Tania Kambouri: Eine Polizistin schlägt Alarm!
„Deutschland im Blaulicht - Notruf einer Polizistin“ ist der Titel eines aktuell intensiv diskutierten Buches. Die Bochumerin Tania Kambouri hat es geschrieben und prangert ungeschminkt die zunehmende Respektlosigkeit und wachsende Gewalt vor allem durch männliche Migranten gegenüber der Polizei an.
„Ich möchte nicht lange um den heißen Brei herumreden: Gerade mit Migranten aus muslimisch geprägten Ländern gibt es die größten Schwierigkeiten, allen voran mit jungen Männern“.
Tania Kambouri bringt es auf den Punkt, so wie Themen in ihrer Ruhrgebietsheimat meist angesprochen werden: geradeheraus, ohne Wenn und Aber, ohne taktisch oder politisch motiviertes Geplänkel. Ihren Unmut über die stetig anwachsende Zahl verbaler und körperlicher Übergriffe auf sie selbst und ihre Kollegen formulierte sie 2013 in einem Leserbrief an die Gewerkschaftszeitung „Deutsche Polizei“. Die überwiegende Mehrzahl ihrer Kollegen fand sich in diesem Brandbrief bestens vertreten und ermutigte die Tochter griechischer Einwanderer, ihre Kritik in die Öffentlichkeit zu tragen.
Hier schlägt das Buch – dessen Erscheinungstermin tatsächlich zufällig mit dem immensen Zustrom an Flüchtlingen zusammenfällt – die erwartet hohen Wellen. Von intensiver Zustimmung bis schärfster Kritik ist alles dabei, von „kulturrassistischen Äußerungen“ zum „großen Lob für Mut und Courage“.
Sie waren kürzlich in der Fernsehsendung „Menschen bei Maischberger“ zu Gast. Dort hieß das Thema „Neue Heimat: Wie verändern Flüchtlinge unser Land?“. Flüchtlinge sind ja nicht das Kernthema Ihres Buches. Fühlten Sie sich dort an der richtigen Adresse?
Teils, teils. Ich habe mich dort sehr zurückgenommen, weil es in der Tat vor allem um die Flüchtlings-Thematik ging. Auf der anderen Seite kommen nun viele Menschen ins Land, denen man idealerweise sehr frühzeitig verdeutlichen sollte, auf welcher Basis das Zusammenleben in diesem Land funktioniert.
Wie fielen die Reaktionen aus?
Die Resonanz war enorm und sie war zu 95 Prozent positiv. Auch sehr viele Migranten haben meinen Auftritt begrüßt, wie sie auch mein Buch begrüßen. Klar gibt es auch Muslime, die fanden es nicht so toll.
Beschreiben Sie bitte noch einmal die Motivation zum Buch?
Ich habe nach meinem erwähnten Leserbrief an die Gewerkschaftszeitung eigentlich keine Absichten gehabt, an die große Öffentlichkeit zu gehen. Damals kamen aber bereits die ersten Interview-Anfragen. Ich habe es abgelehnt, ebenso eine erste Buch-Anfrage. Doch nach vielen Diskussionen und der großen Ermunterung durch meine Kollegen habe ich mich letztlich entschlossen, ein Buch zu schreiben. Ich will die enorme Respektlosigkeit gegenüber uns Polizisten, die vor allem von dem genannten Personenkreis ausgeht, zur Sprache bringen. Wir laufen Gefahr, die Hoheit auf unseren Straßen zu verlieren! Wir stoßen auf einen stetig steigenden Widerstand, der in sehr großem Maße von männlichen muslimisch geprägten Migranten ausgeht. Wenn zum Beispiel Kollegen bei einem brisanten Fußballspiel eingesetzt sind, rechnet man mit größerer Gegenwehr, sodass man durch Beurteilung der Lage gut einschätzen kann, was auf einen zukommt. Inzwischen haben wir es aber auch im alltäglichen Streifendienst bei Routinekontrollen mit dem zunehmenden Widerstand, mit sich häufenden Angriffen und entsprechenden Verletzungen sowie mit gravierender Respektlosigkeit zu tun. Das prangere ich an!
Kann sich nach Ihrer Einschätzung hierzulande einen derartigen „Notruf“ nur eine Person mit Migrationshintergrund erlauben, ohne in den Generalverdacht des Rassismus zu geraten?
