Von der Krebspatientin zum Coach für Krebskranke
Carolin Bieschke: „Ich musste kämpfen. Sterben wollte ich ja nicht.“
Carolin Bieschke ist 28 Jahre alt, als eine Diagnose ihr komplettes Leben verändert. Plötzlich ist die Krankenpflegerin vom Uni-Klinikum Essen, die lange Zeit in der Onkologie arbeitet, selbst Krebspatientin. All ihre Pläne, Ziele und Hoffnungen werden von einem auf den anderen Tag von Todesangst überschattet. Jahre später hilft Sie nun selbst als Coach Krebspatienten aus der Krise.
von Nina Sikora
Fitness und Reiten sind ihre Steckenpferde, als der jungen Essener Krankenschwester im Februar 2013 ein kleines Missgeschick passiert: Sie stürzt. Danach entdeckt sie einen kleinen Knubbel an der rechten Seite im Hals-/Schulterbereich. „Bestimmt nur eine Zerrung“, denkt sie. Im März zieht sie mit ihrem Freund in die erste gemeinsame Wohnung. Carolin packt beim Umzug fleißig mit an. Daraufhin wird der Knubbel immer größer. Im Uni-Klinikum lässt sie sich sicherheitshalber untersuchen. „An Krebs habe ich nicht gedacht. Krebs haben doch immer nur alle anderen. Dass es einen selbst treffen könnte, daran denkt man nicht.“ Doch dann die Schock-Diagnose: Es ist Krebs! „In dem Moment dachte ich: Das war es!“.
Umgehend beginnt die Endzwanzigerin eine Chemotherapie, deren Ausgang ungewiss ist und die für ihren bestehenden Kinderwunsch das Ende bedeuten kann. Die Chemo dauert über drei Monate. „Mir ging es von Chemo zu Chemo schlechter. Aber meine mentale Stärke war unglaublich. Aber was hatte ich auch für eine Wahl? Ich musste kämpfen. Sterben wollte ich ja nicht.“ Noch im Sommer 2013 ist die Chemo beendet - und sie hat Spuren hinterlassen.
Das Leben nach dem Krebs
Als Carolin Bieschke in die Anschlussrehabilitation kommt ist sie körperlich sehr schwach, hat eine Beinvenenthrombose und eine leichte Lungenembolie, kann kaum 50 Meter laufen. Ihr Kopf ist kahl und die Frau im Spiegel hat nichts mehr mit der Person zu tun, die sie noch vor ein paar Wochen war. „Ich weiß noch, es war ein total schöner Tag. Die Sonnen hat geschienen und ich konnte nicht raus. Plötzlich habe ich angefangen zu heulen und konnte nicht mehr aufhören. Da habe ich mich gefragt: Das ist das, wofür du so gekämpft hast?“ Von der alten, sportlichen und energiegeladenen Carolin ist zu diesem Zeitpunkt kaum mehr was übrig. „Man hatte immer dieses Ziel vor Augen, den Krebs zu besiegen und wenn man das geschafft hat, dann steht man plötzlich da und merkt: Nichts ist mehr so, wie es war. Ich bin nicht mehr so wie ich war, weder körperlich noch geistig.“ Ans alte Leben einfach anknüpfen, funktioniert nicht. Es beginnt für die junge Frau das Leben nach dem Krebs.
Die Essenerin macht sich eine Bucketlist (eine Aufstellung aller Dinge, die man vor seinem Tod noch erledigen will). Sie will einen Hund kaufen, wieder Reiten gehen und Urlaub am Meer machen. Doch umgesetzt bekommt sie zunächst keines Ihrer Ziele. „Das lag am Fatigue-Syndrom. Das ist eine Art Erschöpfungszustand mit Leistungs- und Konzentrationsschwäche, der häufig bei Krebspatienten auftritt“, erklärt die Fachfrau. „Und eben weil man nicht geschafft bekommt, hat man schlechtes Gewissen, weil man das Leben, das einem ja jetzt geschenkt wurde, nicht nutzt.“ Zudem hat sie einen neuen Begleiter in ihrem Leben: die Angst. Die Ängste weiten sich aus zu Panikattacken. “Es ist nicht nur die Angst, dass der Krebs zurückkehrt, man fühlt sich vom eigenen Körper betrogen. Man hat nicht schlecht gelebt und trotzdem ist das alles passiert. Das Vertrauen in den Körper ist weg. Man kann nicht einfach so an das alte Leben davor anknüpfen.“
Aus der Krise mit Mentaltraining
Irgendwann entdeckt sie das Mentaltraining für sich: „Über das Mentaltraining ging alle ganz schnell. Innerhalb von nur drei Monaten hatte ich keine Panikattacken mehr. Und ich habe gelernt: Alle Gefühle sind wertvoll. Auch die Angst. Sie möchte dich beschützen. Wie ein großer Bruder, der es mit dem Beschützen etwas übertreibt.“ Ihr neues Lebensmotto nach Jospeh Goldstein: „Wir können die Wellen nicht aufhalten, aber wir können lernen auf ihnen zu reiten.“
Es ist 2016, Carolin wohnt jetzt in Burgaltendorf, ist seit längerer Zeit wieder Single und lernt einen neuen Mann kennen. Auch fühlt sie sich nun bereit herauszufinden, ob ihr Lebenstraum vom Kinderwunsch trotz erfolgter Chemo-Therapie noch erfüllt werden kann. 2017 wird klar: Er kann, aber: „Man sagte mir: ‚Wenn Sie einen Kinderwunsch haben, dann jetzt!‘.“ Heute ist ihr damaliger Freund ihr Ehemann und die beiden haben „zwei wundervolle Töchter“.
Das Thema Krebs ist noch immer ein Teil von Carolin Bieschkes Leben und das an manchen Stellen sogar ganz bewusst. Denn in der Elternzeit kommt sie in Kontakt mit dem Thema Coaching und lässt sich Ausbilden. „Wir sollten unser Coaching-Thema selbst finden und dann war mir relativ schnell klar, dass es bei das ‚Leben nach einer Krebserkrankung‘ sein wird.“ Sie selbst hätte sich nämlich jemanden gewünscht, der sie nach dem Krebs hätte anleiten können, mit all dem Erlebten und den Veränderungen umzugehen, denn: „Egal, wie gut Psychiater auch in ihrem Job sind, die meisten haben nicht all das durchgemacht und können sich nicht wirklich in einen Krebspatienten hineinversetzten. Sie haben keinen Bezug dazu. Zudem haben viele Patienten an die Reha viel zu hohe Erwartungen und der Effekt verfliegt schnell wieder, wenn man zurück zu Hause ist. Und das eigene Umfeld glaubt, wenn der Krebs weg ist, dann ist alles wieder gut.“ Wie hoch der Bedarf an Unterstützung bei Menschen ist, die den Krebs besiegt haben, zeigt ihr erster kostenloser Online-Workshop. „120 Leute haben sich dafür angemeldet! Ich war selbst überwältigt, ich habe ja nur ein bisschen Werbung auf Instagram gemacht.“, erzählt sie. Das Interesse an ihren 12-wöchigen 1:1- Online-Coaching ist ebenfalls sehr groß.
Wer sich durch Carolin Bieschkes Geschichte angesprochen fühlt, findet sie unter auf Instagram unter dem Namen carolin_bieschke oder kann per Mail an lebennachkrebs.coaching@gmail.com Kontakt zu ihr aufnehmen.
Autor:Nina Sikora aus Essen |
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