Hochbegabung hat Monas Leben erschwert
Vom Punk-Leben zum Master-Abschluss
Monas* Leben gleicht einer Berg- und Talfahrt. In der Jugend war sie viel in der Düsseldorfer Punkszene unterwegs, soff und kiffte, lebte im Heim und wurde mit 16 Jahren schwanger. Sie ist sicher: "Ohne Hochbegabung wäre mein Leben einfacher gewesen!"
Gerade arbeitet Mona an ihrer Masterarbeit, 30 Seiten Exposé sind schon fertig. In sechs Monaten will sie den Abschluss in der Tasche haben. Dass sie mit Ende 20 einmal an diesem Punkt stehen würde, hätte vor einigen Jahren wohl niemand geglaubt - sie selbst eingeschlossen.
Mit sieben Jahren fing es an
Ihre bewegte Lebensgeschichte beginnt mit Konflikten innerhalb der Familie, analog mit ihrer Einschulung. "Ich war sieben, als mein Vater mir sagte, es wäre nicht schlimm, wenn ich sterben würde, meine Schwester sei ohnehin sein Lieblingskind." Diese Aussage legte den Grundstein für einen Konflikt, der sich bis zur Jugend in Hass steigern sollte.
Unbeachtet und ungerecht behandelt
Der Vater, nach einem Arbeitsunfall arbeitslos, spielte den Hausmann, während die Mutter wegen ihres Vollzeitjobs nur wenig Zuhause war. Mona fühlte sich unbeachtet, ungeliebt und ungerecht behandelt. Dabei war ihr schon in der ersten Klasse klar: "Ich komme alleine zurecht, brauche die Hilfe meines Vaters nicht." Genau das, ist sie heute sicher, schürte den Konflikt mit dem Vater. Während ihre Schwester sein Wissen in Anspruch nahm und Interesse an "seinen" Themen zeigte, lehnte Mona seine Unterstützung kategorisch ab, machte immer wieder deutlich, dass sie alleine zurecht kommt.
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"Fühlte sich an wie Krieg"
Während sie bei den Lehrern beliebt war, benahm sie sich zu Hause daneben. Die Schwester bekam Monas Frust ab und bezog regelmäßig Schläge von der großen Schwester - "mir ging es um Aufmerksamkeit", sagt Mona. Schon im Alter von zehn Jahren empfand Mona die Familiensituation wie einen "Krieg", auch die Mutter konnte daran nichts ändern. Mona versuchte sogar, durch ihr "schreckliches Verhalten", wie sie selbst sagt, eine Trennung der Eltern zu bewirken.
Mona ging gern zur Schule
Während in der Familie der "Krieg" herrschte, gab es weder in der Grundschule noch am Gymnasium Probleme. Mona hatte stets Freundinnen, war ganz gut integriert. "Wir waren zwar gedanklich weit auseinander, aber das fand ich nicht weiter schlimm." Überhaupt ging sie gern zur Schule, denn Lernen war ihr Ding. Wenn nur die Langeweile nicht gewesen wäre!
Flucht als einzige Lösung
Mit zwölf oder 13 Jahren eskalierten die familiären Streitigkeiten, zum ersten Mal lief Mona weg, schwänzte die Schule. Wenn sie nach Hause zurückkehrte, gab es von Monas Seite Provokationen und von Seiten der Eltern Ärger und auch Schläge. Also lief Mona wieder weg. Im Alter von 14 Jahren blieb sie drei Monate von zu Hause fern, überwiegend verbrachte sie ihre Zeit in der Punkszene der Düsseldorfer Altstadt. "Die Punks haben auf mich aufgepasst. Das war eine neue Erfahrung, dass jemand auf mich acht gibt." Sie wurden für Mona zur Familie - mit allen negativen Begleiterscheinungen. Platte machen, also auf der Straße leben, gehörte ebenso dazu wie Alkohol und Drogen.
