Ausstellung „Barbara Hammer: Would you like to meet your neighbor?“ im Skulpturenmuseum Marl
Am Sonntag (5.3.) um 12 Uhr wird die Ausstellung „Barbara Hammer: Would you like to meet your neighbor?“ im Skulpturenmuseum Marl erüffnet. Mit der Ausstellung zu Barbara Hammer nimmt das Museum auch selbst eine Pionierstellung ein: so stellt die Schau in Marl eine der ersten institutionellen Soloausstellungen zu Hammers Oeuvre in Deutschland dar.
Wo stehen wir eigentlich heute?
– Eine von vielen, aber zeitgleich zentralsten und aktuellsten gesellschaftspolitischen Fragen, die merkwürdiger Weise weniger auf das Jetzt abzielt, sondern streng genommen immer eine Rückschau auf bereits Geschehenes bedeutet. Dabei ist die Frage an sich bereits von Beginn an zum Scheitern verurteilt, da sie zu unkonkret bleibt, um den jeweiligen gesellschaftlichen Status Quo adäquat und allumfassend abbilden zu können.
RADIKAL-FEMINISTISCHER ZEIGEFINGER
Dennoch wagt es die amerikanische Künstlerin Barbara Hammer (1939–2019) in ihrem filmischen Gesamtwerk beständig diese Frage aufzuwerfen und nutzt ganz bewusst und offensiv ihre Unbeantwortbarkeit. Ende der 1960er-Jahre entstanden ihre ersten Experimentalfilme, in denen Hammer autobiografisch ihren Stand als offen homosexuelle Person innerhalb einer amerikanischen Gesellschaft, aber auch vor sich selbst befragt. Ihre Erzählweise und die Art der Verhandlung virulenter gesellschaftlicher Themen sind vielschichtig und komplex – und durchaus sehr mutig. Offen, ironisch, optimistisch, lebensfroh und explizit enttabuisiert sie (männlich) doktrinäre Normative ohne einen radikal-feministischen Zeigefinger zu erheben. Ihre Arbeiten sind genreübergreifend, ihre Bildsprache und Ästhetik mal inszeniert und gesetzt, mal improvisiert und performativ, dokumentarisch oder fiktional.
AUSEINANDERSETZUNG MIT WEIBLICHER LEBENSREALITÄT
Barbara Hammer gilt als Pionierin des queeren Films – ihre beständige Auseinandersetzung mit einer allgemeinen weiblichen Lebensrealität geht allerdings weit darüber hinaus. Selbstbewusst und ungeschönt lässt sie uns teilhaben an ihrer patriarchalischen Vaterbeziehung, den öffentlichen Aids-Debatten der 1990er-Jahre und ihrer Krebserkrankung. Das Skulpturenmuseum Marl zeigt einen Querschnitt aus ihrem 50 Jahre umspannenden Werk und bietet schlaglichtartig einen Blick auf die Entwicklung ästhetischer und narrativer Mittel der Film- und Videokunst. Gleichzeitig zeichnet sich in dem in Marl ausgestellten Material ein vager Zwischenbericht einer gesellschaftlichen Debatte ab, die es tagesaktuell noch immer zu verhandeln gilt.
VIDEOGRAFISCHES PANORAMA AN PERSONEN
Mit dem Titel Barbara Hammer: Would you like to meet your neighbor? verweist das Museum auf eine Videoarbeit, die im Museum innerhalb der Ausstellung zu sehen sein wird. Die gleichnamige Performance und Videoarbeit Would you like to meet your neighbor? A New York Subway Tape aus dem Jahr 1985 erfragt die grundlegende Bedeutung des öffentlichen Raumes sowie versteckte Formen von Gemeinschaft im urbanen Alltag. Auf eindrückliche Weise formt Hammer ein videografisches Panorama an Personen in der New Yorker Subway, die trotz der individuellen Diversität während des gemeinsamen und anonymen Fahrens zu einer konformen Gruppe mutieren. Ihre gegenseitige Fremdheit nimmt Hammer zum Anlass, mit konkreten und humorvollen Handlungsanweisungen zum Dialog zu bitten und die unterschiedlichen sozialen Momente videografisch zu dokumentieren. Zwar vermag die Videoqualität der 1980er Jahre zunächst eine Momentaufnahme aus der Vergangenheit zu sein, doch bleibt die Frage nach der Bedeutung von Gemeinschaft im urbanen Raum in Zeiten der Smart Devices eine aktuelle: Wo stehen wir eigentlich heute?
Nach einer Begrüßung durch die Stadt Marl, wird Museumsdirektor Georg Elben eine thematische Einführung in die Ausstellung geben.
Barbara Hammer: Would you like to meet your neighbor?
5. März – 18. Juni 2023
Eröffnung: Sonntag, 5. März 2023, 12 Uhr, Skulpturenmuseum Marl an der Martin-Luther-King Schule, Georg-Herwegh-Straße 63-67, 45772 Marl
Autor:Siegfried Schönfeld aus Marl |
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