Trainerlegende wird am 9. August 85 Jahre alt
"König Otto" hat Geburtstag
Er ist zweifelsfei einer der größten Söhne Essens und auch ein Aushängeschild für den Fußball insgesamt. "Kind der Bundesliga", "König Otto", "Rehhakles“. Otto Rehhagel sorgte als Fußballtrainer für einige der größten Sensationen dieses Sports. Am kommenden Mittwoch, 9. August, wird der gebürtige Altenessener unglaubliche 85 Jahre alt.
Der gelernte Maler und Anstreicher aus dem Essener Norden brachte es von der Platzanlage des TuS Helene bis auf den europäischen Fußball-Olymp, spätestens mit dem unglaublichen Triumph von 2004. Mit dem krassen Außenseiter Griechenland gewann er völlig überraschend den Europameistertitel.
Der Anker in Essen
Doch während andere Stars dieses Sports mit hiesigem Geburtsort gern das Leben an bayerischen Seen genießen, blieb Rehhagel seiner Heimat treu. Mit seiner Beate lebt er im Essener Süden. Heimattreue, die er auch gegenüber Rot-Weiss Essen dokumentierte, wo er von 1960 bis 1963 spielte. Anlässlich seiner Ernennung zum RWE-Ehrenmitglied 2015 sagte er: „Egal, wo ich in meiner Karriere war, hier hatte ich immer meinen Anker.“
Das Heldenstück mit Griechenland ist ausführlich dokumentiert, der Streifen "King Otto" setzte dieser Geschichte ein filmisches Denkmal. Auch der unglaubliche Durchmarsch mit dem 1. FC Kaiserslautern vor 25 Jahren, als er das Team aus der Pfalz aus der 2. Liga direkt zum Deutschen Meistertitel führte, wurde vielfach gewürdigt und vom SWR für einen Fernsehfilm ins Bild gesetzt. Doch auch die weiteren Trainerstationen des früheren eisenharten Verteidigers lohnen einen Blick. Sie sind gespickt mit besonderen Anekdoten.
FV Rockenhausen und der 1. FC Saarbrücken
Beim Amateurverein FV Rockenhausen in der Nordpfalz ging es los, wo der Profi des 1. FC Kaiserslautern in seiner vorletzten Saison als Aktiver nebenher ab dem Spätherbst 1970 den Bezirksligisten coachte. Als er übernahm stand die Mannschaft abgeschlagen am Tabellenende. Als er sich im Sommer 1971 verabschiedete, war der Klassenerhalt geschafft.
Die erste „richtige“ Station als Trainer war ebenfalls nur ein kurzes Engagement. Beim Südwest-Zweitligisten 1. FC Saarbrücken war nach sechs Monaten am 14. Januar 1973 bereits Dienstschluss.
6:0 gegen Bayern mit Kickers Offenbach
Als Co-Trainer von Gyula Lorant bei Kickers Offenbach im Sommer 1973 eingestellt, löste Rehhagel den Ungarn, in Kaiserlautern sein Trainer, im März 1974 ab. Mit dem OFC sorgte er am ersten Spieltag der Saison 1974/75 für die bis dahin höchste Niederlage des amtierenden Meisters und Pokal der Landesmeister-Siegers. Gegen Bayern München siegte Offenbach im Frankfurter Waldstadion mit 6:0. Stürmer Erwin Kostedde reifte unter Rehhagels Führung zum Nationalspieler, die Hessen erzielten in dieser Saison beachtliche 72 Tore. Kostedde sollte später noch zweimal an verschiedenen Orten unter der Regie des Trainers spielen.
Drei Vereine in nur einer Saison
Nach zweimonatiger Sperre durch den Deutscher Fußball-Bund wegen grob unsportlichen Verhaltens inklusive fristloser Entlassung in Offenbach im November 1975 löste er im Februar 1976 Herbert Burdenski bei Werder Bremen ab und schaffte den Klassenerhalt.
Hopplahopp sicherte er nur wenige Tage später einem weiteren Verein die Erstligazugehörigkeit. Rehhagel übernahm seine dritten Aufgabe in der Saison 1975/76 bei Zweitligist Borussia Dortmund. Für die damaligen Aufstiegsspiele zur Bundesliga gegen den 1.FC Nürnberg ersetzte er Horst Buhtz und führte den BVB ins Oberhaus. Rettung mit Bremen, Aufstieg mit Dortmund und dazwischen nur wenige Tage. Ein Novum in einer derart kurzen Zeitspanne.
0:12 - die höchste Niederlage aller Zeiten
Zurück in der Bundesliga wurden die Essener Willi Lippens und Manfred Burgsmüller (über den Umweg Uerdingen) verpflichtet und die Borussia begeisterte mit Offensivfußball das heimische Publikum. Der Aufsteiger kam auf satte 73 Tore und landete auf Rang acht der Abschlusstabelle.