IQ-Test in der Psychiatrie
Mona versuchte etwas zu ändern, sprach eigenständig beim Jugendamt vor. "Ich hab gesagt, ich möchte ins Kinderheim, und wurde zu meiner Familie zurückgeschickt." Eine herbe Enttäuschung. Beim zweiten Kontakt mit dem Amt war die Jugendliche schlauer. Sie drohte: "Wenn Sie mich nach Hause bringen, bringe ich mich um." Also landete Mona auf der geschlossenen Abteilung in der Psychiatrie, wo sie sogar Weihnachten feierte. Ihre Erinnerungen an den vierwöchigen Aufenthalt sind überraschend positiv. Sie erzählt von netten Mit-Patienten und Knutschereien mit ihrem damaligen Freund, der sich dank eines Tricks Zutritt zu dem Krankenhaus erschlich. Und vom IQ-Test, den ihre Eltern veranlassten. Dabei kam ein IQ von 127 heraus. "Für meine Eltern stand damit fest, dass ich der Auslöser der familiären Probleme war."
Nächste Enttäuschung: Kinderheim
Also nicht zu ihrer Familie zurück, sondern in ein Kinderheim, aber auch hier fühlte sie sich nie zu Hause. "In den ersten drei Monaten erhielt ich ein Düsseldorf-Verbot, das war für mich nachvollziehbar." Sie gab sich alle Mühe, benahm sich vorbildlich. Aber nach Ablauf der drei Monate wurde das Verbot ohne Nennung von Gründen auf unbestimmte Zeit verlängert. "Das fand ich so unfair!" Also tat Mona, was sie immer tat: Sie haute ab nach Düsseldorf, kehrte zurück, haute wieder ab. Dann eine Nachricht ihrer Eltern auf dem Handy. Das Kinderheim habe sie rausgeschmissen, sie wohne wieder zu Hause.
Schwanger mit 16
Die 15-Jährige hielt drei Monate durch, dann zog sie zu ihrem neuen Freund. Schon früh in der Beziehung zeigte sich, dass er extrem eifersüchtig und besitzergreifend ist, aber Mona nahm die Warnzeichen nicht ernst. Rund um ihren 16. Geburtstag wurde sie schwanger. Zum Glück war sie schon von den Drogen los.
Baby brachte die Wende
Ihr Freund freute sich auf das Kind - und für Mona war die Schwangerschaft wie eine Initialzündung. "Ich bin wieder regelmäßig zur Schule gegangen, habe trotz vieler Fehlzeiten alle Prüfungen nachgeholt und die Versetzung geschafft." Sie zog in ein Mutter-Kind-Heim, und sogar das Verhältnis zu ihren Eltern besserte sich kurzzeitig. Die Zeit nach der Geburt beschreibt Mona als anstrengend - aber sie ging weiterhin regelmäßig zur Schule, zwischen Wickeln und Fläschchen machte sie Hausaufgaben. "Ich hatte jetzt Verantwortung für ein Kind, das trieb mich an", sagt Mona.
"Ich dachte, er bringt mich um"
Dann, eines Abends, eskalierte im Mutter-Kind-Heim ein Streit mit dem Vater des Kindes. "Er hat mich gewürgt. Ich dachte, er bringt mich um." Die Polizei kam, der Kindsvater verbrachte die nächsten Tage in der geschlossenen Psychiatrie.
Abitur, allein mit Kind
Es dauerte noch ein paar Wochen, bis Mona endgültig den Schlussstrich zog. Mit 18 Jahren verließ sie das Mutter-Kind-Heim und bezog eine eigene Wohnung. Als alleinerziehende Mutter absolvierte sie trotz der schwierigen Ausgangslage ihr Abitur. Darauf ist sie stolz, auch wenn sie mit dem Notendurchschnitt nicht wirklich zufrieden ist.
Studium und Familie
Bis heute leidet Mona unter psychischen Problemen, ist immer wieder in Therapie. Sie nahm Antidepressiva und erlitt in den 20ern einen Burn Out. Aber sie rappelte sich immer wieder hoch, begann ein Studium. Den Bachelor-Abschluss hat sie inzwischen in der Tasche, jetzt folgt der Master. Zum ersten Mal hat sie einen ebenfalls hochbegabten Partner, mit ihm noch ein zweites Kind bekommen. "Ich weiß nicht, wo die Reise hingeht. Aber ich bin sicher, dass mein bisheriges Leben mit durchschnittlicher Intelligenz einfacher gewesen wäre. Ich glaube, dann wäre der Konflikt mit meinem Vater nicht so ausgeufert", sagt sie und verdrückt ein Tränchen.
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*Mona ist ein erfundener Name. Wir respektieren den Wunsch der Informantin, die Geschichte anonym zu erzählen. Der Redaktion ist der richtige Name bekannt.
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