Geschichtsträchtiger Neuanfang in Marl
70 Millionen und drei Jahre später soll das Rathaus wieder zum Leben erwachen
Nicht jeder teilt die Begeisterung über die 70 Millionen teure Sanierung des Marler Rathauses. Es gab Wiederstand und viele hätten die türmenden Amtsstuben lieber dem Erdboden gleich gemacht. Doch mit der Enthüllung des Bauschildes beginnt jetzt das geschichtsträchtige Vorhaben der Stadt, das rund drei Jahre dauern soll, bis dort wieder Leben einziehen kann.
Das denkmalgeschützte Gebäude aus den 1960er Jahren bekommt eine Runderneuerung. Und es ist das Herzstück eines umfassenden Handlungskonzeptes, mit dem Marl in den kommenden Jahren auch das Stadtzentrum baulich erneuern will.
Das Rathaus sei „das Wahrzeichen unserer Stadt“ und stehe für die „Aufbruchsstimmung nach dem Zweiten Weltkrieg in Marl und der Region“, so Bürgermeister Werner Arndt, der weiter erklärt: „Die Sanierung ist eine Investition von regionaler Bedeutung und ein ermutigendes Signal für einen viel versprechenden Aufbruch in schwierigen Zeiten."
Das Rathaus bildet den Mittelpunkt des Marler Stadtzentrums, das in den 1960er und 70er Jahren „auf der grünen Wiese“ entstand, und sorgte international für Schlagzeilen. Die Turmkonstruktionen gelten bis heute als „Symbol demokratischer Baukultur“.
In den vergangenen Jahren hat der Zahn der Zeit unermüdlich an der „kühnen Konstruktion aus Stahlbeton“ genagt und deutliche Spuren an den Fassaden und im Innern hinterlassen. Die Situation war für Gäste wie Beschäftigte kaum noch zumutbar.
60 Jahre nach dem Bau wird saniert
60 Jahre nach der Grundsteinlegung am 10. November 1960 geht's zuerst dem Zentralgebäude und den beiden Türmen an die Problemzonen. Betonelemente werden saniert, Fenster sowie die komplette Elektrik und Technik und die Heizungsanlage nach aktuellen energetischen Standards erneuert. Zirka 4500 qm Böden, rund 9700 qm Decken und ungefähr 500 Türen werden ersetzt, 11.300 qm Wände neu erstellt.
Die beiden Rathaustürme, die als erste Bauten ihrer Art in der Bundesrepublik Deutschland als Hängehochhäuser errichtet wurden, werden komplett entkernt. Nach Entfernung der Fenster und der Außenfassade werden nur noch die tragenden Gebäudeelemente und die beton-ummantelten Stahlbänder der Hängekonstruktion als Skelett in den Himmel ragen - wie damals beim Bau der Türme.
Die Sanierung des Sitzungstraktes mit den Sitzungssälen, Fraktionsbüros und dem von einem 28 x 60 Meter großen Betonfaltwerk überdachten Foyer beginnt 2022. Die Räume im glasumbauten Erdgeschoss und im Souterrain, in denen das Skulpturenmuseum Glaskasten ausgewählte Exponate seiner umfangreichen Sammlung zeigt, werden zu einem Begegnungsort mit Angeboten der offenen Kinder- und Jugendarbeit, für Familienbildung und nachbarschaftliche Aktivitäten umgestaltet.
Das Skulpturenmuseum Glaskasten findet in einer nur wenige 100 Meter entfernten ehemaligen Schule neue Räume. Dort entsteht das – nach dem ehemaligen Stadtplaner Günther Marschall benannte - kulturelle Begegnungs- und Erlebniszentrum Marschall 66, in dem auch die Stadtbibliothek neue Räume bezieht und die insel-VHS und die städtische Musikschule ausgewählte Angebote unterbreiten werden.
Für die Sanierung des Rathauses wurden bisher mehr als 10 Mio. Euro Bundes- und Landesmittel aus dem Stadterneuerungsprogramm bewilligt. Weitere Zuwendungen sind in Aussicht gestellt. Damit die Gesamtkosten von zirka 70 Mio. Euro nicht aus dem Ruder laufen, hat die Stadt drei Kontrollebenen eingezogen.
„Die Malerinnen und Marler können nach Abschluss der Sanierung wieder mit Stolz auf unser Rathaus schauen, das zu den herausragenden Denkmälern der Ruhrmoderne zählt“, verspricht Bürgermeister Werner Arndt mit Blick nach vorn.
Autor:Mariusch Pyka aus Marl |
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