Schärfere Regelungen beeinträchtigen erneut das Gastro-Geschäft
Optimismus, Durchhalteparolen, Verzweiflung: Rü-Gastronomen in der Pandemie
Der Himmel ist bedeckt an diesem Wochenende, es regnet jedoch nur selten. Dieses Wetter scheint sinnbildlich für die Stimmung der Rüttenscheider Gastronomen zu stehen: “Was sollen wir machen - wir müssen irgendwie durchhalten!”
Die zweite Corona-Welle hat Essen fest im Griff und täglich gibt es neue Regelungen und Einschränkungen im täglichen Leben. Fast immer haben diese direkten Einfluss auf die Gastronomie-Szene in der Stadt. Auf einer Sorgen-Skala von 1 bis 10 reihen sich die Befragten dennoch alle im Mittelfeld ein. Rund 30 bis 40 Prozent weniger Gäste verzeichnen sie, so schätzen die Café- und Restaurantbetreiber, weil weniger Menschen unterwegs sind.
“Das To-go-Geschäft läuft aber ganz gut”, so der Betreiber einer Eisdiele, der nicht genannt werden möchte. Sein Kollege Mahmoud Alsan aus dem Pistachio an der Zweigertstraße schließt sich dieser Einschätzung an. Er hat sein Geschäft erst vor zwei Wochen eröffnet, besitzt jedoch langjährige Gastro-Erfahrung an gleicher Stelle. “Für mich stand ein Branchenwechsel nicht zur Diskussion”, sagt er und bedient eine Stammkundin mit den Worten: “Wie immer?” Kundenservice schreibt er gerade in diesen Zeiten besonders groß und wärmt den mitgebrachten To-go-Becher der Kundin vor dem Kaffee-Einfüllen mit heißem Wasser auf.
Auch Dennis Lauenroth aus dem Zucca zeigt sich entspannt angesichts der Corona-Lage, obwohl die Gästezahlen in den letzten Tagen erneut zurückgingen: “Ich bestelle weniger frische Ware, dafür häufiger. Das haben wir aus den Erfahrungen im März gelernt. Ansonsten berücksichtigen wir die Vorgaben wie Abstand, Maskenpflicht, Personenanzahlen und die Sperrstunde, wenn sie gilt.” Persönlich glaubt Lauenroth, dass sich eine Infektion langfristig für niemanden umgehen lässt. “Mir ist wichtig, dass es meiner Frau und meiner Tochter gut geht. Sie soll nicht ohne Mutter aufwachsen”, so Lauenroth und an dieser Stelle zeigt sich doch die Sorge. "Zum Glück habe ich einen tollen Arbeitgeber, der uns sehr unterstützt.” So kann er, bei Schließungen des Kindergartens seiner Tochter, die Spätschicht übernehmen und sich so die Kinderbetreuung mit seiner Frau aufteilen.
Stammgäste kommen weiterhin
Yu-Jin Chung, Betreiberin des Gin&Jagger, kann sogar an der Sperrstunde etwas Positives sehen: “Immerhin sind wir früher zuhause und haben mehr Zeit für die Familie.” Grundsätzlich betrachtet sie die Corona-Situation Essen jedoch kritisch: “Ich habe keine Angst. Aber die ständigen Änderungen und die damit einhergehende Unsicherheit bei den Gästen ist schwierig. Am Wochenende bricht uns durch die Schließung um 23 Uhr ein Großteil des Geschäfts weg. Unsere Küche schließt allerdings auch sonst um 22 Uhr.” Ihre Stammgäste kämen jedoch weiterhin regelmäßig: “Sie vertrauen uns. Aber wir haben natürlich einfach weniger Tische. Daher können wir diese jeweils nur für zwei Stunden reservieren. Wir sind eben ein Wirtschaftsbetrieb und machen die Gastronomie nicht nur zum Spaß."
Die Gästen hätten mehrheitlich Verständnis für dieses Vorgehen, so sagt sie und berichtet, dass sie nun erneut Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken musste: “Dennoch ist der Teamzusammenhalt in der Corona-Zeit noch stärker geworden und wir haben eine tolle Kommunikation miteinander aufgebaut.” Chung fühlt besonders mit den Betreibern von Diskotheken: “Die trifft es viel härter. Derzeit fangen wir Gastronomen dieses Erlebnisgeschäft auf. Man merkt, dass den Leuten andere Optionen fehlen.” Das bestätigt auch Lauenroth, der schon eine Spontan-Tanzfläche im Zucca miterlebt hat.
Gäste halten sich weitgehendst
an Maskenpflicht
Diskussionen über das Tragen der Maske müssen die Gastronomen in Rüttenscheid nur selten führen. In der Regel hielten sich die Gäste an die Vorgaben, spätestens nach der ersten Ermahnung. “Rausgeworfen haben wir noch niemanden deshalb”, so Zucca-Mitarbeiter Lauenroth.
Doch nicht allen Rü-Gastronomen ist es möglich, vergleichsweise entspannt mit der aktuellen Lage umzugehen. Ein für ein Interview angefragtes Restaurant lehnte mit der Begründung “die Situation ist so schon schlimm genug für uns. Wir müssen erst selbst damit klarkommen, bevor wir darüber reden können” ab. Andere Gastronomen waren nicht zu einer Aussage bereit, um Wettbewerbern keine Einblicke in die persönliche und wirtschaftliche Lage zu gewähren.
Die dunklen Wolken am Himmel, sie scheinen auch über der Gastrobranche im Essener Szeneviertel zu hängen.
Autor:Meike Coenders aus Essen |
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