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Mini-Diebstähle oder Beschaffungskriminalität?

Es ist fast zwei Jahre her, das die Staatsanwaltschaft Arnsberg Strafanzeige gegen einen 78jährigen erstattet hat und Amtsrichter Wefers aus Menden sich „ein persönliches Bild von dem Angeklagten“ machte. „ Mit Blick auf das fortgeschrittene Alter des Angeklagten, sagt Wefers: „Wenn jemand wie Sie zum zweiten Mal innerhalb von zwei Jahren auffällt, dann wundert mich das.“
78jähriger wegen 1,75 € vor Gericht

„Richter Wefers appelliert vehement an die Vernunft des Mannes. Wenn er weiter stehle, müsse er trotz seines Alters mit Haft rechnen: „Sie riskieren, für insgesamt 8,75 Euro einzusitzen.“
WP

Der Artikel von Arne Poll verrät auch das Strafmaß: 400 Euro Geldstrafe für 1,75 € für den Wiederholungstäter. Demnach war der erste Diebstahl aus Januar 2014 auf 7,00 € begrenzt. Damals war das Strafmaß für den Ersttäter? auf 600 Euro festgesetzt worden.

Tausend Euro Bußgeld für Frischkäse und Bildzeitung, da ist die Neugierde geweckt, welches Diebesgut bei der ersten Verurteilung im Thema stand.
Und dass ein verhinderter Diebstahl im Wert von 1,75 Euro überhaupt vor Gericht landet, weckte mein Interesse, so dass ich mich um eine anonymisierte Urteilskopie bemühte.

Am 20.09.2017 wandte ich mich an das zuständige Amtsgericht Menden (Sauerland). Erst nach mehrmaliger Nachfrage verwies mich der Direktor des Amtsgerichts Jung an die aktenführende Staatsanwaltschaft Arnsberg, „die auskunftszuständig ist“. Auch das Az.120 Js 837/17 wurde erst auf Nachfrage benannt. Am 06.11.2017 wurde das Urteil bei der Staatsanwaltschaft Arnsberg angefordert. Am 01.12.2017 wurde mitgeteilt, dass eine Urteilsübersendung nicht erfolgt, „weil ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 475 StPO nicht erkennbar ist.“ Auch das war nur ein Täuschungsversuch der im offenen Widerspruch höchstrichterlicher Rechtsprechung steht.

Die nächste Station meiner Recherchen führte am 31.12.2017 an die Adresse der Generalstaatsanwaltschaft Hamm. Unter Berufung auf höchstrichterliche Rechtsprechung zu Veröffentlichungspflichten von Gerichtsentscheidungen (BVerwG, 6 C 3.96, Urteil vom 26.02.1997 ; BVerfG, 1 BvR 857/15, 14.09.2015  , und BGH, IV AR(VZ) 2/16, 05.04.2017 )

Der Leitende Oberstaatsanwalt Arnsberg Schlotmann verweigerte die Veröffentlichung ebenfalls. Zumindest bis heute.
IFG

„Sobald die technischen Voraussetzungen in der jeweiligen Behörde vorliegen, kann die Rechtsprechungsdatenbank mit den erforderlichen Entscheidungen beliefert werden. Sämtliche Gerichte in Nordrhein-Westfalen sind dann verpflichtet, ihre Entscheidungen, an denen ein öffentliches Interesse besteht, in die Rechtsprechungsdatenbank NRWE (Internet) einzustellen.“
Ministerium der Justiz des Landes NRW, 14.05.2003, Az. 1544-JK 17
fragdenstaat.de

Autor:

Ulrich Wockelmann aus Iserlohn

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2 Kommentare

Ulrich Wockelmann aus Iserlohn
am 11.06.2019 um 09:07
Kommentar wurde am 11. Juni 2019 um 09:08 editiert

Diebstahl ist eine Straftat - Vertuschung durch Gerichte, Staatsanwaltschaften und Generalstaatsanwaltschaften sind ein Skandal.

Art 3 (1) GG Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

Ulrich Wockelmann aus Iserlohn
am 27.04.2020 um 15:37

Aber mit Schreiben vom 14.04.2020 teilte die Oberstaatsanwaltschaft Hamm mit:

„Das Urteil des Amtsgerichts Menden im Verfahren 120 Js 837/17 vom
12.09.2017 ist zwischenzeitlich anonymisiert in die Datenbank NRWE
eingestellt worden und kann dort recherchiert werden.“

Link zum Urteil: 17 Cs-120 Js 837/17-170/17

oder auf beispielklagen.de