Vermutlich hätten sich viele deutschstämmige Kollegen schwerer getan. Ich hätte es nun aber so oder so gemacht! Weil es thematisiert werden muss! Andersherum betrachtet:
In Deutschland wird allzu schnell die „Rassismuskarte“ gespielt
Weil ich eine Frau mit Migrationshintergrund bin, soll ich dürfen, was andere nicht dürfen? So kann es nicht sein! Wo bleibt da die Gleichbehandlung? In Deutschland wird allzu schnell die „Rassismuskarte“ gespielt, wenn Missstände zur Sprache gebracht werden.
Der Bochumer Kreisverband der Partei „Die Linke“ wirft Ihnen eine „Verunglimpfung“ der etwa 30 000 Bochumer Muslime vor und bezichtigt Sie des „Rassismus“. Was entgegnen Sie?
Ich habe in meinem Buch in keinster Weise pauschalisiert. Ich pauschalisiere auch darüber hinaus nicht. Ich habe natürlich mit Kritik gerechnet – solche Anschuldigungen sind allerdings lächerlich. Ich bin eine Griechin mit zwei Pässen, die in Deutschland lebt und beide Länder liebt. Meine beste Freundin ist Türkin. Da werden ideologisch geprägte Äußerungen getätigt von Menschen, die die Realität auf der Straße nicht kennen oder negieren. Von den politisch in der Mitte stehenden Parteien würde ich mir wünschen, dass sie sich auch einmal zum Thema positionieren.
Immer wieder einmal wird gegen die Polizei der Vorwurf erhoben, dass Maßnahmen – abgesehen von offenkundigen Vergehen – auch durch eine offensichtlich fremdländische Herkunft ausgelöst werden.
Stimmt nicht! Allein durch unsere Ausbildung verfügen wir über eine ausgeprägte Menschenkenntnis. Gestik, Mimik und die gesamte Körpersprache geben den Ausschlag dafür, wen wir als kontrollwürdig betrachten. Hautfarbe, Aussehen und andere Dinge spielen dabei überhaupt keine Rolle.
Wie sieht es mit Lösungsansätzen aus? Würden Sie etwa eine Chance darin sehen, grundgesetzachtende männliche Muslime aufzufordern, auf andere Muslime im Sinne des Landes, in dem sie leben, einzuwirken?
Das klingt super, kann ich mir aber in der Praxis schlecht vorstellen. Wir leben in einem Rechtsstaat, wir haben Gesetze und die Polizei zählt zur Exekutive. Wer dies nicht achtet, muss zur Verantwortung gezogen werden. Man hat sich in dem Land, in dem man lebt, anzupassen! Das geht selbstverständlich auch, ohne die eigene Identität aufzugegeben. Meine Eltern wanderten aus Griechenland ein, bekamen weder Sprachkurse noch sonstige Spezialprogramme. Sie haben sich schlicht eingegliedert. Kinder und Jugendliche orientieren sich an den Größeren, an den Erwachsenen, den Eltern. Wenn sie sehen, dass deren Fehlverhalten nicht entsprechend geahndet wird, machen sie es nach. Wir erleben über den bloßen Widerstand hinaus immer mehr Gewalt, schwere Körperverletzungen. Es werden immer mehr Intensivtäter. Gegen sie helfen nur klare Sanktionen und Abschreckung. Solche „Laufbahnen“ müssen gestoppt werden, da muss buchstäblich „hineingegrätscht“ werden. Ich habe im letzten Monat zwei Widerstände erlebt, die mir Verletzungen eingebracht haben.
Sie sprachen die Sanktionen an. Wie schätzen Sie die Judikative ein, reagieren Gerichte angemessen?
Es frustriert einen schon sehr, wenn ein Täter, den wir unter Einsatz der eigenen Gesundheit festgenommen haben, schnell wieder auf freiem Fuß ist.
Ich befürworte den Einsatz von „Body Cams“
Richter entscheiden nach Aktenlage. Ich befürworte den Einsatz von „Body Cams“, einer Aufzeichnung unserer Einsätze mit Ton und Bild. Da ließe sich beweisen, wie sehr Einsätze oft eskalieren. Wenn dann noch ein Mensch, den wir bereits mehrfach auf dem Schirm hatten, zu „Anti-Aggressionsstunden“ verurteilt wird, lacht der sich bestenfalls kaputt.
