E-Scooter in NRW-Städten
Fluch oder Segen?
Meldungen wie „E-Scooter-Fahrer schwer gestürzt“ sind beinah täglich zu lesen. Das noch junge Angebot für grüne Mobilität hat mit massiven Imageproblemen zu kämpfen. Erste Städte beginnen deshalb, die Roller stärker zu regulieren und bei den Verleihern „abzukassieren“.
Der vermeintliche Siegeszug der elektrisch betriebenen Roller begann vor rund dreieinhalb Jahren: In Herne rollten im Mai 2019 die bundesweit ersten E-Scooter im regulären Straßenverkehr– ein Sonderprojekt mit dem damaligen Anbieter Circ. Die Zahl der Verleiher und Nutzer stieg fortan rasant. Im vergangenen Jahr nutzen laut Statistik fast zehn Millionen Deutsche das E-Scooter-Sharing. So sind in Herne aktuell bis zu 600 E-Scooter unterwegs. In Essen werden sogar mehr als 2.000 E-Scooter zum Verleih angeboten.
Was für E-Scooter spricht
Längst haben sich die E-Scooter ihren festen Platz im Stadtbild erkämpft. Sie sind Teil einer neuen, grüneren Lebensweise durch elektrobetriebene Sharing-Modelle. Sie bieten eine verlässliche und flexible Fortbewegungsmöglichkeit im urbanen Raum als Ergänzung zum bestehenden Verkehrsangebot. Und sie entwickeln sich weiter: Anfang Februar präsentierte Iserlohn als weltweit erste Stadt E-Scooter mit drei statt wie bisher mit zwei Rädern. Die Modelle sollen für zusätzliche Sicherheit sorgen. Anbieter dafür ist das deutsch-irische Start-up ZEUS Scooters.
Die Firma ist nur einer von zahlreichen Verleihern in Deutschland, darunter Circ, Bird, Spin, Lime, Tier, Bolt, Zeus, Voi, von denen einige sogar schon wieder vom Markt verschwunden sind. Das Angebot ist also riesig und eröffnet den Städten ganze neue Chancen, die Verkehrsinfrastruktur langfristig zu verbessern. So können ihnen die E-Scooter zum Beispiel wichtige Mobilitätsdaten, etwa die am meisten befahrenen Routen in der Stadt, liefern.
Was gegen E-Scooter spricht
Von Anfang an sorgen die E-Scooter aber auch immer wieder für Chaos im Stadtverkehr, für Beschwerden und zusätzliche Verkehrsunfälle. Die Roller werden wild abgestellt und blockieren Gehwege. Viele Nutzer stellen ein echtes Sicherheitsrisiko dar: Sie fahren viel zu schnell, ignorieren Ampeln oder durchqueren Fußgängerzonen. Sogar die wilde Entsorgung in Flüssen (zum Beispiel hunderte im Rhein) oder in Waldgebieten (wie zuletzt in Olfen geschehen) spielt dabei eine Rolle. Paradox, denkt man zurück an das grüne Image.
„Besonders in der Anfangsphase des E-Scooter-Angebots kam es vermehrt zu Irritationen und Beschwerden aus der Bürgerschaft“, bestätigt Patrick Betthaus, Pressereferent der Stadt Essen. „Ganz generell ist mittlerweile allerdings festzustellen, dass die zuständige Verkehrsbehörde nur noch selten Beschwerden oder Vorfälle in Zusammenhang mit der E-Scooter-Nutzung im Stadtgebiet erreichen“, ergänzt er. Die Kritiker werden also leiser, damit sind aber längst nicht alle Probleme gelöst.
Ausblick und Herausforderungen
Um eine Verbesserung des Nutzungsverhaltens zu erzielen, gehen viele Städte inzwischen Kooperationen mit den Verleihern ein. So hat die Stadt Iserlohn gemeinsam mit Zeus Parkverbotszonen eingerichtet, welche in der App rot unterlegt sind. Der Anbieter kontrolliert das korrekte Abstellen mittels Fotobeweis. In Essen besagt eine Kooperationsvereinbarung zwischen Anbietern und Stadt, dass die die E-Scooter ordnungsgemäß abgestellt werden müssen, mit genügend Platz für andere Verkehrsteilnehmer auf dem Gehweg. „An dieser Stelle ist die hohe Kooperationsbereitschaft aller Anbieter positiv hervorzuheben, die Probleme und Beeinträchtigungen durchweg zeitnah beheben und Vorgaben seitens der Stadtverwaltung umgehend berücksichtigen“, lobt Betthaus.
Gebühren und Ausschreibungen
Mitte Januar 2023 hat das Verwaltungsgericht Köln ein entscheidendes Urteil in Sachen E-Scooter gesprochen. Demnach ist es den Städten nun möglich, die Verleiher mit Sondernutzungsgebühren von bis zu 130 Euro pro Fahrzeug pro Jahr zu belegen. Begründung ist die Beeinträchtigung der Allgemeinheit durch das ordnungswidrige Abstellen. Essen beispielsweise will davon in Kürze Gebrauch machen. Patrick Grundmann, Pressesprecher vom Anbieter „Tier“ hält das jedoch für ein „negatives Signal für die klimafreundliche Mobilität in Nordrhein-Westfalen“.
Zudem müssen die Verleiher neben den Gebühren zukünftig mit weiteren Eingriffen rechnen, damit die Städte das entstandene Chaos wieder in den Griff bekommen. So überlegt Herne beispielsweise, das „Free-Floating-Modell“ (Abstellen und Ausleihen der E-Scooter im gesamten Stadtgebiet) an „Points of Interest“ wie Bahnhöfen zu limitieren oder bestimmte Zonen für die Durchfahrt zu sperren. Technische Möglichkeiten zur automatischen Geschwindigkeitsdrosselung oder akustische Warnsignale seien in Prüfung, wie Pressesprecher Patrick Mammen bestätigt. Generell steht Herne wie auch viele andere Städte dem Thema E-Scooter jedoch positiv gegenüber. Sie seien ein Teil zur „Förderung eines multimodalen Verkehrsverhaltens“ und damit „Beitrag zu einer nachhaltigeren Mobilität in der Zukunft“. Valide Zahlen für eine Verringerung des Individualverkehrs liegen bisher hingegen nicht vor.
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Autor:Sara Drees aus Dortmund |
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