Ein knappes Jahr später fielen erneut viele Tore, diesmal jedoch zu Ungunsten der Dortmunder Borussia. Mit einem bis heute einmaligen 0:12 ging die Mannschaft im April 1978 gegen die Borussen aus Mönchengladbach unter, der Trainer musste den Verein verlassen.
4:0 gegen Bayern mit Arminia Bielefeld
Im Oktober 1978 verpflichtete Bundesliga-Neuling Arminia Bielefeld Rehhagel. Am Saisonende stand trotz einiger beachtlicher Ergebnisse, darunter ein 4:0-Sieg bei den Bayern, der Abstieg. Nach einigen Spielen in der 2. Liga Nord bat er um die Freigabe, um den abstiegsgefährdeten Bundesligisten Fortuna Düsseldorf im Oktober 1979 übernehmen zu können.
Der erste Titel mit Fortuna Düsseldorf
Die Rettung glückte und mit dem Gewinn des DFB-Pokals gelang der erste Titelgewinn. Nach gut 14 Monaten war in Düsseldorf, erneut in Abstiegsgefahr schwebend, Feierabend.
Erst "Krankheitsvertreter", dann Titelsammler
Zwischen April 1981 und Juni 1995 folgte die zweite Bremen-Episode. Ursprünglich lediglich als "Krankheitsvertretung" für Kuno Klötzer durch den damaligen Werder-Manager Rudi Assauer für einige Wochen engagiert, wurde aus dem "Aushilfsjob" eine überragende Erfolgsgeschichte. Aufstieg, zweimal Deutscher Meister, zweimal Deutscher Pokalsieger, einmal Europapokalsieger der Pokalsieger. Spektakuläre Auftritte in den europäischen Pokalwettbewerben inklusive. In Bremen bauten sie ihrem "König Otto" sogar ein Denkmal und konnten es schier nicht glauben, als er schließlich ankündigte, weit in den Süden zu ziehen.
Aus einer "Traumehe" wurde ein Albtraum
Aus der vermeintlichen "Traumehe" mit Bayern München erwuchs in der Saison 1995/96 für Rehhagel ein Albtraum. Sein Motto "Der Star ist die Mannschaft" kam bei dem Starensemble nicht an. Im Gegenteil, ein Protagonist wie Mehmet Scholl verweigerte ihm öffentlich die Gefolgschaft. Trotz aller Dissonanzen mit Spielern und der Vereinsführung wurde die Finalspiele um den damaligen UEFA-Pokal erreicht und auch der Meistertitel war noch in Reichweite. Dennoch wurde Rehhagel drei Wochen vor Saisonende durch Vereinspräsident Franz Beckenbauer ersetzt. Der gewann den UEFA-Pokal, die Meisterschaft allerdings verspielten die Bayern mit einer 1:2-Niederlage auf Schalke am 11. Mai 1996.
"Hier kannst Du wieder Otto sein"
Otto Rehhagel in der 2. Liga? Im Sommer 1996 eigentlich undenkbar. Und doch kam es so. Der 1. FC Kaiserslautern war erstmals in seiner Geschichte abgestiegen. Dem Trainer, mit Eckhard Krautzun kurioserweise ebenfalls ein gebürtiger Essener, trauten sie das Unternehmen Wiederaufstieg nicht zu. „Hier kannst Du wieder Otto sein“. So lockte ihn sein früherer Pfälzer Mannschaftskollege Jürgen Friedrich, zu diesem Zeitpunkt Aufsichtsratsvorsitzender beim FCK, zurück auf den dortigen Betzenberg.
Vom Aufsteiger zum Deutschen Meister
Rehhagel schaffte wie erwartet die sofortige Rückkehr und marschierte in der Folgesaison mit dem Aufsteiger zum Meistertitel durch. Das Auftaktspiel: ein 1:0-Sieg bei den Bayern. Auch das Rückspiel wurde gegen die Münchener gewonnen.
Am Ende doch noch ein Abstieg
Der Zeit als Nationaltrainer Griechenlands von 2001 bis 2010 folgte ab 18. Februar 2012 für den seinerzeit 73-Jährigen noch einmal ein Bundesligajob. Wie oft in den jungen Jahren seiner Trainerlaufbahn sollte Rehhagel der Retter sein. Diesmal bei Hertha BSC in Berlin, wo er 1963 zum Bundesligaspieler geworden war. Das Unternehmen jedoch misslang. Am Saisonende auf Platz 16 liegend verlor Hertha die Relegation gegen Fortuna Düsseldorf (1:2, 2:2).
Regelmäßig besucht Otto Rehhagel die Spiele der Rot-Weissen an der Hafenstraße. Wenn es um die Förderung des Jugendfußballs geht, war die Trainerlegende in der jüngeren Vergangenheit stets ansprechbar und auf verschiedenen Plätzen vor Ort. Auch in der Sepp-Herberger-Stiftung engagiert er sich. Seit 2016 ist er außerdem Mitglied des Kuratoriums der Stiftung Universitätsmedizin Essen.
Autor:Marc Keiterling aus Essen |
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