung für den allgemeinen Arbeitskräftemangel werden", so Lunemann. "Warum sollte der LWL nicht sagen, dass wir zehn Prozent dieser Menschen aus den Werkstätten in den ersten Arbeitsmarkt bringen? Warum soll der LWL nicht mit gutem Beispiel vorangehen und seine eigene Schwerbehindertenquote auf zehn Prozent hochschrauben, doppelt so viel wie vorgeschrieben? Warum machen wir uns nicht gemeinsam zum Ziel, die Arbeitslosenquote von Menschen mit Behinderung bis 2030 um zehn Prozent zu senken?"
Auch Ulrike Lubek, Direktorin des LVR, sieht die Landschaftsverbände gefordert: "Angesichts immer schwierigerer Rahmenbedingungen - also Fachkräftemangel, Teuerung, Verteilungskämpfe oder gesellschaftliche Polarisierung - ist es mein allergrößtes Anliegen, dass die, die sich auf uns verlassen, uns weiterhin als Organisation wahrnehmen, in der es im allerwörtlichsten Sinne menschlich zugeht. Sie sollen auf Mitarbeiter:innen treffen, die gerecht handeln, ihnen respektvoll begegnen und sie ernst nehmen. Mein Ziel: Gelebte Menschlichkeit in härter werdenden Zeiten!"
Geschichte
Als am 12. Mai 1953 die "Landschaftsverbandsordnung" veröffentlicht wurde, bedeutete dies eine Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung. Nachdem der Landtag im Mai 1953 diese "Verfassung" der Landschaftsverbände verabschiedet hatte, trat die Landschaftsverbandsordnung am 1. Oktober in Kraft: LVR und LWL lösten damit ihre Vorgänger, die Provinzialverbände, ab.
Städte finanzieren die beiden Landschaftsverbände überwiegend. Kontrolliert werden sie durch jeweils ein Parlament mit Mitgliedern aus den Kommunen. Die Mitgliedskörperschaften wählen die Abgeordneten in die Landschaftsversammlungen. In diesem "Rheinischen Rat" und "Westfalenparlament" spiegeln sich die Ergebnisse der Kommunalwahlen in den Landesteilen wider.
Die Landschaftsverbände haben heute ein Haushaltsvolumen von zusammen knapp neun Milliarden Euro jährlich, 90 Prozent fließen in soziale Aufgaben. Über 40.000 Beschäftigte arbeiten beim LVR und LWL - fast drei Viertel von ihnen in den psychiatrischen Krankenhäusern sowie in Wohn-, Förder- und Pflegeeinrichtungen für behinderte und alte Menschen, nur rund drei Prozent in der Verwaltung.
Mit ihren Klinikstandorten, Förderschulen, Museen und Kulturdiensten und als die größten Träger der Eingliederungshilfe in Deutschland zur Unterstützung von Menschen mit Behinderungen erfüllen LVR und LWL in gesellschaftlich wichtigen Bereichen Aufgaben - in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie, im Maßregelvollzug, in Bildung und Kultur -, die sinnvollerweise gebündelt für die kommunale Familie wahrgenommen werden. Dies zahlt sich für die Mitgliedskörperschaften aus, da sie regelmäßig mehr Leistungen von den Landschaftsverbänden erhalten, als sie über die Umlage an diese gezahlt haben.
Autor:Siegfried Schönfeld aus Marl |
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