10. MARLER MEDIENPREIS, Auszeichnung von fünf Fernsehbeiträgen zum Thema Menschenrechte in Marl (NRW) vergeben
Der Marler Medienpreis Menschenrechte (m3) wird seit 2001 als Preis der deutschen
Sektion von Amnesty International vergeben für TV-, Radio- und Printbeiträge, die in Deutschland veröffentlicht wurden. Der undotierte Preis würdigt Beiträge, die in außergewöhnlicher Weise das Thema Menschenrechte behandeln. Mit der Auszeichnung zeigt Amnesty International, welche Wirkung und Bedeutung das Fernsehen in und für unsere Gesellschaft hat.
Ehrenpreis
Der Ehrenpreis des 10. Marler Medienpreis Menschenrechte geht dieses Jahr an Artur Brauner. Der 99-jährige Brauner wurde für seine über 70 Jahre andauernde Arbeit geehrt, durch die er immer wieder an die Schrecken des Holocausts erinnert und dazu beigetragen hat, die deutsche Vergangenheit aufzuarbeiten. Den Preis hat Artur Brauners Tochter, die Journalistin und Filmproduzentin Alice Brauner, stellvertretend entgegengenommen.
Für den Marler Medienpreis Menschenrechte sind dieses Jahr knapp 100 Fernsehbeiträge von elf verschiedenen Sendern aus den Jahren 2015 und 2016 eingereicht worden. Hieraus hat eine Jury – bestehend aus Mitgliedern von Amnesty International – 15 Beiträge ausgewählt. Vergeben wird der Marler Medienpreis in fünf Kategorien: „Magazin Inland“, „Magazin Ausland“, „Dokumentation Inland“, „Dokumentation Ausland“ und „Film“.
Ein Sonderpreis geht an die ZDF-Spezialsendung „aspekte“ mit dem türkischen Journalisten Can Dündar aus dem November 2016, der unter anderem Themen wie Meinungs- und Pressefreiheit beleuchtet hat.
Die Bekanntgabe und Ehrung der weiteren Preisträger erfolgte am Samstag (14.10.2017) um 15 Uhr bei der Preisverleihung im Rathaus der Stadt Marl. Matthias Bongard, jahrelanger Moderator beim WDR-Kulturprogramm, führte durch die Veranstaltung.
„Insgesamt können wir zwei eindeutige Schwerpunkte bei den Beiträgen feststellen: Zum einen werden oft Krieg und Kriegsfolgen thematisiert. Dabei liegt der Fokus insbesondere auf den Leiden der Schwächsten, der Kinder“, sagte Rolf Opalka. „Zum anderen liegt ein Schwerpunkt beim Thema Flucht, dem politischen, gesellschaftlichen und persönlichen Umgang damit sowie der Begegnung mit den betroffenen Menschen. Dazu gehört auch das Thema der Fluchtursachen und des Verhaltens, das diese generiert, wie zum Beispiel Waffenexporte“, so Opalka.
Die Begründungen des Ehren- und Sonderpreises:
Ehrenpreis
Artur „Atze“ Brauner
Mit seinen Filmen gegen das Vergessen hat Artur Brauner gezeigt, dass jeder mit den ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten einen Beitrag zur Aufklärung über Entstehen und Folgen von Rassismus, Intoleranz und Menschenrechtsverletzungen leisten kann. Vorbildlich, andauernd und schier unermüdlich hat er uns das beispielhaft vor Augen geführt.
Sonderpreis
Sondersendung von "aspekte" zur Türkei (ZDF, 11.11.2016)
Moderation: Katty Salié, Can Dündar
Redaktion: Daniel Fiedler, Jutta Louise Oechler, Anna Riek, Christian Bitzer, Matthias Hügle
Eine ganze Aspekte-Sendung zum Thema Meinungs- und Pressefreiheit ist an sich schon etwas Besonderes. Zudem Can Dündar, der wegen politischer Verfolgung selbst in Deutschland im Exil lebt, die Ko-Moderation neben Katty Salié zu übertragen und damit eine Stimme zu geben, ist ein Zeichen der Solidarität und Verstärkung der ausgesprochen aktuellen Thematik. Dass auch die Situation in Ungarn thematisiert wird, zeigt die Bedrohungen und Beschränkungen grundlegender Menschenrechte auch innerhalb der EU.
