TikToker, Sportler und Vorbild: Till Martenka
"Grenzen gibt es für mich nicht!"
Till Martenka ist ein echter Alleskönner. Der 30-jährige Programmierer engagiert sich im Lebenshilferat, er hat einen TikTok-Kanal mit über 54 000 Followern und sein erfolgreichstes Video hatte 1,3 Millionen Klicks, zudem spielt er in bei den Ruhr-Rollers von Tusem Essen in der 2. Bundesliga im Tor. Egal ob im Sport, in den Sozialen Medien oder bei seinem sozialen Engagement: Till kennt keine Grenzen - auch wenn er im Rollstuhl sitzt.
Till Martenka hatte keinen leichten Start ins Leben. Bei seiner Geburt diagnostizierten Ärzte eine Leberentzündung. Die Folge: Till leidet seither an Tetraspastiken. „Manchmal macht mein Körper, was er will. Die Kontrolle über meinen Körper zu behalten ist sehr schwierig, da er unter einer dauerhaften muskulären Anspannung steht und somit die Motorik sehr einschränkt“, erklärt Till seine Symptome. Auch das Sprechen bereitet ihm Schwierigkeiten. Trotzdem lässt sich der optimistische junge Mann nicht unterkriegen: „Da ich nun schon immer damit lebe, habe ich mich daran gewöhnt und mir viele Hilfsmittel zu eigen gemacht, die es mir erleichtern, im Alltag möglichst selbstständig zu sein. Ich fahre einen E-Rollstuhl, der mich mobil macht und es mir ermöglicht, selber einkaufen zu gehen und kommuniziere mit meinem Handy, auf dem ich ein Programm zur Sprachwiedergabe nutze.“ Und so meistert der Programmierer nicht nur seinen normalen Alltag fast selbstständig, sondern setzt sich unter anderem auch für Menschen mit Behinderung ein. Er ist als sogenannter „Selbst-Vertreter“ im Lebenshilferat tätig und übernimmt dort „organisatorische Aufgaben oder Treffen mit Politikern, um Forderung der Lebenshilfe für deren Projekte zu unterbreiten.“
Und wer ist Till Martenka noch? „Ein sehr engagierter und interessierter junger Mann, der gerne Zeit mit anderen Menschen verbringt“, antwortet er selbst auf die Frage. Doch leider ist der Kontakt mit anderen und auch seine Selbstständigkeit durch die Corona-Pandemie stark eingeschränkt. Martenka redet von „Isolation und wenig Teilnahme am Leben“. Er erklärt: „Da sich dies für mich aufgrund meiner Beeinträchtigung bereits häufig eh schon schwieriger gestaltet hat, machen die aktuellen Umstände eine Teilnahme am Leben nahezu unmöglich.“ Konkret heißt das, dass er wegen der Pandemie aus seiner Wohngruppe aus- und zu seinen Eltern zurückziehen musste und auch das Training und den Sport häufig ruhen lassen muss.
Torwart bei den Ruhr Rollers Tusem Essen
Denn wenn nicht gerade eine weltweite Pandemie das Leben bestimmt, ist der Elektrorollstuhl Hockey ein wichtiger Teil von Till Martenkas Leben: „Ich spiele seit nunmehr 18 Jahren Rollhockey und bin damals über eine Rollstuhl Hockey Sport AG meiner Schule darauf gekommen.“ Der Sport wird ausschließlich mit E-Rollstühlen betrieben und hat ein eigenes Regelwerk gegenüber normalem Feldhockey. „Er wird aber auf einem Spielfeld in einer Turnhalle gespielt, welches der Größe eines normalen Hockeyfelds entspricht“, erläutert der Sportler. Einmal in der Woche trainiert er normalerweise mit seinen Vereinskollegen von Tusem Essen. In der vergangenen Saison hatte der Essener Sportverein das Ziel, mit den Ruhr Rollers den Wiederaufstieg in die 1. Bundesliga zu schaffen. Doch dann kam Corona.
