Erfahrungsbericht: Hilfe annehmen in Zeiten einer Pandemie
Das Team der Ehrenamt Agentur Essen e. V. (EAE) organisiert seit rund einem Monat die stadtweite Nachbarschaftshilfe für besonders gefährdete Gruppen der Corona-Pandemie. Seit dem ersten Aufruf haben sich über 600 Ehrenamtliche registriert, die nun stadtweit mit Hilfesuchenden vermittelt werden. Die Zahl der eingehenden Bedarfe ist geringer, denn nicht wenigen Menschen fällt es schwer Hilfe anzunehmen. EAE-Mitarbeiterin Thais Gaertner berichtet von den Erfahrungen der letzten Wochen.
„Jetzt geht es mir ja eigentlich noch ganz gut und da komm‘ ich mir komisch vor, wenn einfach jemand für mich einkaufen geht“, äußert eine ältere Dame Ihre Bedenken, als sie sich telefonisch bei uns über die aktuelle Corona-Nachbarschaftshilfe informiert. Ähnliche Gespräche führen wir aktuell täglich. Dabei sind die Empfehlungen des Robert Koch Instituts für Zugehörige der Risikogruppen mehr als eindeutig: Zuhause bleiben, unnötige Gänge und Kontakte vermeiden!
Jene Bedenken stellen keinen Einzelfall in den letzten Wochen dar und sie spiegeln sich auch in den Zahlen wieder. Bisher kommt auf rund zehn Helfer*innen lediglich eine Person, die uns einen Bedarf meldet. Zu berücksichtigen bleibt selbstverständlich, dass Nachbarschaftshilfe vielerorts auch selbstorganisiert gut funktioniert und Familien und Bekannte sich kümmern. Außerdem erfahren Helfer*innen durch Social Media und Co. schneller über unsere #CORONAHILFE, als es beispielsweise ältere Menschen der Risikogruppen tun.
“Wer Hilfe annimmt, handelt solidarisch!”
Doch man kennt das Gefühl aus anderen Lebenslagen – nicht immer fällt es leicht Hilfe anzunehmen und gefühlt ein Stück der persönlichen Souveränität abzugeben, zumindest für eine Zeit lang. Wir möchten jedoch daran erinnern, dass nicht nur Menschen der Risikogruppe davon profitieren, wenn Hilfe angenommen wird und dafür Menschen, insbesondere zugehörig zur Risikogruppe, zu Hause bleiben. Wenn es darum geht das Gesundheitssystem so wenig wie möglich zusätzlich zu belasten, ist es schlicht ein solidarischer Akt, wenn man darauf verzichtet unter Leute zu gehen. Es gilt: „Zuhause bleiben“ nicht nur für sich selber, sondern für alle Menschen, die auch in Zukunft auf ein intaktes Gesundheitssystem angewiesen sind.
Appell an Risikogruppe
Unsere Erfahrung in der aktuellen Situation zeigt, wie Bedenken, Zweifel und auch Scham dazu führen, dass zum Beispiel Einkaufshilfen nicht in Anspruch genommen werden. Doch wir möchten Mut machen, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Viele Menschen der Risikogruppe, die sich bei uns gemeldet haben, zeigen sich erleichtert darüber wie unkompliziert und sicher sich eine Einkaufshilfe organisieren lässt. Dabei geht es nicht darum Schwäche zu zeigen, sondern ganz im Gegenteil: Stärke! Stärke sein tagtägliches Verhalten einer ganz besonderen Lage anzupassen. Es braucht jetzt die Entstigmatisierung des Annehmens von Hilfe.
Letzten Endes kann sich jeder mit dem Covid-19 Virus anstecken – doch gilt es realistisch und mit Hilfe seriöser Quellen zu beurteilen bei welchen Menschen ein schwerer Krankheitsverlauf zu erwarten wäre – dies macht das Robert Koch Institut mit Hilfe der Einteilung in Risikogruppen:
Personengruppen, die nach bisherigen Erkenntnissen ein höheres Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf haben:
- Das Risiko einer schweren Erkrankung steigt ab 50 bis 60 Jahren stetig mit dem Alter an. Insbesondere ältere Menschen können, bedingt durch das weniger gut reagierende Immunsystem, nach einer Infektion schwerer erkranken (Immunseneszenz). Da unspezifische Krankheitssymptome wie Fieber die Antwort des Immunsystems auf eine Infektion sind, können diese im Alter schwächer ausfallen oder fehlen, wodurch Erkrankte dann auch erst später zum Arzt gehen.
- Auch verschiedene Grunderkrankungen wie z.B. Herzkreislauferkrankungen, Diabetes, Erkrankungen des Atmungssystems, der Leber und der Niere sowie Krebserkrankungen scheinen unabhängig vom Alter das Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf zu erhöhen.
- Bei älteren Menschen mit vorbestehenden Grunderkrankungen ist das Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf höher als wenn nur ein Faktor (Alter oder Grunderkrankung) vorliegt; wenn mehrere Grunderkrankungen vorliegen (Multimorbidität) dürfte das Risiko höher sein als bei nur einer Grunderkrankung.
- Für Patienten mit unterdrücktem Immunsystem (z.B. aufgrund einer Erkrankung, die mit einer Immunschwäche einhergeht, oder wegen Einnahme von Medikamenten, die die Immunabwehr unterdrücken, wie z.B. Cortison) besteht ein höheres Risiko.
(Quelle: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikogruppen.htm)
Unser Appell an unsere Nachbar*innen lautet daher: Nehmen Sie Hilfe an, zeigen Sie Stärke und Verantwortungsbewusstsein. Nebenbei werden Sie erleben, wie hilfsbereit Ihre Nachbar*innen im Stadtteil sind. Wir freuen uns über Ihren Anruf unter 0201 839 149 0 und helfen gerne weiter, wenn Sie Fragen oder Zweifel haben!
Alle Infos zur “Coronahilfe” der Ehrenamt Agentur Essen finden Sie hier: www.ehrenamtessen.de/coronahilfe
Autor:Hendrik Rathmann aus Essen-Süd |
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