Die Nominierungen:
Kategorie „Magazin Inland“
Monitor: Ein Problem, zwei Welten – Syrische Flüchtlinge in Deutschland und im Libanon (WDR, 21.05.2015)
Autoren: Stephan Stuchlik, Marion Schmickler, Peter Onneken
Redaktion: Markus Zeidler
Eindrücklich erfahren wir von den Anstrengungen eines kleinen libanesischen Dorfes, den vielen syrischen Flüchtlingen offen und hilfsbereit zu begegnen. Die Unterstützung der syrischen Familien mit ihren Nöten und die gemeinsame Suche nach Lösungen sind beispielhaft für eine echte „Willkommenskultur“. Besonders stark ist der Beitrag in seinen Vergleichen zu deutschen Kommunen, in denen Flüchtlingen häufig in erster Linie Ablehnung entgegengebracht wird.
Panorama: Kriegskinder Deutschland 1945 – Syrien 2015 (NDR, 17.12.2015)
Autorin: Tina Soliman, Torsten Lapp
Redaktion: Volker Steinhoff
Die Gegenüberstellung der Kriegserfahrungen in Deutschland 1945 und der aktuellen Situation in Syrien ist ein starker Appell an die Menschlichkeit. Besonders die Darstellung traumatisierender Kindheitserfahrungen lassen den Zuschauer mitfühlen und die Schwere und Umfänglichkeit von Kriegserlebnissen spüren. Er verdeutlicht, dass wir gemeinsam die Verantwortung dafür tragen, Menschen mit Narben an Körper und Seele zu unterstützen.
Monitor: Afghanistans "sichere Gebiete" – Das zynische Spiel der Bundesregierung (WDR, 17.03.2016)
Autoren: Nikolaus Steiner, Jakob Paßlick
Redaktion: Andrea Miosga
Am Beispiel Afghanistans werden viele Widersprüche zwischen der Situation in den sogenannten „sicheren Gebieten“ und den Handlungen und Argumentationen der Bundesregierung deutlich. Dem Beitrag gelingt es dadurch in besonderem Maße, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass die Diskussion um Schutz und Asyl nicht allein aus einer innenpolitischen, sondern vor allem aus einer humanitären Perspektive geführt werden muss.
Kategorie „Magazin Ausland“
Monitor: Flüchtlinge unerwünscht - der schmutzige Deal zwischen der EU und der Türkei (WDR, 14.01.2016)
Autoren: Stephan Stuchlik, Esat Mogul, Jan Schmitt, David Zajonz
Redaktion: Markus Zeidler
Der Magazin-Beitrag zeigt an gut ausgewählten Beispielen, dass die Türkei ihren Verpflichtungen aus dem Vertrag über die Aufnahme syrischer Flüchtlinge nicht nachkommt. In der Realität werden viele von ihnen, auch von Amnesty dokumentiert, in den Krieg in ihrer Heimat abgeschoben. Die Beweisführung ist eindeutig: Die EU finanziert so Abschiebung und Menschenrechtsverletzungen mit.
Kontraste: Tausende Flüchtlinge in Griechenland, von der EU vergessen (rbb, 21.04.2016)
Autoren: Caroline Walter, Christoph Rosenthal
Redaktion: Reinhard Borgmann
Mit bedrückenden Bildern von einzelnen Schicksalen wird auf die zum Teil ausweglose Situation von Geflüchteten aufmerksam gemacht und zudem wird die unterschiedliche rechtliche Behandlung der Menschen aus Afghanistan und Syrien stark kritisiert. Deutlich ist auch das Interview mit dem griechischen Innenminister, der die fehlende Unterstützung Europas beklagt.
