Tanzprojekt in Marl mit Choreographin Waltz, hat die ganze Stadt verwandelt

Über 120 Tänzerinnen und Tänzer kamen am Sonntag zum großen Finale von "In C - Marler Partitur" am Busforum in der Stadtmitte zusammen. Foto: Sasha Waltz & Guests
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  • Über 120 Tänzerinnen und Tänzer kamen am Sonntag zum großen Finale von "In C - Marler Partitur" am Busforum in der Stadtmitte zusammen. Foto: Sasha Waltz & Guests
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Was wäre eigentlich, wenn die Menschen gar nicht zur Kunst gehen müssten, sondern wenn sie selbst darüber entscheiden, was überhaupt an Kunst im öffentlichen Raum konzipiert wird? Eine Antwort darauf geben die Neuen Auftraggeber in Marl. Über zwei Jahre ist ein einzigartiges Kunstprojekt entstanden, das am Wochenende die ganze Stadt verwandelte.

Was bisher geschah:

Der bekannte Kurator Kasper König hatte den Gesellschaftern der Neuen Auftraggeber die Stadt Marl im Rahmen der Kooperation des Skulpturenmuseums mit den Skulptur-Projekten Münster 2017 wärmstens ans Herz gelegt. Die Kulturverantwortlichen hätten schon in den 70er Jahren den Mut aufgebracht, Skulpturen im öffentlichen Raum zu zeigen und kontroverse Diskussionen über Kunst im öffentlichen Raum anzustoßen. Im weiteren Verlauf der Gespräche wurden Marler Bürgerinnen und Bürger gesucht, die einen Projektauftrag formulieren.

Marler Auftraggeber aus der Taufe gehoben

Im Frühjahr 2020 wurden dann die Neuen Auftraggeber von Marl, eine Gruppe von zehn Bürgerinnen und Bürgern der Stadt, aus der Taufe gehoben. Nach ihrem Willen sollte dort, wo das in den 1960er Jahren gebaute Rathaus zusammen mit dem Skulpturenmuseum Glaskasten den kulturellen und sozialen Anspruch der Stadt sichtbar macht, ein neues Kunstwerk das gemeinsame Selbstverständnis des Marl von morgen veranschaulichen.

Gefühl für Stadtraum und Stadtgemeinschaft entwickeln

Die Neuen Marler Auftraggeber hatten es sich zum Ziel gesetzt, den demokratischen Aufbruch nach dem 2. Weltkrieg, der sich in der Architektur bedeutender Bauwerke wie dem Rathaus oder der Scharounschule spiegelt, stärker ins öffentliche Bewusstsein zu rücken. Der Grundgedanke des eigens für Marl entwickelten Projekt war es, in dem aus verschiedenen Dörfern zusammengewachsenen Stadtgebilde ein körperliches Gefühl für den Stadtraum und die Stadtgemeinschaft zu entwickeln.

Projekt „In C – Marler Partitur“

Monate später nahm das Projekt „In C – Marler Partitur“ auf dem Bürgerauftrag der Initiative Neue Auftraggeber konkrete Formen an. Aus dem Wunsch nach einer künstlerischen Bearbeitung der einst visionären Nachkriegsarchitektur der demokratischen Modellstadt entstanden durch Mediation der Gesellschaft der Neuen Auftraggeber und in Zusammenarbeit mit der weltbekannten deutschen Choreografin Sasha Waltz die von ihr entwickelte „Marler Partitur“ zu Terry Rileys offener Komposition „In C“ aus dem Jahr 1964.

Beeindruckende Choreografie

Am Samstag (10.9.) sollten sich endlich Tanzgruppen spiralförmig in Richtung Stadtzentrum bewegen, doch die Performance fiel wegen des Regenwetters buchstäblich ins Wasser. Erst am Sonntag klarte es wieder auf und die über 120 Tänzerinnen und Tänzer zogen durch Marl und kamen in einem großen Finale mit Sasha Waltz zusammen. Die kleinteilige Partitur bespielte acht prägende Orte – u.a. das Rathaus, die Scharounschule, die Marler Hügelhäuser und die Paracelsus-Klinik. Die beeindruckende Choreografie endete am späten Sonntagnachmittag am Busforum in der Stadtmitte.

Sasha Waltz trägt sich ins Goldene Buch der Stadt ein

Bereits am Mittag trug sich Sasha Waltz in der Aula der Scharounschule in das Goldene Buch der Stadt Marl ein. Bürgermeister Werner Arndt würdigte das künstlerische und gesellschaftliche Engagement der renommierten Choreografin. „Sasha Waltz hat das Tanzprojekt in Marl mit viel Herzblut vorangetrieben. Ihr, den Marler Bürgern und der Initiative der Neuen Auftraggeber ist es zu verdanken, dass die Choreografie nicht nur die lokale Architektur aufgreift, sondern auch deren zugrundeliegenden demokratischen, gemeinschaftsstiftenden Impuls.“ Gerade in heutiger Zeit sei es wichtig, „einem solch kulturellen Projekt auf Augenhöhe zu begegnen und es zu fördern.“

Danksagung

Sasha Waltz bedankte sich mit den Worten: „Inspiriert durch den demokratischen Geist, der sich in Marl architektonisch manifestiert, sind wir zu einem kollektiven Experiment aufgebrochen. Eine soziale Plastik mit der Stadtgesellschaft zu schaffen, die lebendig ist und über viele Jahre wachsen soll. Eine gemeinsame Sprache zu finden, in der generationsübergreifend, sozial und über kulturelle Grenzen hinweg Kommunikation möglich ist. Ein Spiel tanzen, dessen Regeln sich in jedem Moment verwandeln und neue Form annehmen. Ein bewegtes, buntes und abstraktes dreidimensionales Gemälde. Möge es sich über Jahre weiterentwickeln und die Menschen verbinden und sich ihrer Stadt neu bewusst werden“.

„In C – Marler Partitur“ ist ein Projekt von Sasha Waltz für die Stadt Marl in Zusammenarbeit mit dem Skulpturenmuseum und der Musikschule der Stadt Marl. „In C – Marler Partitur ist eine Initiative der Neuen Auftraggeber in Marl.

Autor:

Siegfried Schönfeld aus Marl

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