Grimme Online Award 2016: Nominierte präsentiert

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Wie sehen sie aus, die „Perlen im Netz“ 2016? Am Donnerstag wurden die diesjährigen Nominierungen für den Grimme Online Award der Öffentlichkeit präsentiert – und lebhaft diskutiert: 28 herausragende Angebote im Web, die aus mehr als 1.200 Einreichungen herausgefiltert wurden.

„Das nennt man wohl ein Luxusproblem: aus einer Menge hochwertiger Angebote die Besten heraussuchen zu dürfen“, schreibt die Nominierungskommission in ihrem Statement. „Sowohl die Dichte aus inhaltlich wie formal gelungenen Onlineauftritten war hoch, als auch in besonderem Maß die Vielfalt an netzspezifischen Formaten: Vom Podcast über den Twitter-Account, das gute alte Blog, die inzwischen ausgereifte und weit verbreitete Multimedia-Reportage bis hin zum Meme aus der Kohlenstoffwelt war die Konkurrenz groß und leistungsstark.“
Allein in der Kategorie Information sind mit dem Twitterkanal „Straßengezwitscher“, der datenjournalistisch aufbereiteten Webseite „Airbnb vs. Berlin“ und dem Podcast „Technische Aufklärung“ die unterschiedlichsten Formate vertreten. In letzterem berichten zwei interessierte Überzeugungstäter über den Geheimdienst-Untersuchungsausschuss im Deutschen Bundestag. Kontinuierlich machen sie zum Thema, was uns vielleicht alle mehr angehen sollte. Einen ähnlichen Einblick – wenngleich zu einem völlig anderen Thema – verschafft der „dekoder“. Ausgewählte Recherchen, Reportagen und Projekte aus unabhängigen russischen Medien werden hier ins Deutsche übersetzt und so einem breiteren Publikum zugänglich gemacht. So gelingt das, was uns vielfach so schwerfällt: „Russland entschlüsseln!“

„Das Internet wird nicht nur zur Information, sondern auch und zurzeit verstärkt zur Desinformation genutzt“, beklagt hierbei die Nominierungskommission, deshalb sei jetzt die Auseinandersetzung und Aufklärung wiederum im Netz so wichtig: „schnell und jederzeit verfügbar und aus verlässlicher Quelle, deren Vertrauenswürdigkeit sich manchmal genau daraus speist, kein Verlagshaus, keine Partei und kein Digital-Promi zu sein“, so die Nominierungskommission in ihrem Statement.

Um Hintergrundinformationen zu einem – man darf wohl sagen epochalen – politischen und gesellschaftlichen Ereignis geht es auch bei „Opas Krieg“ und zwar dem ersten Weltkrieg. Christian Mack veröffentlicht die Feldpostkarten seines Großvaters, der als Infanterist an der französischen Front kämpfte. Die Feldpost geht ‚tagesaktuell‘, also 100 Jahre danach, online. So eröffnet „Opas Krieg“ den Blick auf ein Großereignis aus der Perspektive eines Individuums – Geschichte „von unten“.

Die Nominierungskommission kann dies nur gutheißen: „Das Netz zeigte in diesem Jahr seine Stärken auch im unmittelbaren Zugang zu Einzelschicksalen, über die die Hintergründe aus sehr persönlicher und damit subjektiver Perspektive und in Blitzlichtern beleuchtet werden.“

Um ein noch weiter zurückliegendes Ereignis geht es bei der „Jagd aufs Matterhorn“ der Schweizer NZZ: Die Webreportage beschreibt die Erstbesteigung des Matterhorns, die vor 150 Jahren mit dem Tod mehrerer Expeditionsteilnehmer endete. Mit Hilfe von 3D-Animationen gelingt hier auch gestalterisch ein ganz eigener Zugang.

Das gilt auch für „Klangökologie: Die Symphonien der Natur“ von der FAZ. Spezielle Klangvisualisierungen und eine interaktive Karte verknüpft mit einem informativen Text bringen hier Lebensräume rund um den Globus näher. Besonderheit: Die Natur wird förmlich zum Klingen gebracht. Mal knistern die Korallenriffs, mal sind die eigenartigen Laute der Fische zu hören – Wissenschaftsjournalismus einmal ganz sinnlich.

