Nach Kritik: E-Zigaretten-Studie zurückgezogen

In den vergangenen Monaten sorgte eine US-amerikanische Studie, die sich mit den Gesundheitsrisiken von E-Zigaretten befasste, in den deutschen Medien für Aufsehen. Das Risiko von schweren Lungenerkrankungen wie Asthma oder Bronchitis würde durch den Konsum von E-Zigaretten steigen, lautete die Schlussfolgerung der Forscher. Nach deutlicher Kritik von deutschen Wissenschaftlern. welche die Ergebnisse als falsch und irreführend bezeichneten. wurde diese Untersuchung nun zurückgezogen. 

US-Forscher machten Schlagzeilen

Das Fachmagazin "American Journal of Preventive Medicine" veröffentlichte bereits am 16. Dezember 2019 eine Studie, die auch in Deutschland für Schlagzeilen sorgte. Schließlich besagten die Ergebnisse, dass der alleinige Konsum von E-Zigaretten das Risiko von schweren Lungenerkrankungen wie COPD um rund ein Drittel erhöhen würde. Für ihre Untersuchung befragten Autoren um den Raketenwissenschaftler Dr. Stanton Glantz mehr als eintausend Menschen.

Die Studie lief über einen Zeitrahmen vom mehreren Jahren. Unter den Personen, die sich für diese Untersuchung zur Verfügung stellten, waren Dampfer sowie Tabak-, Ex- und Nichtraucher. Allerdings ergab sich ein wissenschaftliches Problem: Die Mehrheit der Probanden rauchte zumindest zu einem früheren Zeitraum Tabak. Kürzlich äußerten sich deutsche Experten, welche die Ergebnisse ihrer US-Kollegen in Frage stellen.

Deutliche Kritik aus Deutschland

Wissenschaftler aus Deutschland kritisieren die Studie. Sie sprechen von gravierenden Mängeln und methodischen Fehlern, welche die Untersuchung aus den USA unbrauchbar macht. Schließlich würden sich, so die deutschen Experten, Lungenerkrankungen über einen Zeitraum von vielen Jahren oder sogar von Jahrzehnten entwickeln.

Doktor Ute Mons, die Leiterin der Stabsstelle Krebsprävention des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg, weist darauf hin, dass der Diagnosezeitpunkt nicht mit dem realen Krankheitsbeginn übereinstimmen muss. Oft vergingen sogar Jahre, so Mons, "bis die bestehende Erkrankung auch tatsächlich diagnostiziert wird". Sie geht daher davon aus, dass die Lungenkrankheiten auf den Konsum von Tabak zurückzuführen sind.

Für Mons ist es äußerst wahrscheinlich, dass die im Verlauf der Studie diagnostizierten Lungenerkrankungen schon vor Beginn der Untersuchungen existierten. Es sei möglich, dass diese Krankheiten schon auftraten, bevor die E-Zigaretten durch die Probanden konsumiert wurden. Die zeitlichen Zuordnungen der Studie hält Mons für "höchst fragwürdig".

Gesundheitsprobleme durch Tabakkonsum

Selbst die Studie legt nahe, dass vor allem Menschen mit Lungenproblemen auf die E-Zigarette umsteigen. Manchmal ginge solchen Entscheidungen sogar der Rat eines Mediziners voraus, betont Mons. Die Expertin ist sich sicher, dass der Zusammenhang von Lungenerkrankungen und E-Zigaretten, den die US-Studie belegen möchte, anders zu erklären ist.

Der Konsum von E-Zigaretten, sagt die Expertin, sei "die Folge bereits bestehender Lungenerkrankungen". Die Studie ihrer amerikanischen Kollegen habe diesen Zusammenhang leider nur unvollständig berücksichtigt. Daher weist Mons darauf hin, dass der angebliche Effekt von E-Zigaretten übersteigert worden wäre. Die Lungenerkrankungen seien vielmehr auf das frühere Rauchverhalten der Probanden zurückzuführen.

Schaden für die Wissenschaft

Trotz wissenschaftlicher Mängel sorgte die US-Untersuchung, auch in deutschen Medien, für viele Schlagzeilen. Krebsexperten wie Mons monieren diesen Umgang. Es handele sich schließlich um eine sensible Thematik, die zudem großen Einfluss auf die Gesundheit von Millionen Menschen habe. Daher schade die Studie letztlich sogar der Glaubwürdigkeit der Gesundheitswissenschaften.

Eine ähnliche Position formuliert Daniel Kotz, der als Professor für Suchtforschung und klinische Epidemiologie am Institut für Allgemeinmedizin des Uniklinikums Düsseldorf arbeitet. Der renommierte Suchtexperte sieht, ähnlich wie seine Kollegin, "gravierende methodische Mängel". Der konstruierte Zusammenhang zwischen dem Konsum von E-Zigaretten und Lungenerkrankungen wie COPD oder Emphysem sei falsch.

Der Spezialist kritisiert die kurze Studiendauer und verweist gleichfalls auf den Fakt, dass viele Probanden aktuelle oder ehemalige Tabakkonsumenten seien. Laut Kotz würden viele Betroffene, die über Lungenprobleme klagen, auf die E-Zigarette umsteigen. Die Geräte seien ein Hilfsmittel, um das Rauchen des Tabaks zu reduzieren oder um den Konsum vollständig einzustellen.

Daniel Kotz und andere Experten raten Rauchern, sich nicht durch die irreführenden Resultate der fragwürdigen Studie verunsichern zu lassen. Die Spezialisten kritisieren zudem die vielen Schlagzeilen und Berichte, die der US-Studie auch in Deutschland folgten. Für Kotz ist diese Berichterstattung beispielhaft für unreflektierten Journalismus. Schließlich sagt der Spezialist, dass die E-Zigarette "nach wie vor wesentlich weniger schädlich als Tabak" sei.

Fragwürdige Studie zurückgezogen

Das Fachmagazin "American Journal of Preventive Medicine" befasste sich mittlerweile mit der Kritik. Es gab nun bekannt, dass der Artikel zur Studie zurückgezogen wurde. Die Bekanntmachung verdeutlicht, dass bereits in der sogenannten Peer Review, einer Prüfung der Studienergebnisse durch weitere Forscher, gravierende wissenschaftliche Fehler unterliefen.

Obwohl die Autoren auftretende Fragen der Prüfer nicht beantworteten, kam es zu einer Veröffentlichung. Auf die Kritik der deutschen Forscher folgte die Aufforderung an die Produzenten der Studie, welche die auftretenden Fragen klären sollten. Dazu sahen sich die Macher um Stanton Glantz aber nicht in der Lage. Angeblich gäbe es keinen Zugang zu den Untersuchungsdaten.

Der Schaden ist allerdings angerichtet. Schließlich wurde die Studie in vielen Medien zitiert. Deutsche Politiker bezogen sich auf diese Untersuchung, um sich gegen das Dampfen zu positionierten. Einige E-Zigaretten-Produzenten klagten in der Folge über wirtschaftliche Einbußen. Viele Konsumenten blieben verunsichert zurück. Es bleibt daher zu hoffen, dass die hiesigen Medien in ähnlichem Umfang über die Kritik an der Studie berichten.

Autor:

Beate Millig aus Essen

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