Auf der Spur von Weihnachtsgeld und Co.
Das haben wir uns verdient!
Westfalen. Laut einer Umfrage der Hans-Böckler-Stiftung aus diesem Jahr bekommen es immerhin noch 53 Prozent aller Beschäftigten in Deutschland: ein zusätzliches Entgelt des Arbeitsgebers, das gegen Ende des Jahres (meist im November) ausgezahlt und als "Weihnachtsgeld" bezeichnet wird.
Mit dem "Weihnachtsgeld" und anderen Gratifikationen zum Fest haben sich die LWL-Volkskundler beschäftigt und herausgefunden, dass tariflich vereinbarte Weihnachtszuwendungen bereits eine 66-jährige Geschichte haben: Die Gewerkschaft "Öffentlicher Dienst, Transport und Verkehr" (sie ging 2001 in der vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di auf) war es, die 1952 erstmals einen Tarifvertrag mit einer solchen Gratifikation durchsetzte.
Trinkgelder und Gehaltszulagen zu Weihnachten oder Neujahr sind jedoch nicht neu: Bereits Ende des 15. Jahrhunderts erhielt das Gesinde des Klosters Freckenhorst ein sogenanntes Offergeld, hochdeutsch Opfergeld. Auch Caspar von Fürstenberg berichtet in seinem Tagebuch aus dem ausgehenden 16. Jahrhundert von der Zahlung von Offergeld an seine Bediensteten und seine Kinder. Ursprünglich war das Offergeld wohl ein Zuschuss für die Armenspende, die die Gottesdienstbesucher während des Festtagsgottesdienstes leisten sollten. "Ab wann die Beschenkten dazu übergingen, das Geld ganz oder teilweise zu behalten, lässt sich leider nicht sagen", so Christiane Cantauw, Geschäftsführerin der Volkskundlichen Kommission beim LWL.
Eine andere Form der Weihnachtsgratifikation waren die Umgänge verschiedener Berufsgruppen, die überwiegend dem öffentlichen Dienstleistungsbereich zuzurechnen waren. Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein war es üblich, dass Hirten, Küster, Lehrer, Gemeindeboten, Nachtwächter aber auch Schmiedegesellen oder Müllerburschen zwischen Weihnachten und Neujahr von Haus zu Haus gingen, ein Lied sangen oder ein Sprüchlein aufsagten und dafür Gaben erhielten. Nicht selten war diese Form des Umgangs Teil ihrer Entlohnung wie ein Beispiel aus Dortmund zeigt, wo der Stadtrat den Nachtwächtern einen zweimal jährlichen Umgang gestattete, und alle Einwohner verpflichtete, ihnen jeweils mindestens zwei Stüber (= kleine Münze, vergleichbar mit Groschen) zu geben.
Auch aus Datteln, Suderwich (beide Kreis Recklinghausen), Einen (Kreis Warendorf), Schwelm (Kreis Ennepe-Ruhr), Rietberg (Kreis Gütersloh) oder aus dem Paderborner Land sind solche Umgänge überliefert, die die Akteure als ihr gutes Recht begriffen. "Wenn es in einem entsprechenden Spruch heißt 'Hier ist der Mühlenknecht, der will haben sein Gerecht; wenn er sei Gerecht nicht kriggt, bringt er euch die Kleie nicht', dann wird schon deutlich, dass hier kein unterwürfiger Bittsteller vor der Tür stand, sondern jemand durchaus selbstbewusst sein '(Ge-)Recht' einforderte", erläutert Cantauw den alten Brauch.
Das Neujahrskollektieren geriet im 19. Jahrhundert allerdings zunehmend in die Kritik. "Diese Form der informellen Beziehungen auf Gegenseitigkeit passte nicht in eine sich formierende moderne Gesellschaft, in der Leistung und Gegenleistung vertraglich geregelt und anonymisiert sein sollten", sagt Cantauw. Die Mindener Regierung gestattete deshalb nur noch den Nachtwächtern ihren Umgang, während im Münsterland bis auf weiteres noch allen denjenigen der Umgang gestattet war, denen dies ausdrücklich bewilligt worden war oder die sich auf althergebrachte Rechte berufen konnten.
"Wie lange sich trotzdem der Gedanke gehalten hat, dass wir uns zum Jahresende bei einigen Dienstleistern besonders erkenntlich zeigen sollten, belegt auch die Sitte, den Briefzustellern und den Müllfahrern ein Trinkgeld zu geben. Das war in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch weit verbreitet", erläutert Cantauw. "In einer Gesellschaft, in der Anerkennung nicht zuletzt über Geld ausgedrückt wird, schienen solche persönlichen Gratifikationen durchaus angebracht."
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