Der Profifußball in der Coronakrise - die Meinung eines Redakteurs
Zurück in Richtung "Stunde Null" - eine Chance zur "Bereinigung"

Hochbezahlte Kicker wie die BVB-Stars Emre Can, Jadon Sancho und Mats Hummels (von links, mit dem Freiburger Nils Petersen) sehen das Ende das maßlosen Geldscheffelns auf sich zukommen. Hummels gehörte übrigens früh zu den Unterstützern von "We Kick Corona", auch Petersen ist dabei. Foto: Schütze
  • Hochbezahlte Kicker wie die BVB-Stars Emre Can, Jadon Sancho und Mats Hummels (von links, mit dem Freiburger Nils Petersen) sehen das Ende das maßlosen Geldscheffelns auf sich zukommen. Hummels gehörte übrigens früh zu den Unterstützern von "We Kick Corona", auch Petersen ist dabei. Foto: Schütze
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Es gehe ums Überleben vieler Vereine, wenn aufgrund der Fußballspielpause die millionenschweren Einnahmen aus TV-Verträgen, von Sponsoren und aus den Kartenverkäufen ausbleiben. So äußerte sich unter anderem Christian Seifert (Geschäftsführer der Deutschen Fußball- Liga) zur von der Corona-Krise erzwungenen Zwangspause des Profifußballs. Auf nennenswerte Einnahmen von Besuchern müssten die Clubs bei Spielen unter Ausschluss der Öffentlichkeit ohnehin verzichten. „Geisterspiele“ zur Beendigung der aktuell bis 30. April ausgesetzten Saison würden die Quellen „Fernsehen“ und „Sponsoring“ weiter sprudeln lassen. Also weitermachen wie bisher, nur ohne Zuschauer? 

Eine starke Initiative starteten die beiden Nationalspieler Leon Goretzka und Joshua Kimmich. Sie legten eine Aktion namens "We Kick Corona" auf, brachten dort gemeinsam eine Million Euro ein und riefen Arbeitskollegen zur Beteiligung auf. Mit Erfolg, rasch beteiligten sich weitere Kicker. "Als Profi-Fußballer führen wir ein gesundes und privilegiertes Leben. Daher sehen wir uns in dieser schwierigen Zeit verpflichtet, Verantwortung zu übernehmen. Geben und gegenseitig helfen ist für uns in dieser Zeit das Gebot der Stunde", schrieben Goretzka und Kimmich. Mit dem gespendeten Geld sollen karitative, soziale und medizinische Einrichtungen, die Bedürftigen oder von der Corona-Pandemie Betroffenen helfen, unterstützt werden.

In zahlreichen Vereinen zeigten sich außerdem die Spieler zu Gehaltseinbußen bereit, in erster Linie, um ihren Arbeitgebern finanzielle Spielräume zu geben für die Bezahlung der nicht fußballspielenden Angestellten. Löblich, für mich allerdings auch selbstverständlich.
Solidarische Spieler, auch solidarische Vereine? Hans-Joachim Watzke, Geschäftsführer von Borussia Dortmund, schränkte da vor kurzem in der ARD-Sportschau noch ein: „Am Ende des Tages können nicht die Clubs, die die letzten Jahre gut gearbeitet haben, diejenigen belohnen, die es nicht getan haben."

"Geldvermehrungsmaschine"

Meiner Meinung nach eine unerhörte Position eines Vereinsvertreters, dessen Club zu denen gehört, die sich seit Jahren durch die Teilnahmen an der „Geldvermehrungsmaschine“ namens Champions League einen stetig größer werdenden monetären Abstand zum Rest der jeweiligen nationalen Ligen schaffen. Immer weiter driften die Budgets auseinander, immer wieder qualifizieren sich diese gestärkten Clubs somit für die CL, verbuchen noch mehr Kohle, vergrößern den Abstand immer weiter. Offenbar auch angesichts der harschen Kritik lenkte "Ego-Watzke" später ein. Sein BVB wird sich nun ebenso wie die zuletzt für die CL qualifizierten Teams aus München, Leipzig und Leverkusen solidarisch mit anderen zeigen. Die vier Vereine wollen auf 12,5 Millionen Euro verzichten, die ihnen aus dem aktuellen TV-Vertrag zustünden und diese Summe auf 20 Millionen Euro aufstocken. Das Geld fließt nun in den Solidartopf der Deutschen Fußball-Liga.

"Freunde" aus Russland und Katar

Wir brauchen diese Gelder, wir wollen doch auch einmal wieder die Champions League gewinnen." So lautet oft der Tenor, mit dem die deutschen Fußball-Kapitalgesellschaften ihr Vorgehen zu rechtfertigen versuchen. Da sind mögliche moralische Bedenken - siehe Schalkes russischer Hauptsponsor Gazprom oder die "Werbefreundschaft" Bayern Münchens mit Katar - nicht vorgesehen. Man dürfe den Anschluss an die von Investoren gekauften Vereine, vor allem jene aus England, nicht gänzlich verlieren.

Mal ganz grundsätzlich von meiner Seite zum Thema Fußball-Kommerzialisierung mit seinen verschiedenen Geldgebern und deren Ansprüchen: Ich will die Champions League überhaupt nicht gewinnen! Ganz im Gegenteil: Ich pfeife auf sie und den ganzen überbordenden Kommerz-Irrsinn! Würde es auch hinnehmen, wenn sehr begabte, gleichzeitig horrend-hoch bezahlte Kicker wie Jadon Sancho, Timo Werner oder Robert Lewandowski nicht mehr in der Bundesliga spielen.

In der Hand der Konsumenten

Wo würden sie spielen? Wer weiß: „am Ende des Tages“ (O-Ton Watzke) „bereinigt“ Corona vielleicht den gesamten Fußball-Wahnsinn in Europa. Wäre das schön! Da müssten die sportlichen Jung-Millionäre und der Schwarm ihrer Berater gewaltig umdenken. Eine Chance in Richtung "Stunde Null"? Ich würde sie mir für Premier League, Bundesliga, La Liga und die anderen Produkte wünschen!

Dies läge übrigens auch außerhalb einer Krise in der Hand der Konsumenten. Sie müssten sich, beziehungsweise ihren Geldbeutel, schlichtweg nur entziehen.

Mich persönlich interessieren Spiele gegen Hoffenheim, Wolfsburg, Leipzig oder Leverkusen ebenso wenig, wie das achte Duell in sieben Jahren zwischen Real Madrid und den Bayern. Obwohl Bayer und der sogenannte "RasenBallsport" zweifelsfrei einen starken Ball spielen. Werksmannschaften oder Marketingabteilungen kann ich nicht leiden und werde sie nie leiden können. BVB gegen Bochum, S04 gegen Essen, Duisburg gegen Oberhausen würden mich deutlich mehr erwärmen. Euro League-Gruppenspiele gegen Qarabag, Basaksehir, Krasnodar oder Cluj sind so verzichtbar wie warmes Bier.

Könnten wir uns auch vermehrt für eher lokale Spiele dieses wunderbaren Sports begeistern?  Was meinen Sie dazu? Nutzen Sie die Kommentarfunktion unter dieser Meinung und diskutieren Sie als BürgerReporter mit. 

Autor:

Marc Keiterling aus Essen

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