Bürgerinitiativen wollen Radverkehrsentwicklung in der Metropole Ruhr beschleunigen
Im Ruhrgebiet gibt es frischen Wind in Sachen Radverkehr. Nach dem Radentscheid Marl, der im Januar 2020 als erster Radentscheid im Ruhrgebiet an den Start ging, reichte nun auch der RadEntscheidEssen sein Bürgerbegehren offiziell ein. Damit gibt es jetzt schon zwei Bürgerbegehren, die sich für mehr, bessere und vor allem sichere Radmobilität in der Metropole Ruhr einsetzen.
Gemeinsamer Messestand auf der "FAHRRAD ESSEN"
Die beiden Initiativen waren an einem gemeinsamen Stand auf der Messe Fahrrad Essen, um ihre Ziele vorzustellen. Dort zeigten sie auch ihre Lastenräder, mit denen sie in den nächsten Wochen durch Marl und Essen fahren werden, um die erforderlichen Unterschriften für ihre Radentscheide zu sammeln. "Die Messe war mit mehr als 80.000 Besuchern eine der größten Fahrradmessen in NRW und bot ein tolles Forum für den Austausch mit Fahrradinteressierten aus ganz NRW", finden Klara van Eickels (RadEntscheidEssen) und Eva Lück (Radentscheid Marl). Dass sie sich in der Halle 5 am Stand 5H13 präsentieren konnten, hat der Essener Lastenradspezialist Punta Velo ermöglicht.
Aufbruch Fahrrad
Vorbilder sind Radentscheide Aachen, Bielefeld und Bonn. Mit ihren Kampagnen orientieren sich die Ehrenamtlichen beider Städte an der landesweiten Volksinitiative Aufbruch Fahrrad. Diese hatte 2018/2019 mehr als 200.000 Unterschriften gesammelt und erreicht, dass nun zum ersten Mal in einem Flächenland in Deutschland ein Fahrradgesetz entwickelt wird. Diesen Rückenwind wollen die Radentscheid-Initiativen im Ruhrgebiet nutzen, um mehr Geld für den Radverkehr und einen zügigen Ausbau der Radinfrastruktur zu erreichen. Damit sind Essen und Marl in guter Gesellschaft, denn in NRW gibt es auf kommunaler Ebene bereits Radentscheide in Aachen, Bielefeld und Bonn.
Unterschriftensammlungen kurz vor dem Start
Voraussetzung für die Radentscheide in beiden Revierstädten ist die Sammlung einer vorgegebenen Zahl an Unterschriften, die in Marl bei mindestens 4.160 und in Essen bei 13.400 liegt. Wer unterschreibt, unterstützt damit zum Beispiel die Planung engmaschiger Radwegenetze, mehr und breitere Radwege und mehr Sicherheit für Fußgänger und Radfahrer an Schulen, Kindergärten und Kreuzungen. Beide Initiativen wollen so die Lebensqualität für alle Menschen verbessern. "Wir zeigen mit den Unterschriften, dass viele Menschen bereit sind ihr Auto stehen zu lassen, wenn es mehr und bessere Angebote im ÖPNV und für Fußgänger und Radfahrer gibt", sagt Björn Ahaus vom RadEntscheid Essen. Heinz Borgmann vom Radentscheid Marl ergänzt: "Bislang werden viele Bürgerinnen und Bürger aber vom Radfahren abgehalten, weil das Radfahren einfach nicht attraktiv ist und viele auch Angst haben."
Die Situation in Marl
Anstieg der PKW-Fahrten / Rückgang Fußgänger- und Radverkehr
Die Stadt Marl, die als Pionierin der fahrradfreundlichen Städte in NRW galt, verzeichnet laut städtischem Mobilitätskonzept (Vergleich 1991 -2018) einen starken Anstieg der Autofahrten selbst auf Kurzstrecken. Der Anteil am sogenannten Modal Split beträgt 63 Prozent und liegt damit sogar deutlich über dem Durchschnitt der Städte in der Metropole Ruhr (58 Prozent). Zeitgleich sank der Anteil, die Marler Bürger mit dem Rad und zu Fuß zurücklegten, um 11 Prozentpunkte. Trotzdem liegt der Radfahreranteil mit 19 Prozent in Marl noch deutlich höher als in allen anderen Ruhrgebietsstädten. "Wir haben hier in Marl ein großes Potential, denn viele Bürger wollen sich klimafreundlich fortbewegen und setzten jetzt große Hoffnung in den Radentscheid", sagt Ludger Vortmann vom Radentscheid Marl. Der Radentscheid will die Verwaltung und die Parteien ermutigen, deutlich mehr Geld in den Radverkehr zu investieren und die dringend benötige Sanierung und den Ausbau des Radwegenetzes bereits vor der Sommerpause zu beschließen. Denn viele der Forderungen des Radentscheid-Teams standen schon 1991 im Verkehrsentwicklungsplan (VEP) der Stadt Marl und sind bis heute - mehr als ein Vierteljahrhundert später- noch nicht umgesetzt. Die Unterschriftensammlung in Marl startet im März.
Die Situation in Essen
Niedriger Radverkehrsanteil / Belastung durch Lärm, Staus und schlechte Luft
Aktuell liegt der Radverkehrsanteil in Essen bei sieben Prozent, also weit entfernt von den selbstgesteckten Zielen der Stadtverwaltung. Sie strebt den sogenannten 4x25% Modal Split an: den Anteil, den Auto, ÖPNV, Rad- und Fußverkehr an den zurückgelegten Wegen bis 2035 jeweils einnehmen sollen. Jona Knaup vom RadEntscheid Essen: "Unser Bürgerbegehren will diesen Umbau mit konkreten und einfachen Maßnahmen beschleunigen und Essen zukunftsfähig machen. Dass das klappt, zeigen andere europäische Metropolen wie Kopenhagen oder Paris. Die setzen aufs Rad und machen gerade einen gewaltigen Sprung in der Verkehrspolitik. So lösen sie die Mobilitätsprobleme und bringen auch den Umwelt- und Klimaschutz voran. Das können wir in Essen gemeinsam auch hinkriegen."
Im Frühjahr 2020 soll die Unterschriftensammlung beginnen. Die Radentscheider*innen hoffen auf eine große Unterstützung der Essenerinnen und Essener für einen Wandel hin zu mehr Mobilität für alle, für weniger Stau und Abgase und nicht zuletzt für eine lebenswertere Stadt Essen
Autor:Siegfried Schönfeld aus Marl |
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