Interview: Hypnobirthing in Essen
Auf der Geburtswelle surfen
Hypnobirthing - was soll das sein? Manche Schwangere hat sich das vielleicht schon mal gefragt. Geburt unter Hypnose etwa? Irgendein neumodischer Hokuspokus? Esoterik mit Räucherstäbchen? Nichts von alledem, versichert Henriette Kortekamp. Die 33-Jährige wohnt mit Mann und drei Kindern auf der Margarethenhöhe, ist eigentlich Lehrerin - und hat sich kürzlich bei der Hypnobirthing Gesellschaft Europa zum Hypnobirthing Coach ausbilden lassen. Ab August gibt sie Kurse in den Räumen der Hebammen auf der Höhe - für Paare, die sich auf eine sanfte und angstfreie Geburt ihres Kindes vorbereiten möchten (Originalinterview unter www.diehoehe.de).
Viele Stars und sogar Herzogin Kate sollen ja darauf schwören – ist das jetzt der neueste Trend?
Henriette: Ich würde eher sagen, die Verantwortung für die Geburt liegt immer mehr bei uns selbst. Viele Frauen finden schon lange keine Hebamme mehr für die Vorbereitung auf die Geburt, Kreißsäle sind überlastet. Hypnobirthing kann Frauen stark machen und ihnen helfen, sich selbst zu vertrauen.
Du hast selber drei Kinder - wie waren deine eigenen Erfahrungen?Henriette: Bei der Geburt meines ersten Kindes war für mich klar, ich gehe in ein großes Krankenhaus mit Säuglingsintensivstation, Sicherheit war mir wichtig. Nach dem Geburtsvorbereitungskurs dachte ich, ich sei vorbereitet – und war dann doch ziemlich überrascht von den Umständen, konnte mit den Wehen nicht gut umgehen. Letztlich ging alles gut, aber es war nicht so, wie ich es mir gewünscht hätte.
Was lief denn falsch?
Henriette: Ich hatte eine Hebamme und dachte: Die hilft mir jetzt, ich kann die Verantwortung für die Geburt an sie abgeben. Aber ich war nicht selbstbestimmt. Ich wollte keine Schmerzmittel, aber war dann mit den Wehen überfordert und dachte, warum tut das so weh?
Du hast dann ein Buch über Hypnobirthing gelesen und dein zweites Kind zu Hause bekommen. Hattest du eine schmerzfreie Geburt?
Henriette: Nein, sie war nicht schmerzfrei. Aber ich konnte besser verstehen, woher die Wehen kommen und wie ich mit meinem Körper und meinem Baby zusammenarbeiten kann. So war es eine sehr sanfte und natürliche Geburt.
Was hat Hypnobirthing damit zu tun?
Henriette: Man baut schon in der Schwangerschaft eine Bindung zum Baby auf durch bestimmte Rituale. Das Baby wird so behandelt, als sei es schon da, als Teil der Familie, nur eben noch „originalverpackt“. Dadurch ist man sich unter der Geburt bewusster darüber, dass das Kind sich seinen Weg suchen wird. Die Mutter muss sich nur entspannt zurücklehnen, ihren Körper machen lassen und Vertrauen haben.
„Entspannt zurücklehnen“ – das klingt für viele Frauen provokant…
Henriette: Bei Hypnobirthing geht es um eine besonders tiefe Form der Entspannung. Man lernt, sich selbst in einen tranceähnlichen Zustand zu bringen.
Aber keine Show-Hypnose, und später kann man sich an nichts erinnern
Henriette: Das ist eine Sorge, die manche Frauen haben. Nein, es handelt sich immer um eine Form der Selbsthypnose, die nur funktioniert, wenn man selbst dazu bereit ist. Man ist dabei trotzdem bei vollem Bewusstsein, bekommt alles mit.
Wie kommt man in diesen Zustand?
Henriette: Man kann seinen Körper mit viel Üben beibringen, in diese tiefe Entspannung zu kommen – etwa über Bilder, Gerüche, Musik oder mit Hilfe des Partners, der vielleicht etwas vorliest. Jeder findet da seinen eigenen Weg. Im Hypnobirthing-Kurs gebe ich den Paaren eine Art Werkzeugkoffer mit, aus dem sie sich bedienen können. Es ist Übungssache, aber am Ende reicht oft ein kleiner Reiz, um in diese tiefe Entspannung zu finden.
Normalerweise geht es bei der Geburtsvorbereitung immer um die Atmung...
Henriette: Atmung spielt bei der Geburt die entscheidende Rolle. Im Hypnobirthing lernt man drei wichtige Atemtechniken für die verschiedenen Phasen der Geburt. Eine davon, die Ruheatmung, kann man übrigens immer gebrauchen, auch in stressigen Situationen im Beruf oder in der Familie.