Monitor: Hexenjagd in der Türkei? Erdogans harter Kurs gegen die Opposition (WDR, 11.08.2016)
Autoren: Stephan Stuchlik, Mehrican Açar
Redaktion: Nikolaus Steiner
Der Beitrag veranschaulicht die reale innenpolitische Situation der Türkei nach dem Militärputsch. In Interviews mit Richtern, Lehrern und einem bekannten Menschenrechtsanwalt benennen diese die Einschränkungen der demokratischen Rechte: ein mutiges Unterfangen. Der Beitrag zeigt zudem die Lage junger Soldaten, die von den Putschisten ungefragt rekrutiert worden waren und nun seit Monaten im Gefängnis sitzen. Eltern von Soldaten - nach eigener Aussage Erdogan-Anhänger - bringen ihre Verzweiflung über die Methoden der Justiz zum Ausdruck.
Kategorie „Doku Inland“
Tödliche Exporte: Wie das G36 nach Mexiko kam (ARD, SWR, 23.09.2015)
Produktion: diwa Film
Buch und Regie: Daniel M. Harrich
Redaktion: Hans-Michael Kassel (SWR), Thomas Reutter (SWR)
Die Dokumentation beeindruckt durch umfangreiche Recherchen und Informationsfülle. Sie zeigt plastisch, was passiert, wenn Waffen in Krisengebiete gelangen, indem sie Angehörige und Freunde von Mordopfern aus Mexiko zu Wort kommen lässt und bei ihrer Suche nach vermissten Angehörigen begleitet. Dem gegenüber stehen die Methoden und „Mauscheleien“, Waffenexporte über die Bühne zu bringen. Gerade auch durch diesen Kontrast berührt der Film stark.
My Escape - meine Flucht (WDR, 10.02.2016)
Produktion: WDR, Deutsche Welle (DW) und Berlin Producers
Buch und Regie: Elke Sasse
Redaktion: Jutta Krug (WDR), Hanne Kehrwald (DW), Frauke Sandig (DW)
Der Film schildert die Flucht nach Deutschland aus Sicht der Geflüchteten, indem er ihre Handyvideos und Interviews nach der Flucht kombiniert. Es bleibt ein starker Eindruck durch die Bilder der Fluchtwege sowie deren Beschreibung durch die geflüchteten Menschen, die solche Gefahren und Strapazen nicht ohne triftigen Grund auf sich nehmen. Fluchtursachen werden benannt und es berührt zu sehen, welch große Hoffnungen die jungen Menschen insbesondere auf Deutschland setzen. Der Film setzt einen Kontrast zu vielen Vorurteilen gegenüber Geflüchteten.
Protokoll einer Abschiebung (NDR, 22.07.2016)
Produktion: Pier 53 Filmproduktion
Buch und Regie: Hauke Wendler
Redaktion: Barbara Denz
Die Dokumentation besticht durch Vergleiche und Gegenüberstellungen von Abschiebemethoden und Einzelschicksalen und zeigt, wie bei aller Rechtsstaatlichkeit der Behörden Menschlichkeit und Würde gewahrt werden können. Es wird deutlich, dass sogenannte „Sichere Herkunftsländer“ eben nicht für jeden sicher sind.
Kategorie „Doku Ausland“
Die Story: Erstickt im LKW – Das Ende einer Flucht (NDR / WDR, 22.08.2016)
Autoren: Elena Kuch, Sebastian Pittelkow, Amir Musawy, Volkmar Kabisch, Georg Heil
Redaktion: Britta von der Heide (NDR), Petra Nagel (WDR), Dirk Neuhoff (NDR), Stephan Wels (NDR)
Akribisch wird ein Verbrechen aufgerollt und am Ende wissen wir, warum Flucht zur Todesfalle werden kann und Europas Politik der Abschottung auch die zerreibt, die überleben. Die Leistung des Beitrages ist auch, den Opfern die Anonymität zu nehmen, ihnen ein Gesicht zu geben.
