BÜRGERSTIFTUNG ERKLÄRT STRASSENNAMEN
Krablerstraße: Ein Mann mit Kohle im Blut
Als „starke harmonische Persönlichkeit“ beschrieb ihn ein Nachruf im Essener Anzeiger: Emil Krabler. Der Mann, der den Kohlebergbau im Ruhrgebiet maßgeblich prägte, war fortschrittlich und altmodisch zugleich. Obwohl bei den Bergmännern eher unbeliebt, wurde er in Brassert zum Namensgeber einer Straße. Jetzt erinnern zwei Legendenschilder an den Geheimen Bergrat aus Essen.
Benennung nach Emil Krabler
Die Krablerstraße führt mitten durch die ehemalige Bergarbeiterkolonie der Zeche Brassert. Von der Brassertstraße bis hin zum Margaretenplatz schaut sie fast so aus wie vor rund 100 Jahren als die Siedlung nach englischem Gartenstadt-Vorbild als eine der ersten in Marl gebaut wurde. Jetzt war dort die Marler Bürgerstiftung zu Gast, um ihr Projekt „Straßengeschichten“ fortzusetzen. Projektini- tiator und Historiker Matthias Pothmann wusste vor Ort zu berichten: „Benannt wurde die Straße nach Emil Krabler (1839 – 1909), einem Mann, der Kohle im Blut hatte. Er studierte zunächst das Bergfach und wurde später u.a. Bergassessor, Zechendirektor und Geheimer Bergrat. Es gab zu seiner Zeit kaum jemanden, der im Ruhrbergbau mächtiger war als Krabler.“
1839 weit außerhalb des Reviers in Crossen/Oder geboren, war Emil Krabler zeitlebens auf Engste mit den Zechen an Ruhr und Emscher verbunden. Er war als Zechendirektor in Altenessen verant- wortlich und überdies Mitglied des Kreistags und Gemeinderats in Essen. Als gegen Ende des 19. Jahrhunderts die linken Parteien immer mehr Einfluss in der Arbeiterschaft erhielten, stand Krabler eindeutig auf der Seite der Unternehmer. Pothmann dazu: „Krabler war durch und durch ein Indust- rieller, der sich gegen die Gewerkschaften stellte. Zwar erkannte er die Notwendigkeit für sozialpo- litische Zugeständnisse und ließ diese zu, um die Loyalität der Kumpel zu erhalten. Doch Mitbestim- mung für Arbeitnehmer kam für ihn nicht in Frage.“ Krabler trieb den Bau von Arbeiterwohnungen ebenso voran wie die Gründung einer Familienkasse zur ärztlichen Versorgung. Gleichzeitig nutzte er seinen Einfluss, um das Rheinisch-Westfälische Kohlensyndikat zu gründen. Der Verbund ver- schiedener Bergwerke sollte die Macht der Zechenbetreiber sichern. Auch auf politischem Parkett wusste Emil Krabler sich zu bewegen. Er unterhielt Kontakte zu Kaiser Wilhelm II. und war beteiligt an der Ausarbeitung der heute bekannten Unfallversicherung.
Straßennamen waren Familiensache
Emil Krabler hatte Macht, war bestens vernetzt und genoss Ansehen. Viele Ehrungen wurden ihm zuteil, u.a. wurde ihm der preußische Kronen-Orden verliehen. Die Straßenehre in Brassert verdankt der Geheime Bergrat seinem Schwiegersohn. Paul Stein war mit Krablers Tochter Agnes verheiratet. Matthias Pothmann: „Als Brasserter Zechenbetreiber nutzte Stein seinen Einfluss, um in Marl die Vergabe von Straßennamen zu beeinflussen. Marl hatte damals nicht mal Geld, um die notwen- digen Straßen zu bauen. So konnte ihm die Gemeinde kaum die Mitbestimmung verwehren, be- zahlte die Zeche doch den Bau der gesamten Kolonie und ihrer Erschließung.“ Was läge dort näher als die Chance zu nutzen und seinem berühmten Schwiegervater ein Denkmal zu setzen? Die An- wohner Michael Jüde und Manfred Jurochnik jedenfalls freuten sich über so viel lokales Geschichts- wissen.
Projekt sucht weitere Spender
Die Krablerstraße ist mittlerweile die 37. Straße des Projekts. Seit 2018 hat die Bürgerstiftung rund 80 Zusatzschilder in Marl angebracht. Wenn weitere Straßen dazukommen sollen, sind alle Interes- sierten zu einer kleinen Spende aufgerufen. Ein Schild kostet etwa 100 Euro.
Autor:Pasch Gregor aus Marl |
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