Vom ältesten erhaltenen Toilettenpapier und der Notdurft der keltischen Bergleute

Geborgen im Salz und konserviert verraten die Pestwurzblätter in der Sonderausstellung "Das weiße Gold der Kelten" Spannendes aus dem Alltag eines der ältesten Bergwerke der Welt. | Foto: LWL
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  • Geborgen im Salz und konserviert verraten die Pestwurzblätter in der Sonderausstellung "Das weiße Gold der Kelten" Spannendes aus dem Alltag eines der ältesten Bergwerke der Welt.
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Was tun, wenn ein Bergmann mehrere hundert Meter unter Tage tief im Inneren eines Berges ein "großes Geschäft" zu erledigen hat und die Erfindung des Aborts geschweige denn des Wasserklosetts noch tausende Jahre entfernt ist? Die Kelten von Hallstatt behalfen sich im ältesten noch genutzten Salzbergwerk Europas offenbar mit der Natur.

Auch solche im wahrsten Sinne tiefen Einblicke in die Bergbaukultur hält die Sonderausstellung "Das weiße Gold der Kelten - Schätze aus dem Salz" bereit, die der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) ab dem 23. August in seinem LWL-Museum für Archäologie in Herne zeigt. Unter den rund 250 Exponaten finden sich die Vorläufer des modernen Toilettenpapiers und ein Erfindungsreichtum, der auch der Bergbaukultur des Ruhrgebiets vertraut sein dürfte. Das zeigen auch neue Forschungsergebnisse, die hier präsentiert werden.

Im Betriebsabfall der keltischen Stollen in Hallstatt häufen sich jedenfalls die Funde von Pestwurzblättern, die vom Salz perfekt konserviert wurden. Viele von ihnen sind mit Baststreifen zu Bündeln zusammengebunden. Die Wissenschaftler haben sich intensiv mit dieser Pflanze, die heute noch weit verbreitet ist und gern Verwendung als Heilmittel findet, beschäftigt. Auch wenn ihre Funktion in den bis zu 300 Meter tiefen Schächten in Hallstatt noch nicht endgültig geklärt ist: Ihre Verwendung im Zusammenhang mit der untertägigen Notdurft ist wahrscheinlich. Das zeigen nicht nur menschliche Exkremente, die man an den krautigen Blättern gefunden hat. Die Pestwurz birgt auch Inhaltsstoffe mit verblüffender Wirkung.

Die Ernährungsweise war vor über 2600 Jahren deutlich anders als heute. Von Lebensmittelhygiene war weit und breit keine Spur. Nicht selten wimmelte es deshalb in manchem Gedärm von verschiedenen Arten von Würmern - etwa durch den Genuss von rohem Fleisch. Die Pestwurz hielt Linderung für das strapazierte Gesäß bereit: Ihre Blätter verfügen über antiseptische Wirkung und mindern die Pein bei Befall durch Darmparasiten. Auch als Wundauflagen waren sie deshalb begehrt. Beides war bei der schweren Arbeit im Salzabbau unter Tage damals an der Tagesordnung.

Wertvoll sind aber auch die Exkremente der Menschen, die Archäologen in den Stollen von Hallstatt entdeckt haben. Auch hier kennt die Wissenschaft Mittel und Wege, um aus den organischen Resten Rückschlüsse auf der Ernährung der Kelten zu ziehen. Das Ergebnis: Die Menschen haben sich denkbar einfach ernährt. Getreide, Sammelobst, Früchte und Fleisch füllten die Speisetafel. Das wichtigste Getreide war die Gerste, auch Hirse, Saubohnen und Linsen waren wichtige Eiweißlieferanten. Essensreste an hölzernen Kochlöffeln und andere Utensilien, die im Bergwerk in Hallstatt entdeckt wurden, zeigen: Die Mahlzeiten der keltischen Bergleute wurden unter Tage zubereitet.

Die Ausstellung

"Wer also ab dem 23. August die Sonderausstellung besucht, erlebt nicht nur einige bislang in Deutschland noch nicht gezeigte Funde, sondern erfährt auch von ebenso spannenden wie ungewöhnlichen neuesten Forschungsergebnissen", freut sich LWL-Museumsleiter Dr. Josef Mühlenbrock auf "Das weiße Gold der Kelten - Schätze aus dem Salz". Er besuchte erst kürzlich selbst das Salzbergwerk von Hallstatt und berichtet im museumseigenen Blog unter http://www.lwl-landesmuseum-herne.de/blog von seinen Einblicken.

Die Ausstellungsarchitektur besteht aus sechs riesigen, begehbaren "Salzblöcken". Originalobjekte, Videoinstallationen und Multimedia-Shows bieten eine Ausstellungserfahrung für alle Sinne: Man kann die Salzwelten von Hallstatt nicht nur sehen und hören, sondern auch riechen, berühren und schmecken.

Über 250 Fundstücke erzählen von Aufstieg und Fall der vom Salzbergbau geprägten Kultur von Hallstatt, von den enormen technischen Leistungen einer der ältesten Bergbauindustrien Europas, vom durch den Handel mit dem Salz gewonnenem Reichtum, von prachtvollen Bestattungen mit Gold, Elfenbein und Glas, aber auch von Kinderarbeit in dunkelster Tiefe, von Krankheiten und schwerer Arbeit.

Diese Ausstellung wurde erstellt vom Naturhistorischen Museum Wien in Zusammenarbeit mit der Ausstellungsgesellschaft "Museumspartner". Eröffnet wird "Das weiße Gold der Kelten - Schätze aus dem Salz" mit einer Podiumsdiskussion und geladenen Gästen am Freitag, 22. August, um 17 Uhr. Bis zum Januar 2015 können Besucher im LWL-Museum für Archäologie in die Welt der Kelten und des Salzes abtauchen. Ein vielseitiges museumspädagogisches Programm begleitet die Besucher bei ihrer Zeitreise.

Autor:

Siegfried Schönfeld aus Marl

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