Hautkrebs-Vorsorge
„Eine gesunde Sonnenbräune gibt es nicht“
Essen. Jeder Sonnenbrand ist einer zu viel. Mehr noch: Jede UV-indizierte Bräune verursacht Mutationen in den Hautzellen und steigert die Gefahr, im Leben an Hautkrebs zu erkranken – meist erst Jahre bis Jahrzehnte später. Prof. Dr. med. Ingo Stoffels, Direktor der Klinik für Dermatologie an den Evang. Kliniken Essen-Mitte, möchte aufräumen mit verbreiteten Irrtümern rund um das Bad in der Sonne.
Herr Professor Stoffels, die Sommerferien stehen vor der Tür – die Menschen freuen sich auf Urlaub, Freibad und Picknick bei Sonnenschein. Was darf nicht fehlen?
„Wir Dermatologen haben uns mit der Rolle als Spielverderber abgefunden und rufen ganz klar dazu auf, sich vor der Sonne zu schützen, von März bis Oktober, bei klarem und bei bewölktem Himmel – im Skiurlaub sicherlich auch in den Wintermonaten. Es gilt die ABC-Regel: Ausweichen, Bekleiden, Cremen. Jeder hat sein Hautkrebsrisiko – und als Eltern selbstverständlich auch das der Kinder – selber in der Hand. Neben einem Cappi oder Hut sollte sich im Picknickkorb oder der Strandtasche eine Flasche Sonnenmilch mit einem Lichtschutzfaktor ab 30 befinden und am Strand, im Freibad oder Park ein schattiges Plätzchen gesucht werden. Eine so genannte gesunde Sonnenbräune gibt es nicht, das sage ich ganz deutlich. Nicht nur die Zahl der Sonnenbrände erhöht das Hautkrebs-Risiko, sondern jede Bräune, die durch Sonnenbelastung entstanden ist. Unsere Haut vergisst nichts.“
Welche Rolle spielt der UV-Index?
„Der UV-Index gibt Aufschluss über die Gesundheitsgefahr durch ultraviolette (UV-) Strahlung, die unserer Erbsubstanz schaden kann. Die WHO definierte den weltweit einheitlichen UV-Index, der auf einer Skala von eins, für gering, bis elf, für extrem, rangiert. Eine akute Hautbräunung ist als Zeichen des Schutzes vor erhöhten Strahlungsdosen zu verstehen, Sonnenbrand als Zeichen für eine Überdosierung – der hauteigene Schutzmechanismus ist dabei überfordert. Nicht nur das Hautkrebs-Risiko steigt, auch die Hautalterung schreitet schneller voran, es drohen mehr Falten und Pigmentstörungen. Heute gibt es relativ gute Wetter-Apps, die auch den UV-Index abbilden, so kann sich jeder tagesaktuell informieren und ist somit gewarnt, wenn der UV-Index riskant hoch ist.“
Die Konsequenz ist dann, im Haus bleiben?
„Auf jeden Fall sollte man die Mittagssonne in der Zeit von 11 bis 16 Uhr meiden. Die Südländer machen es uns vor – eine Siesta im Innenraum ist sinnvoll. Am späten Nachmittag und Abend ist die UV-Belastung viel geringer als in den Mittagsstunden. Und was bleibt, ist die unbedingte Empfehlung, Sonnencreme aufzutragen. Dabei gibt der Lichtschutzfaktor (LSF) an, wie lange das verwendete Produkt die Haut vor Schäden durch UV-Strahlung schützt. Der LSF verlängert die Eigenschutzzeit der Haut. Diese ist individuell anders, denn sie richtet sich nach dem Hauttyp. Der Hauttyp eins mit rötlichem Haar und sehr heller Haut beispielsweise hat lediglich eine Eigenschutzzeit von fünf bis zehn Minuten, bevor ein Sonnenbrand droht, der Hauttyp sechs hat hingegen 90 Minuten Eigenschutzzeit. Neben dem Cremen schützt dünne Kleidung – die gibt es auch für den Strand – besonders gut, auch das Tragen einer Sonnenbrille mit dem Gütesiegel „UV-400“ ist empfehlenswert.“
Sonnencreme wird vermehrt genutzt, allerdings steigt auch die Zahl der Menschen, die an Hautkrebs erkranken – wie erklären Sie das?
„Hier sprechen wir von dem so genannten Sonnenschutz-Paradoxon. Viele Menschen verstehen die Verwendung von Sonnenschutzmitteln als eine Art Freischein fürs Bräunen. Dabei wird aber zum einen nicht ausreichend gecremt, zum anderen verlängert sich der Schutz nicht durch wiederholtes Auftragen. Dieses falsche Sicherheitsgefühl führt dazu, dass sich die Menschen viel zu lange der Sonne aussetzen. Somit sorgt ein höheres Bewusstsein also nicht zwangsläufig zu einem effektiveren Schutz. Dem Statistischen Bundesamt zufolge haben die Fälle von weißem Hautkrebs seit 2001 um 114 Prozent zugenommen. Darunter fallen das häufigere Plattenepithelkarzinom und das Basalzellkarzinom – die überwiegende Ursache ist eine chronische über Jahre anhaltende UV-Belastung vor allem bei sonnenlichtempfindlichen Menschen. Besonders gefährdet sind die „Sonnenterrassen“ Stirn, Nase, Kinn, Kopfhaut. Das Melanom, der so genannte schwarze Hautkrebs, hingegen tritt auch in Schleimhäuten oder an Fußsohlen auf, hängt nur in 60 Prozent der Fälle mit einer UV-Exposition zusammen.“
Stichwort Hautkrebs-Vorsorge: Was wird untersucht und wer nimmt sie wahr?
„Jede und jeder Versicherte ab 35 Jahren hat in Deutschland Anspruch, sich alle zwei Jahre einer Ganzkörper-Untersuchung der Haut zu unterziehen, viele Krankenkassen bieten dies bereits jüngeren Versicherten an. Dabei sucht die Dermatologin, bzw. der Dermatologe gezielt nach auffälligen Hautveränderungen und nimmt Muttermale und Leberflecke genauer unter die Lupe. Leider zeigt sich, dass das Hautkrebsscreening trotz steigender Hautkrebs-Diagnosen wenig genutzt wird. Dabei gilt: Je früher entdeckt, desto besser die Heilungschancen. In unserer Klinik für Dermatologie an den Evang. Kliniken Essen-Mitte bieten wir ein modernes 3D-Bildgebungssystem zur Ganzkörperkartografie an, das mit nur einer Aufnahme lückenlos die gesamte Hautoberfläche erfasst. So können wir pigmentierte Läsionen und andere Hautkrankheiten erfassen, beobachten und ggf. mittels Künstlicher Intelligenz analysieren.“
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