Ganz "ohne" geht es nicht
Nur zwei Blutkonserven für 50 Operationen
Die Patientin hat eine große Tumor-Operation, ihr Bauchraum ist geöffnet. Trotzdem wird sie höchstwahrscheinlich keine Bluttransfusion benötigen, im bisherigen OP-Verlauf hat sie erst knapp 400 Milliliter Blut verloren.
Ich bin zu Besuch in den Evangelischen Kliniken Essen-Mitte, um mit dem Direktor der Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin & Schmerztherapie Prof. Dr. Harald Groeben und dem ärztlichen OP-Koordinator und Transfusionsbeauftragten der Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin & Schmerztherapie Dr. Alexander Ritter über Bluttransfusionen zu sprechen. Schnell wird klar: Die werden heute viel restriktiver eingesetzt als noch vor ein paar Jahren.
Alternativen zu Bluttransfusionen
"Die Zahl der Blutspenden geht zurück. Im Rahmen dieses Mangels haben sich viele Menschen Gedanken gemacht, wie das kompensiert werden kann", sagt Prof. Groeben. So gibt es heute vor geplanten Operationen zum Beispiel eine Medikamentengabe mit dem Ziel, die Blutbildung anzuregen. Eigenblutspenden seien vor ein paar Jahren oft genutzt worden, inzwischen ließe man davon aber wieder ab. Während der Operation könne man das Blut verdünnen, um bei einer Blutung nicht das konzentrierte Blut und seine wichtigen Bestandteile zu verlieren. Auch, dem Patienten mehr Sauerstoff während der Operation anzubieten, habe sich bewährt, so der Mediziner. Nicht zuletzt trügen minimal-invasive Operationstechniken ebenfalls dazu bei, dass nicht mehr so viele Transfusionen erforderlich seien.
2800 Blutkonserven wurden 2022 transfundiert
Fakt ist aber auch: Manchmal geht es nicht ohne Bluttransfusion. 2800 Blutkonserven wurden allein in der Evangelischen Huyssens-Stiftung Essen-Huttrop im vergangenen Jahr transfundiert, davon rund 1800 während Operationen. Für den Notfall liegen immer zwei Konserven der Blutgruppe Null negativ im Kühlschrank des OP-Bereichs. Die sind universell einsetzbar und können im Zweifel Leben retten.
Zwei Konserven für 50 Operationen
Nur zwei Blutkonserven bei rund 50 Operationen pro Tag? "Das genügt bei guter Vorbereitung", sagt Dr. Ritter. Denn natürlich besprechen die Operateure die unterschiedlichen Ausgangslagen der Patienten, bevor diese in den OP gefahren werden. Neben dem Allgemeinzustand des Patienten schauen die Mediziner genau auf den Hämoglobinwert. Der liegt im Normalfall bei zwölf bis 15 Gramm pro Deziliter, bei Männern etwas höher. "Ab sieben Gramm pro Deziliter sprechen wir von einer Anämie, einer Blutarmut", erklärt Prof. Groeben. "Wenn der HB-Wert so niedrig ist, überlegen wir die weitere Vorgehensweise."
Zentrale Blutbank beliefert die Klinik
Wenn nötig, ordern die Ärzte dann Blut von einer zentralen Blutbank, die mehrere Essener Kliniken versorgt und sich ebenfalls im Essener Süden befindet, an. Vorausgesetzt, die entsprechende Blutgruppe ist vorrätig und weitere Untergruppen passen auch, stehen diese bestellten Konserven dann zwei Tage zur Verfügung. Werden sie nicht gebraucht, kommen sie im Anschluss einem weiteren Patienten zu Gute. "Ganz wichtig ist, dass die Kühlkette eingehalten wird. Ist dies der Fall, kann gespendetes Blut bis zu sechs Wochen verwendet werden", sagt Dr. Ritter.
Regelmäßig herrscht Mangel an Blutkonserven
Kritisch wird es, wenn die Blutbank eine Warnung an die Krankenhäuser verschickt und über einen Mangel informiert. Zwei bis dreimal pro Jahr kommt das vor, "und dann hält dieser Mangel oft mehrere Wochen an", sagt Prof. Groeben. Insbesondere in den Sommerferien sowie rund um Weihnachten und Silvester sind Blutspenden rar. "Dann kann es auch vorkommen, dass Operationen um eine oder zwei Wochen verschoben werden müssen", sagt er, schränkt aber ein: "Natürlich nur in den Fällen, in denen es aus medizinischer Sicht vertretbar ist."
"Im schlimmsten Fall verstirbt der Patient"
Was passiert, wenn beispielsweise ein Unfallopfer eingeliefert wird und dringend Blut benötigt, aber keines verfügbar ist?, möchte ich von den Medizinern wissen. Prof. Groeben schluckt. "Ich habe im Laufe meines Berufslebens, als Student, eine solche Situation erlebt. Im schlimmsten Fall verstirbt der Patient." Er habe allerdings auch schon erlebt, dass Patienten mit einem HB-Wert von zwei Gramm pro Deziliter überlebt hätten. Prof. Groeben spricht auch die Risiken von Bluttransfusionen an. "Das Risiko, sich mit einer Krankheit wie Hepatitis oder HIV anzustecken, ist extrem gering. Es liegt vielleicht bei eins zu vier Millionen." Aber es gebe auch Transfusionsreaktionen wie Fieber oder Hautausschläge, die zum Glück meist nicht von Dauer seien.
"Blutspenden ist ein sozialer Akt"
Man forsche schon seit circa 50 Jahren daran, künstliches Blut herzustellen. Erfolge gebe es bei Gerinnungsanteilen, die inzwischen synthetisch hergestellt werden können. Aber die so genannten Erythrozyten-Spenden seien auch heute nicht ersetzbar. "Deshalb ist Blutspenden ein sozialer Akt. Jeder kann eine Transfusion benötigen", sagt Dr. Ritter.
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