Über 20.000 Naturbegeisterte sammeln deutschlandweit zwei Millionen Beobachtungsdaten zu Biodiversität
Die Initiator:innen des Wettbewerbs zur Naturbeobachtung "Bioblitz 2022" ziehen eine positive Bilanz. Das Ergebnis waren deutschlandweit zwei Millionen Beobachtungen. Bei einem Bioblitz versuchen Naturbegeisterte, in einem bestimmten Gebiet und während eines bestimmten Zeitraums so viele Arten von Pflanzen, Pilzen und Tieren wie möglich nachzuweisen.
Den "Bioblitz 2022"
hatten das Internetportal für Naturbeobachtungen "Observation.org" und das LWL-Museum für Naturkunde des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) in Münster initiiert und gemeinsam mit regionalen Partnern durchgeführt. 2023 soll es einen weiteren Bioblitz geben.
Ein Bioblitz ist ein spielerischer Wettbewerb. Die Teilnehmer:innen erforschen die heimische Natur und deren Schutz. Beim "Bioblitz 2022" traten alle deutschen Kreise und kreisfreien Städte gegeneinander an, um Arten zu finden. "Über 20.000 Naturbegeisterte haben deutschlandweit knapp zwei Millionen Funde von Pflanzen, Pilzen und Tieren gemeldet. Das sind überwältigende Zahlen", sagt Dr. Jan Ole Kriegs, Direktor des LWL-Museums für Naturkunde.
Die Gewinner
Gewonnen hat den "Bioblitz 2022" der Landkreis Lüneburg mit der Meldung von über 4.100 Arten. Er gewann vor Aachen und dem Kreis Herford, die sich bis zum Schluss ein Kopf-an-Kopf-Rennen lieferten. Den vierten Platz belegte die Stadt Münster. "Neben den Städten und Kreisen haben bundesweit der Naturschutz und die Grundlagenforschung gewonnen, denn die wertvollen Datensammlungen des Bioblitzes 2022 sind auf Observation.org öffentlich zugänglich. Das ist der gemeinnützige Stiftungszweck hinter der Meldeplattform. Und durch das Wissen über die Entwicklung der Vorkommen können Naturschutzmaßnahmen abgeleitet werden", so Kriegs.
Bewegung in der heimischen Fauna und Flora
Dank des "Bioblitzes 2022" gebe es brauchbare wissenschaftliche Erkenntnisse. Kriegs erläutert: "In Zeiten des Klimawandels und der Biodiversitätskrise ist bei der heimischen Flora und Fauna viel in Bewegung gekommen. Arten, die keine Hitze und Trockenheit vertragen, werden seltener oder verschwinden ganz. Zahlreiche wärmeliebende Tiere und Pflanzen aus dem Mittelmeerraum wandern hingegen ein." So konnten die Teilnehmer:innen im Rahmen des Bioblitzes neue Funde der Kanaren-Springspinne, der Gottesanbeterin, der Nosferatu-Spinne und vieler anderer Arten auch weit im Norden Deutschlands machen.
Christopher Mollmann vom LWL-Museum für Naturkunde in Münster hat sich die Observation-Daten von Libellen angeschaut. Dabei verglich er die Gemeine Heidelibelle (Sympetrum vulgatum), die an verschiedensten Stillgewässern zu finden ist und vor einigen Jahrzenten als häufig in Deutschland galt, mit der ihr ähnlichen Großen Heidelibelle (Sympetrum striolatum): "Mittlerweile zeichnet sich ein Rückgang der Gemeinen Heidelibelle in vielen Teilen Deutschlands ab, während die nah verwandte Große Heidelibelle 2022 sehr zahlreich gemeldet wurde. Solche Veränderungen lassen sich auf Observation.org sehr zeitnah, fast live beobachten."
Anhand der Verbreitungskarten,
die mithilfe der Meldungen der Bioblitz-Teilnehmenden erstellt werden, sind die Arealveränderungen bei vielen Arten erkennbar. Viele wärmeliebende wirbellose Tiere breiten sich schnell aus, wie etwa die Vierpunktige Sichelschrecke (Phaneroptera nana), eine Heuschreckenart, die ihr Hauptverbreitungsgebiet eigentlich in Südeuropa hat. Mollmann: "Die Vierpunktige Sichelschrecke lebt gewöhnlich vor allem in der sehr wärmebegünstigten Region am Oberrhein. In den vergangenen Jahren konnte die Art weiter entlang des Rheins nach Norden wandern und war 2022 an vielen Stellen des Niederrheins in NRW zu finden, wo sie vor wenigen Jahren noch komplett fehlte. Mittlerweile gibt es Nachweise in ganz Deutschland."
Wettkampf auch ohne Vorkenntnisse
Auch Personen ohne Artenkenntnisse konnten sich beispielsweise durch die Bestimmungs-App "ObsIdentify" mit ihrem Smartphone einfach am Bioblitz beteiligen. Die App erkennt Bilder von Pflanzen, Pilzen oder Tieren, bestimmt die Art und meldet die Funde dem Portal für Naturbeobachtungen. In einem zweiten Schritt überprüfen Spezialist:innen die Ergebnisse und geben sie für Forschungsprojekte frei.
"Der 'Bioblitz 2022' war ein außerordentlich erfolgreiches Citizen-Science-Projekt.
Schon aus diesem Grund, aber auch weil es allen Beteiligten eine große Freude bereitet hat, gibt es im kommenden Jahr erneut einen bundesweiten Wettbewerb der Artenmeldung zwischen den Kreisen und Städten, den 'Bioblitz 2023'", erklärt Kriegs.
Autor:Siegfried Schönfeld aus Marl |
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