„Viele unserer Spieler*innen gehören zur Risikogruppe und sind besonders hart von den Maßnahmen des Lockdowns betroffen. Der Teamgeist der Ruhr-Rollers wird dieses Jahr auf eine besonders harte Probe gestellt, wenn zusätzlich für viele Spieler*innen die einzige Möglichkeit wegfällt, regelmäßig an einer sportlichen und gemeinschaftsstiftenden Freizeitaktivität teilzunehmen. […] Seit dem Frühjahr steht unser Trainingsbetrieb still, weil wir als Risikogruppe bis auf Weiteres aus den Sporthallen verbannt wurden“, erklärte Trainer Robert Zühlsdorf im Februar vergangenen Jahres die Situation unter der eben auch Till bis jetzt zu leiden hat: „Der Sport ist seit jeher für mich ein guter Ausgleich zur Arbeit und bietet mir die Möglichkeit mich in meiner Freizeit mit anderen Rollstuhlfahrern zu treffen, auszutauschen und sich natürlich in diesem Sport zu messen.“ Das fällt nun schon länger für ihn weg. Doch auch in dieser Situation zeigt der junge Sportsmann wieder einmal, dass er sich von Schicksalsschlägen nicht unterkriegen lässt. Und was macht man, wenn einem der Sport genommen wird? Ganz klar: Man wird mal eben TikTok-Star!
„Die Videos, welche ich bei TikTok hochlade, produziere ich alle selbst und ohne fremde Hilfe. Dabei gehören zu den Hauptkategorien meiner Videos Themen wie Mobbing, pro Impfen und auch einfach nur gute Stimmungsmache in dieser schweren Zeit“, so erklärt Till bescheiden seinen 54 000 Follower starken Kanal @till.martenka auf TikTok auf dem er bereits Videos produziert hat, die bis zu 1,3 Millionen Mal geklickt und 110 000-mal geliket wurden. Was das Ganze noch außergewöhnlicher macht: Till betreibt diesen Kanal erst seit November 2019. „Ich habe immer sehr viele Videos hochgeladen - circa 10 am Tag. Und darüber hinaus auch viele Live-Sendungen gemacht“, erklärt er sein Erfolgskonzept.
Natürlich habe er wegen der Corona-Pandemie auch viel mehr Zeit für solche Projekte gehabt, ergänzt er. Hier zeigt sich mal wieder, dass Till so ziemlich jeder Situation etwas Positives abgewinnen kann. Und stets sind ihm auch seine Mitmenschen wichtig, deshalb engagiert er sich auf seinem Kanal auch gegen Mobbing und Hass im Netz, obwohl er selbst zum Glück kaum negativen Erfahrungen damit gemacht hat: „Mir ist etwas Derartiges eher selten passiert.“
Till Martenka sagt von sich selbst, dass er „ein Mensch mit viel Energie und Antrieb“ ist. Und das glaubt man ihm zweifelsohne. So gibt es auf die Frage, ob es für ihn denn überhaupt Grenzen gibt, auch nur eine passende Antwort: „Nein, Grenzen gibt es für mich nicht!“ Man darf also gespannt sein, was der Sportler und TikToker demnächst noch erreichen wird. Fragt man ihm nach einem Wunsch oder Traum, den er sich noch erfüllen möchte, überrascht er mit einer rührenden Antwort: Er würde gerne mit seiner Freundin zusammenwohnen. Für den Mann ohne Grenzen sollte auch das irgendwann umsetzbar sein – es ist ihm zu wünschen.
Info:
Elektrorollstuhl Hockey ist für jeden Menschen geeignet, der auf die Benutzung eines Rollstuhles angewiesen ist. Der Grad der körperlichen Beeinträchtigung ist dabei nicht so sehr entscheidend. Wenn die körperliche Verfassung eines Spielers zum Beispiel das Halten eines Schlägers mit der Hand unmöglich macht, wird ein Spezialschläger fest am Rollstuhl montiert. E-Rolli-Hockey ist ein Hallensport, der nach einem Regelwerk gespielt wird, was eine Mischung aus Eishockey und Floorball darstellt. Die Mannschaften bestehen je aus dem Torwart und vier Feldspielern. Die verwendeten Elektrorollstühle sind in der ersten Bundesliga auf 15 km/h und in der zweiten und dritten Bundesliga auf 10 km/h beschränkt. Gespielt wird 2 mal 15 Minuten auf einem 26 Meter langen und 16 Meter breiten Feld auf, dem zwei 2,5 Meter breite und 20 Zentimeter hohe Toren aufgestellt sind.
Autor:Nina Sikora aus Essen |
2 Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.