Europaweite Nummer für Notrufe 112, ein Tag in der Feuerwehr-Leitstelle des Kreises Recklinghausen
Die 112 ist europaweit der direkte Draht zu schneller Hilfe. Um die Notrufnummer noch bekannter zu machen, hat die Europäische Kommission den 11. Februar, passend zum Datum (11.2.), zum "Europäischen Tag des Notrufs 112" erklärt.
Gut 1.900 ehrenamtliche und über 650 hauptamtliche Retter gibt es im Kreis Recklinghausen. "Dazu kommen die vielen Freiwilligen bei den Hilfsorganisationen, auf die wir ebenfalls zählen können", sagt Kreisbrandmeister Robert Gurk.
Sturmtief Sabine
Seit Sonntag, als Sturmtief Sabine die ersten stürmischen Böen schicke, haben im Kreis Recklinghausen über 200 Menschen die 112 gewählt. Die Feuerwehren rückten zu mittlerweile 220 wetterbedingten Einsätzen aus.
Im Notfall zählt jede Sekunde
Vor allem bei Menschenrettung und Feuer: Im Notfall zählt jede Sekunde. Darum ist es gut, die 112 als europaweit einheitliche Notrufnummer zu kennen und schnell Hilfe rufen zu können.
Verhalten im Notfall Wer über die 112 einen Notfall meldet, sollte vor allem Ruhe bewahren. Die Leitstellen-Disponenten im Kreis Recklinghausen lotsen die Anrufer mit Fragen durch das Telefonat.
Wie es hinter den Kulissen in der Feuerwehr-Leitstelle des Kreises Recklinghausen aussieht, haben wir in einer Reportage festgehalten:
„Notruf Feuerwehr und Rettungdienst. Aus welcher Stadt rufen Sie an?“
Hinter den Kulissen der Feuerwehr-Kreisleitstelle
Ein melodisches Klingeln ertönt. Nur wenige Sekunden, schon ist Markus Terwellen am Apparat: „Notruf Feuerwehr und Rettungsdienst. Aus welcher Stadt rufen Sie an?“ Er ist einer von 46 Disponenten in der Feuerwehrleitstelle des Kreises Recklinghausen. Zielgerichtet und mit ruhiger Stimme leitet er den Anrufer durch das Telefonat. Eine Frau hat schwere Blutungen, meldet der Mann am anderen Ende der Leitung.
„Atmet die Frau?“ Mit wenigen Fragen versucht der erfahrene Feuerwehrmann, ein Bild von der Lage zu bekommen, um genau die Maßnahmen einzuleiten, die notwendig sind. „Unser Ziel ist, immer die passenden Einsatzmittel zu schicken“, sagt Markus Terwellen hinterher. In diesem Fall einen Rettungswagen und einen Notarzt – mit Sondersignal, also mit Martinshorn und Blaulicht.
Vater musste vor Ort als Hebamme einspringen
Was aus der Person wird, erfahren die Disponenten üblicherweise nicht. In einem Fall aber weiß Markus Terwellen, dass alles gut ausgegangen ist. Es war eine Geburt, die er am Telefon begleitet hat: „Der Vater des Kindes hatte eigentlich nur angerufen, um zu fragen, in welches Krankenhaus in Marl sie fahren könnten. Eigentlich wollten sie nach Datteln, aber er wusste, dass die Fruchtblase schon geplatzt war. Das Köpfchen schaute auch schon raus. Da gab es keine Alternative mehr, der Vater musste vor Ort als Hebamme einspringen, ich bin per Telefon dabei geblieben bis die Kollegen vom Rettungsdienst am Geburtsort übernommen haben. Da war das Baby allerdings schon gesund und munter auf der Welt.“
Es gibt Fälle, in denen die Disponenten am Telefon bleiben bis die Rettungskräfte vor Ort eintreffen. Wie in dem Fall der Geburt. Aber auch, wenn sie ein Reanimation anleiten.
Alltag eines Leitstellen-Mitarbeiters
Während der Leitstellen-Mitarbeiter telefoniert oder funkt, leuchtet die „Ampel“ an seinem Arbeitsplatz rot. Das Signal für alle anderen, dass er gerade nicht für andere ansprechbar ist. Geht ein neuer Anruf ein, leuchten an allen Arbeitsplätzen die orangefarbenen Lampen – bis einer der Disponenten den Anruf übernimmt. Braucht ein Kollege Unterstützung, kann er ein Blitzlicht aktivieren. „Dann kann sich jemand zusätzlich in das Telefonat einklinken und beispielsweise Kontakt zu Polizei oder Krankenhaus aufnehmen – oder ganz simpel helfen zu verstehen, was der Anrufer sagt, wenn er kein Deutsch oder nur sehr schlecht Deutsch spricht“, berichtet Markus Terwellen aus dem Alltag eines Leitstellen-Mitarbeiters.