Diese tiefe Entspannung schaltet aber den Schmerz nicht aus – oder
Henriette: Manche kennen Hypnose vielleicht aus Zahnbehandlungen: Um Schmerzen wirklich auszuschalten, muss man eine gewisse Stufe der Entspannung erreichen. Manche Frauen erreichen diese Stufe, aber Ziel von Hypnobirthing ist keine komplett schmerzfreie Geburt. Sie soll sanft, natürlich und selbstbestimmt sein, und sie kann dadurch auch schmerzarm sein.
Vor der Geburt deines dritten Kindes hast du mit deinem Partner einen Hypnobirthing-Kurs besucht, jetzt gibst du selbst welche. Was erwartet die Teilnehmer bei dir?
Henriette: Ich kann versichern: Wir tanzen nicht im Kreis, es gibt kein Pendel und auch keine Räucherstäbchen. Es ist ein ganzheitlicher Kurs zur Vorbereitung auf die Geburt, es geht um den physiologischen Ablauf und mögliche Geburtspositionen, wir sprechen über gesunde Ernährung, Haltung und Bewegung in der Schwangerschaft. Und dann gibt es die Entspannungstechniken und die Bindungsarbeit zwischen Mutter, Geburtsbegleiter und Baby.
Sollte man denn, so wie du, eine außerklinische Geburt planen, wenn man Hypnobirthing erfolgreich umsetzen will, oder geht das auch im Krankenhaus?
Henriette: Hypnobirthing kommt ja ursprünglich aus Amerika, und dort finden die meisten Geburten im Krankenhaus statt. In unseren Kliniken müssen Hebammen oft viele Geburten auf einmal betreuen, man verbringt also viele Stunden alleine im Kreißsaal. Aber man braucht auch erstmal niemanden außer den Geburtsbegleiter. Mit Hypnobirthing kann man sich darauf gut vorbereiten. Man sollte immer kooperativ sein und im Team arbeiten, aber mit Hypnobirthing braucht man nur medizinische Unterstützung, wenn sie wirklich notwendig ist.
Und wenn das trotzdem nicht funktioniert?
Henriette: Wir bereiten uns bestmöglich vor, aber es gibt keine Garantie. Man hat immer die „Geburt des Tages“, das heißt, je nachdem, wie die Umstände sind, kann natürlich auch eine Hypnobirthing-Geburt mit einem Kaiserschnitt enden. Aber viele Frauen berichten, dass sie dann trotzdem die Entspannungstechniken nutzen und besser damit umgehen konnten, weil sie über alle Optionen gut informiert sind und mitentscheiden.
In deinen Kursen verzichtest du aber bewusst darauf, Horrorgeschichten zu verbreiten.
Henriette: Ja, wir sprechen in der Runde nicht über negative Geburtserfahrungen, sondern ich frage die Paare vorher am Telefon danach. Im Kurs möchte ich den werdenden Eltern vermitteln, dass sie sich auf die Geburt freuen können. Dazu gehört auch, negative besetzte Begriffe durch positivere zu ersetzen. Die Sprache beeinflusst unser Unterbewusstsein.
Kannst du ein Beispiel nennen?
Henriette:Im Hypnobirthing spricht man zum Beispiel nicht von Wehen, sondern von Wellen. Und im Kurs lernt man, wie man mit dieser Welle gehen, wie man sie „surfen“ kann.
Manche werdende Mama findet es vielleicht zu teuer, über 300 Euro für einen solchen Kurs auszugeben…
Henriette: Ja, das ist nicht wenig. Aber die Geburt eines Kindes ist eine Erfahrung fürs Leben. Eltern geben oft viel Geld für Babyausstattung aus, vielleicht ist es ihnen ja auch wert, das Ganze mit einer schönen Geburt zu beginnen.
Kennenlernen und mehr erfahren
Wer neugierig auf Hypnobirthing geworden ist, kann Henriette Kortekamp bei einem kostenlosen Info-Abend auf der Margarethenhöhe persönlich kennenlernen, erste Fragen loswerden und auch schon für die Kurse anmelden. Termine und mehr Infos zum Hypnobirthing-Angebot gibt es auf Henriettes Homepage: www.hypnobirthing-essen.de.
Ort: Hebammen auf der Höhe, Sommerburgstraße 16a
Anmeldung erwünscht unter henriette@hypnobirthing-essen.de
Noch mehr Infos
Mehr über das Kursangebot der Hebammen auf der Höhe findet gibt es auf der Internetseite www.hebammenaufderhoehe.de.
Noch mehr über Hypnobirthing erfährt man bei der HypnoBirthing Gesellschaft Europa unter www.hypnobirthing.de.
Autor:Sonja Mersch aus Essen |
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