Auch die Nominierungskommission hat sich ganz besonders darüber gefreut „dass unterhaltende Angebote im Netz ihren Platz haben. Wenn sie dabei noch Wissen vermitteln – oder wissensvermittelnde Angebote auch unterhaltend sind – umso besser.“

Dafür liefert die App „Imagoras – Die Rückkehr der Bilder“ des Städel Museums das beste Beispiel. Von der Dunkelheit verschluckte Bilder müssen wieder zurück ins Reich der Farben gebracht werden. So lernen Kinder auf spielerische Weise, Kunstwerke genau zu betrachten und ihre Vorstellungskraft einzusetzen. So funktioniert zeitgemäße Kunstvermittlung, die auch Erwachsene anspricht. Generationsübergreifend vermag auch der Twitterkanal „@schafzwitschern“ des Wanderschäfers Sven de Vries zu begeistern. Er erzählt vom stets naturnahen Leben mit rund 1.000 Schafen und den Hütehunden Bebi und Pitu. Und natürlich antwortet der Wanderschäfer dabei auf Fragen seiner Follower, schließlich sprechen wir über Social Media. Extra für Kinder sind die Antworten mit dem Hashtag: #Lammwillwissen.

Beim Grimme Online Award funktioniert aber auch Unterhaltung ohne Wissensvermittlung. Ein ungewöhnliches Format hat die Nominierungskommission mit „Puerto Patida“ gefunden: ein interaktives
Live-Rollenspiel als Podcast. Wer hier mitmacht muss innerhalb von 60 Minuten alle Rätsel lösen, sonst wird er vom Gourmet-Kannibalen verspeist. Wenn das keine Motivation ist!

„Herausragendes Publizieren ist manchmal auch einfach Kunst“, stellt dann auch die Nominierungskommission fest, „als verspielte App, als Playlist mit Animationsvideos und Bildungsauftrag oder wenn Street-Art mit Haltung zum Meme-Fixstern wird. Gerade in bewegten Zeiten.“

Letzteres bezieht sich auf eine Nominierung der Kategorie Spezial: „Barbara.“ hinterlässt Spuren im öffentlichen Raum, kleine Botschaften an Reklame, Graffiti oder auch Verkehrsschildern, geteilt auf Facebook. Wer sich allerdings hinter dem Namen verbirgt, bleibt ein Geheimnis.

Ebenfalls unter den Nominierungen dieser Kategorie ist gleich das ganze Interaktiv-Team der Berliner Morgenpost. Beständig experimentieren sie mit interaktiven Grafiken, Karten, Anwendungen oder Storytelling-Formaten, um aus Zahlen und Daten Geschichten zu erzählen. Jan Böhmermann hingegen ist für seine persönliche Leistung nominiert, also das Bespielen seiner nahtlos verzahnten Online-Präsenz.

Und wie geht es weiter? Aus den insgesamt 28 Nominierungen zum Grimme Online Award wird die Jury nun bis zu acht Preisträger ermitteln. Auch das Publikum kann über einen Preis entscheiden: Bis einschließlich 16. Juni 2016 kann jeder Internetnutzer auf der Website von TV Spielfilm unter www.tvspielfilm.de/grimme für den Publikums-preis abstimmen und an der Verlosung zweier hochwertiger Samsung-Tablets teilnehmen. TV Spielfilm stellt wie in den Vorjahren die Voting-Plattform für den Publikumspreis zur Verfügung und begleitet den Wettbewerb publizistisch.

Bei der Preisverleihung wird auch der Gewinner des „klicksafe Preises für Sicherheit im Internet“ ausgezeichnet. Die EU-Initiative „klicksafe“ prämiert – in Zusammenarbeit mit der Stiftung Digitale Chancen – Angebote, die sich in vorbildlicher Weise für „Courage im Netz“ einsetzen und über Risiken und angemessenes Nutzerverhalten im Netz informieren.

Autor:

Siegfried Schönfeld aus Marl

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