Wenn alles planmäßig läuft, sind sieben Disponenten und ein Wachabteilungsleiter auf einer Schicht. Kurzfristige Erkrankungen machen aber auch vor Feuerwehrleuten nicht halt. „Das ist aber alles machbar“, sagt Claas-Marvin Erwig. Er ist verantwortlicher Wachabteilungsleiter und plant gerade den Personaleinsatz für die nächsten Tage.
Erfassung der Einsatzdaten
Heute gibt es keinen Engpass. Alle sechs Plätze sind an diesem Morgen besetzt. Doch die Telefone klingeln gerade erfreulich selten. Zeit für die Kollegen, die Stühle zur Mitte zu drehen und auch mal ein bisschen miteinander zu sprechen. Die „Pause“ hält nicht lange. Nur wenige Minuten später sind fünf Leitungen belegt, schauen die Mitarbeiter wieder aus dem Rund heraus auf ihre sechs Bildschirme. Einer zeigt, welche Stationen in welchem Krankenhaus frei oder belegt sind. Einer ist für die Erfassung der Einsatzdaten. Gleich daneben erscheint automatisch eine Karte, die den eingegebenen Ort zeigt. Auf der anderen Seite steht zusätzlich ein Display für die Kommunikation. Nur ein Fingertipp und schon steht die Leitung zu einer Feuerwache, einer anderen Leitstelle im Umfeld, dem Giftnotruf, Krankenhäusern oder zu der Zentralen Verteilungsstelle für Verbrennungsbetten in Hamburg.
Wieder werden Rettungssanitäter und Notärzte auf die Reise geschickt, um vor Ort Hilfe zu leisten. Eine Tür muss an diesem Morgen aufgebrochen werden, in einem Supermarkt ist ein Kunde zusammengebrochen. Eine Brandmeldeanlage an einer Schule hat Alarm geschlagen. Ein ganz
normaler, ruhiger Morgen für die Wachabteilung.
Ansprechpartner in der Not
„Das ist es, was den Reiz an dieser Arbeit ausmacht: Man weiß nie, was einen erwartet, wenn das Telefon klingelt. Aber wir sind Ansprechpartner in der Not und können in den allermeisten Fällen dafür sorgen, dass den Menschen geholfen wird. Für die richtige Einschätzung der Lage ist die praktische Einsatzerfahrung aus der Arbeit von Feuerwehr und Rettungsdienst eine wichtige Grundlage“, sagt Markus Terwellen.
Feuerwehrwachen rund um die Uhr einsatzbereit
360 Notrufe gehen im Schnitt pro Tag bei der Kreisleitstelle ein, 130.000 in einem Jahr. Hinzu kommen jährlich 37.000 Anrufe für den Krankentransport und 115.000 Anrufe über die Amtsleitung, beispielsweise von anderen Behörden. Die Disponenten können auf fast 700 Feuerwehreinsatzkräfte zugreifen, die in unterschiedlichen Schichten an den Feuerwehrwachen rund um die Uhr einsatzbereit sind. Diese werden von 1.900 ehrenamtlichen Feuerwehrfrauen und –männern aus den unterschiedlichen Löschzügen unterstützt. Alles für die Sicherheit der über 620.000 Menschen im Kreis Recklinghausen.
WarnApp NINA
„Die Größe des Kreises ist vor allem bei Unwetterlagen eine besondere Herausforderung, weil dann hunderte Anrufe gleichzeitig eingehen. Für diese Fälle haben wir sechs sogenannte Überlaufplätze, an denen ebenfalls Notrufe entgegen genommen werden können. Über die WarnApp NINA und die kreiseigenen Kommunikationskanäle informieren wir in solchen Situationen die Menschen im Kreis“, sagt Brandamtsrat Lars Jesse, stellvertretender Leiter der Kreisleitstelle.
Die Kreisleitstelle in Zahlen:
52 Mitarbeiter*innen (48 Stunden arbeiten Disponent*innen im Schnitt pro Woche)
130.000 Notrufe / Jahr
37.000 Anrufe Krankentransport / Jahr
115.000 Anrufe jährlich über die Amtsleitung (Zusammenarbeit mit anderen Behörden und Organisationen)
10.200 Einsätze für die Feuerwehren im Kreisgebiet
114.000 Einsätze für den Rettungsdienst
33.000 Einsätze für den Krankentransportwagen
698 Brandmeldeanlagen sind in der Leitstelle aufgeschaltet
1600 mal haben die Brandmeldeanlagen im letzten Jahr ausgelöst
mit 15 Krankenhäusern steht das Leitstellenteam in ständigem Kontakt
Die Leitstelle koordiniert und alarmiert im Kreisgebiet
10 Feuerwehren
24 Rettungswagen
10 Notarztwagen
22 Krankentransportwagen
Rettungshubschrauber
Autor:Siegfried Schönfeld aus Marl |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.