In der Fernsehsendung von Sandra Maischberger hielt Ihnen der Publizist Jakob Augstein sinngemäß vor: „If you can’t stand the heat, don´t go into the kitchen.” Zu deutsch: „Wenn Du die Hitze nicht aushältst, gehe nicht in die Küche.” Was denken Sie darüber?
Da fehlt mir jedes Verständnis. Herr Augstein redet damit die Probleme klein, wie er überhaupt in dieser Sendung versuchte, vieles abzuwiegeln. Herr Augstein sitzt an seinem Schreibtisch und hat keine Ahnung von dem, was draußen abgeht!
In Duisburg, in Essen und auch in Dortmund gibt es inzwischen Problemstadtteile, die stellenweise wie „rechtsfreie Räume“ wirken. Polizeibeamte werden regelmäßig attackiert. Stellen Sie so etwas auch in Bochum fest?
Gott sei Dank gibt es hier noch keine „No-go-Areas“. Wir werden auch schon mal zur Unterstützung in Nachbarstädten angefordert, in der Dortmunder Nordstadt konnte ich richtig üble Erfahrungen machen. Hier schlägt den Kollegen mit großer Regelmäßigkeit eine massive Aggressivität entgegen. Genau so etwas dürfte es eben nicht geben. Es ist auch Ausdruck der sich verschiebenden Gewichte: Immer weniger Streifenbeamte stehen immer mehr Intensivtätern gegenüber. Bei uns wird immer mehr abgebaut, das ist katastrophal.
Eine allgemeinere Frage zum Schluss. Polizisten werden ausschließlich gerufen, wenn es Probleme gibt. Die Stimmung dürfte entsprechend meist wenig erfreulich, angespannt bis hin zu feindselig oder aggressiv sein. Würden Sie noch einmal den Job als Streifenpolizistin anstreben? Wird man in diesem Job zwangsläufig irgendwann zum Zyniker?
Bereits in der Schule sagten meine Mitschüler: Tania geht bestimmt mal zur Polizei. Ich habe mich schon zu Schulzeiten für die Schwächeren eingesetzt, von den Großen auf dem Schulhof rigoros geklaute Bälle zurückverlangt und auch bekommen. Ich gehe resolut dazwischen bei Konflikten, das entspricht meinem Charakter. Alle Kollegen wussten vorher, auf welchen Beruf sie sich beworben haben. Unter dem Strich helfen wir den Menschen, das ist für mich ein ganz entscheidender Punkt. Klar: Ich habe einen ausgeprägten Beschützerinstinkt, sicher auch einen entsprechenden Gerechtigkeitssinn. Ich hoffe, ich kann noch lange weiterkämpfen! Was den Zynismus betrifft: Die Gefahr ist tatsächlich groß, dahin zu kommen, und ist sicher vielen Kollegen schon passiert. Jeder von uns ist stets bemüht, in jede neue Situation neutral reinzugehen. Aber eines sollte bitte nicht vergessen werden: Wir sind Menschen. Und wollen auch als solche behandelt werden.
Das Buch: „Deutschland im Blaulicht - Notruf einer Polizistin“
„Deutschland im Blaulicht - Notruf einer Polizistin“ ist am 5. Oktober im Piper-Verlag erschienen. Als einen „authentischen Bericht aus dem Polizeialltag“ bezeichnet Arno Plickert (Gewerkschaft der Polizei, Nordrhein-Westfalen) das Buch. Pressestimmen: „Sie berichtet ebenso schonungslos über ihren Berufsalltag wie sie mit den ´sozialromantischen Anhängern eines unkritischen Multikulti abrechnet.“ (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung). „Das Buch ist ein Weckruf – und schafft es zugleich, ohne die geringsten Ressentiments auszukommen.“ (deutsche-wirtschaftsnachrichten.de). Das Buch umfasst 224 Seiten, ISBN: 978-3-492-06024-0.
Kommentar: Der Rechtsstaat ist gefordert
Flüchtlingssituation: Zerrissenheit - auch innerhalb der Polizei
Autor:Marc Keiterling aus Essen |
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