Die Story: Der Traum von Sicherheit (WDR, 07.12.2016)
Autoren: Naima El Moussaoui, Lukas Roegler
Redaktion: Barbara Schmitz
Der Film beleuchtet eindringlich sowohl die Situation geflüchteter Frauen in jordanischen Flüchtlingslagern als auch die Versäumnisse und Probleme in den deutschen Flüchtlingsunterkünften. So wird klar, dass sexualisierte Gewalt und Übergriffe auch im vermeintlich sicheren Deutschland den Traum von Sicherheit zerplatzen lassen.
La Buena Vida – Das gute Leben (ZDF/ 3sat, 12.12.2016)
Autor: Jens Schanze
Redaktion: Margrit Schreiber-Brunner, Udo Bremer
Bürokratie, viel Geld und der Energiehunger Europas lassen den Kampf der Wayú in Kolumbien um ihre Heimat scheitern. Die Hoffnung und Verzweiflung lässt uns mitfühlen. Mit bewegenden Bildern erleben wir den Untergang vieler Lebenspläne, die Zerstörung eines schönen Lebens.
Kategorie „Film“
Die Kinder der Villa Emma (ORF / ARD-Degeto, 23.06.2016)
Produktion: Graf Filmproduktion
Redaktion: Klaus Lintschinger (ORF), Carolin Haasis (ARD-Degeto)
Buch: Agnes Pluch
Regie: Nikolaus Leytner
Besetzung: Sophie Stockinger Ludwig Trepte, Nina Proll, Muriel Wimmer, Laurence Rupp
Irrsinn auch Irrsinn zu nennen ist der Verdienst dieses Films, der uns das Beispiel jüdischer Flüchtlingskinder, die 1941 das Glück hatten, auf Menschen zu treffen, die bereit waren, bei allen Gefahren zu helfen, näher bringt. Das Glück wünscht man auch heute sogenannten unbegleiteten Kindern und Jugendlichen, wo Helfen nicht mehr mit Gefahr verbunden ist.
Meister des Todes (SWR, BR, ARD Degeto, 23.09.2016)
Produktion: diwafilm
Redaktion: Manfred Hattendorf (SWR), Michael Schmidl (SWR), Christine Strobl (ARD/Degeto), Claudia Gladziejewski (BR)
Buch: Gert Heidenreich, Daniel Harrich
Recherche: Jürgen Grässlin
Regie: Daniel M. Harrich
Besetzung: Hanno Koffler, Heiner Lauterbach, Alina Levshin, Veronica Ferres, Udo Wachtveitl, Axel Milberg
Ein spannender Politthriller, der wegen seines realen Hintergrundes erschreckend deutlich klarmacht, dass die in Wirklichkeit Agierenden immer hinterhältiger und raffgieriger sind als ein Drehbuchautor sich das ausdenken kann. Gut zu wissen, dass der Film mitgeholfen hat, Verantwortliche dieser Machenschaften vor Gericht zu bringen.
Der Andere (ZDF, 21.11.2016)
Produktion: Independent Artists
Redaktion: Daniel Blum
Buch und Regie: Feo Aladag
Besetzung: Nama Traore, Jesper Christensen, Milan Peschel, Katja Riemann, Alwara Höfels
Ein Junge kommt nach Deutschland, hinein in eine zerrissene Gesellschaft, in eine gestörte Familie. Er ist Anlass und Teil der Auseinandersetzungen, an deren Ende der Tod seines Gastgebers und seine Aufnahme in die Familie stehen. Behutsam und brutal erleben wir, dass wir uns entscheiden können zwischen Gemeinsamkeit oder Hass und Gewalt.
Autor:Siegfried Schönfeld aus Marl |
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