Ein Brauch mit Jahrhunderte alten Wurzeln
Sternsinger waren früher nicht gern gesehen
Um den Dreikönigstag am 6. Januar gehen in Gegenden mit katholischer Bevölkerung die Sternsinger von Haus zu Haus. Sie wünschen den Bewohnern Glück und Segen für das neue Jahr und bitten um eine milde Gabe für die Kindermission.
"Die Sternsingeraktion wird in diesem Jahr 65 Jahre alt, die Wurzeln dieses Brauches reichen aber einige Jahrhunderte zurück. Heute wird den Kindern gerne gegeben, wohl auch, weil man sich darüber freut, dass dieser alte, schöne Brauch nach wie vor lebendig ist. Im 19. Jahrhundert waren die damals aufdringlichen Sternsinger nicht gern gesehen und wurden von der Obrigkeit sogar verfolgt", so Peter Höher von der Volkskundlichen Kommission für Westfalen beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL).
Von der Obrigkeit sogar verfolgt
Die Ursprünge der Sternsinger liegen in den weihnachtlichen Krippenspielen des Mittelalters, die in den Kirchen aufgeführt wurden. Nach und nach löste sich das Sternsingen aus den Krippenspielen heraus und fand als eigenständiges Schauspiel auch außerhalb der Kirche auf Straßen und Plätzen statt - oft mit finanzieller Unterstützung aus der Stadtkasse. Akteure waren in der Regel Schüler. Nach einiger Zeit zogen sie in ihren Rollen als Caspar, Melchior und Balthasar mit einem großen Stern auf einer Stange von Haus zu Haus, um sich einige Gaben zu ersingen. Denn die meisten von ihnen waren arm und auf die Mildtätigkeit der Mitmenschen angewiesen.
Mildtätigkeit der Mitmenschen
Im Laufe der Zeit wurde dieses Dreikönigssingen mehr und mehr zu einem "Heischebrauch" für arme Leute. Ganze Gruppen vor allem junger Männer mit einem Stern zogen von Ort zu Ort, um ein paar Nahrungsmittel oder etwas Geld für sich und die Familie zu Hause zu ersingen. Aber je mehr Sternsinger unterwegs waren und je größer die Konkurrenz zwischen diesen Gruppen wurde, desto öfter wurden Klagen über das aufdringliche Verhalten dieser Gruppen laut, die immer mehr als Bettler in Verruf gerieten. Im 19. Jahrhundert verfolgte vielerorts die strenge Obrigkeit in Person des Ortsgendarmen die Sternsinger, um diesen Unfug zu unterbinden. "Daher war der Brauch zu Beginn des 20. Jahrhunderts in weiten Teilen West- und Norddeutschlands nahezu ausgestorben, so auch in Westfalen, wo er nur noch im Hochsauerland und in der Gegend um Soest praktiziert wurde", berichtet Höher. Und wie so oft, habe man erst begonnen diesen alten Brauch wieder zu schätzen, als er praktisch nicht mehr existierte, so der LWL-Volkskundler weiter.
Brauch war teilweise ausgestorben
Nach dem Ersten Weltkrieg gab es in einigen Orten Bestrebungen, das Sternsingen "gereinigt und in sittlich würdevoller" Form wiederzubeleben. Die Akteure waren nun Kinder, wohl auch, weil die Initiativen häufig von Lehrern und Geistlichen ausgingen. Nun sollte nicht mehr das eigennützige "Heischen" im Vordergrund stehen, sondern das Erbitten von Geldspenden für wohltätige Zwecke, meist ging es um Anschaffungen für die eigene Kirche, für die Schule oder für Ordensgemeinschaften; für die Sänger fiel natürlich auch das eine oder andere ab.
Wiedergeburt erst im Jahr 1958
Das eigentliche Jahr der Wiedergeburt des Sternsingens ist das Jahr 1958: Damals rief das Päpstliche Missionswerk alle Pfarrgemeinden auf, Jungen und Mädchen als Sternsinger von Haus zu Haus zu senden, um Spenden für die Missionstätigkeit zu erbitten. Dieser Aufruf stieß von Jahr zu Jahr auf eine immer größere Resonanz. "Wohl auch, weil hier Kinder ermutigt werden, als wichtigste Akteure an einer großen, gemeinsamen Aktion mitzumachen, um anderen Kindern zu helfen", so Höher. Die Erfolgsbilanz kann sich sehen lassen: nach Angaben des Kindermissionswerks sammelten 2022 bundesweit knapp 500.000 Jungen und Mädchen trotz Corona 38.564.215,71 Euro.
"Die wechselvolle Geschichte des Sternsingens zeigt beispielhaft, was für solche Überlieferungen insgesamt gilt: Bräuche und Traditionen sind keineswegs etwas Starres, ein für allemal Festgelegtes. Ganz im Gegenteil: Bräuche müssen sich immer wieder anpassen, erneuern und verändern können, um vital und lebensfähig zu bleiben", erklärt Höher.
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