Coronavirus hebt Rechte der Passagiere nicht auf
Viele Flüge aus wirtschaftlichen Gründen annulliert /Passagieren können Entschädigungszahlungen zustehen
Das Coronavirus beeinträchtigt zunehmend den internationalen Luftverkehr. Airlines sagen massenweise Flüge ab. Doch nicht immer ist ein potenzielles Gesundheitsrisiko für die Passagiere oder der Schutz vor Ausbreitung der Krankheit der Grund. Häufig ist die eigentliche Ursache eine geringe Auslastung des Fluges. Was das bedeutet und wie Passagiere ihre Rechte in der aktuellen Krise wahrnehmen können, erklären die Fluggastrechtsexperten von Flightright.
Die Zahl der Flugausfälle stieg in den vergangenen Wochen stark an. Vom 12. Februar bis 7. März nahm die Zahl der annullierten Flüge allein in Deutschland um fast 500 Prozent im Vergleich zum Vormonatszeitraum zu. An deutschen Flughäfen wurden rund 1.000 Flüge abgesagt. Insgesamt gab es in Europa knapp 7.600 Annullierungen, die teilweise unmittelbar mit den Folgen der Corona-Krise zusammenhängen. Viele Flüge fielen jedoch nicht direkt aufgrund von Reisebeschränkungen oder -warnungen aus, sondern wegen wirtschaftlicher Erwägungen der Airlines. Das zeigt auch die Analyse der Fälle, die Flightright für den genannten Zeitraum erreichten: Nur sechs Prozent dieser Fälle betreffen Verbindungen in Risikogebiete, die aufgrund der Corona-Pandemie annulliert wurden. Da hier außergewöhnliche Umstände vorliegen, besteht kein Entschädigungsanspruch. Die deutliche Mehrheit der Annullierungs-Fälle ist nicht auf die direkten Folgen der Pandemie zurückzuführen.
Um bis zu 50 Prozent will die Lufthansa Group ihr Flugangebot in den nächsten Wochen reduzieren. Ziel sei es, „die finanziellen Folgen des Nachfrageeinbruchs“ aufgrund der Corona-Verbreitung zu verringern, heißt es in einer Pressemitteilung der Lufthansa Group. Ähnlich wie Lufthansa argumentieren unter anderem Air France, American Airlines, Finnair und Norwegian Airlines. Zahlreiche andere Fluglinien reduzieren ihr Angebot ebenfalls drastisch – und argumentieren überwiegend mit behördlichen Restriktionen infolge des Corona-Virus und Gesundheitsschutz für die Passagiere. Die Folgen für Reisende sind überall die gleichen: geplatzte Termine, Geschäftsausfall oder verlorene Urlaubstage.
Angesichts der besonderen Situation nehmen viele betroffene Reisende die Unannehmlichkeiten und Verluste hin. Und tatsächlich müssen Airlines laut EU-Fluggastrechte-Verordnung für Flugausfälle oder -verspätung keine Entschädigung zahlen, wenn sie durch außergewöhnliche Umstände hervorgerufen wurden. Streicht die Airline jedoch einen Flug aufgrund geringer Auslastung, so liegen der Annullierung wirtschaftliche Gründe zugrunde, die kein außergewöhnlicher Umstand sind. Dazu Oskar de Felice, Rechtsexperte bei Flightright: „Hat eine Annullierung einen unmittelbaren Zusammenhang mit der Corona-Krise, z.B. wenn ein Einreisestopp verhängt wird, handelt es sich um einen außergewöhnlichen Umstand. Hier müssen Fluggesellschaften keine Entschädigung leisten. Für Passagiere empfiehlt es sich dieser Tage aber genau hinzuschauen, welche Gründe Airlines für kurzfristige Streichungen anführen.”
Fast 500 Prozent mehr Flugausfälle in Deutschland
Die Erfahrung zeigt, dass Fluggesellschaften immer wieder außergewöhnliche Umstände anführen, um bei wirtschaftlich oder betrieblich motivierten Flugausfällen und Verspätungen Entschädigungszahlungen abzublocken. Für Passagiere ist es häufig nicht möglich einzuschätzen, ob wirklich außergewöhnliche Umstände vorgelegen haben. „Streiks oder Epidemien sind keine Freibriefe, mit denen Airlines Passagiere pauschal abwimmeln können. Es muss immer genau pro Flug betrachtet werden, ob eine Stornierung berechtigt war oder außergewöhnliche Umstände nur vorgeschoben wurden“, so de Felice weiter.
Passagiere sollten sich also nicht durch anderslautende Behauptungen der Fluggesellschaften abschrecken lassen. Schließlich können ihnen für die erheblichen Unannehmlichkeiten 250 bis 600 Euro Entschädigung zustehen.
Autor:Andrea Becker aus Essen-Borbeck |
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