Camping-Urlaub in den Sommerferien
ADAC Tourismus-Experte Dirk Schneider im Interview
Camping-Urlaub liegt im Trend. Die Nachfrage für die Sommerferien ist groß. Nach Nordrhein-Westfalen haben inzwischen auch die anderen Bundesländer ihre Corona-Einschränkungen gelockert. Campingplätze in ganz Deutschland sind wieder geöffnet. Beliebte europäische Reiseländer wie Italien ziehen nach. Tourismus-Experte Dirk Schneider (43) vom ADAC Nordrhein spricht im Interview über die aktuelle Buchungssituation, gibt Tipps für die Anmietung eines Wohnmobils und erklärt, wie Neueinsteiger ein geeignetes Reiseziel finden.
Von Thomas Müther
Herr Schneider, es scheint, als könnten sich Campingplätze und Wohnmobil-Vermietungen vor Anfragen für die Sommerferien kaum retten. Warum ist das so?
Schon vor der Corona-Krise stand Camping hoch im Kurs. Viele Urlauber verbinden mit Campen ein großes Freiheitsgefühl. Im vergangenen Jahr gab es 36 Millionen Übernachtungen auf Campingplätzen in Deutschland. In Corona-Zeiten verstärkt sich der Trend nochmal. Viele Faktoren sprechen für ein geringeres Risiko, sich mit dem Virus zu infizieren als bei einem klassischen Hotelurlaub. Wer mit dem Camper unterwegs ist, muss sich in keinem Speisesaal mit anderen Urlaubern drängeln, sorgt für keinen Engpass im Hotelflur und bringt sein eigenes Gästezimmer selbst mit. Die Anreise erfolgt individuell und auf Campingplätzen sind Parzellen meist so gestaltet, dass die Besucher ausreichend Abstand halten können.
Hat man denn jetzt überhaupt noch eine Chance, ein Wohnmobil für die Sommerferien zu mieten?
Je nach Region bekommt man bei den Vermietungen teilweise schon nichts mehr. Gerade zentrale Vermietstationen in größeren Städten sind häufig bereits ausgebucht. Ganz hoffnungslos ist die Situation aber nicht. Es lohnt sich, auch mal im erweiterten Umkreis rund um den eigenen Wohnort zu suchen, 20, 30 oder 40 Kilometer entfernt. Generell gilt: Möglichst schnell buchen, sonst ist alles weg.
Wohnmobile kann man entweder bei Direkt-Anbietern mieten oder auf Vermittlungsportalen. Was sind die Unterschiede?
Direkt-Anbieter haben in der Regel nur Fahrzeuge der eigenen Marken im Angebot. Vermittlungsportale bündeln häufig die Angebote von verschiedenen Anbietern. Die Auswahl ist größer, dass führt mitunter zu einer höheren Verfügbarkeit. Gerade bei Wohnmobilen lohnt sich ein Vergleich der Angebote.
Braucht man einen besonderen Führerschein fürs Wohnmobil oder den Wohnwagen? Welche Mietbedingungen gibt es?
Bei Wohnmobilen unter 3,5 t reicht der normale Pkw-Führerschein, Klasse B. Ist das Wohnmobil schwerer, benötigt man mindestens die Klasse C1. Damit darf man Fahrzeuge bis zu 7,5 t fahren. Führerscheine, die vor 1999 ausgestellt worden sind, erlauben das Fahren beider Klassen. Bei Gespannen mit Wohnanhängern unter 3,5 t zulässigem Gesamtgewicht, inklusive Pkw, reicht Klasse B aus. Für alles darüber sind wieder größere Führerscheinklassen notwendig. Voraussetzung für die Anmietung ist neben einem geeigneten Führerschein häufig ein Mindestalter von 21 Jahren.
Was kostet ein Wohnmobil am Tag? Und welche weiteren Kosten kommen noch hinzu?
Je nach Größe und Dauer der Anmietung variieren die Preise sehr stark. Bei einem 14-tägigen Urlaub mit einem gemieteten Wohnmobil können es 100 bis 160 Euro pro Tag werden. Wenn man die enthaltenen Freikilometer überschreitet, kommen etwa 40 Cent pro gefahrenem Mehrkilometer hinzu. Weitere Kosten können entstehen, wenn man ein Haustier dabei hat. Vermieter berechnen hier etwa sieben bis acht Euro extra pro Tag. Die Benzinkosten hängen vom Reiseziel ab. Im Durchschnitt verbrauchen Wohnmobile neun bis 14 Liter Diesel pro 100 Kilometer.
Welchen Versicherungsschutz empfehlen Sie, um im Schadensfall nicht tief in die eigene Tasche greifen zu müssen?
Wenn man in Deutschland ein Fahrzeug mietet, ist neben der obligatorischen Haftpflichtversicherung meistens eine Vollkasko- oder Teilkaskoversicherung dabei. Wir empfehlen eine Vollkasko-Versicherung. Zudem lohnt sich ein Blick auf die Selbstbeteiligung. Die kann schonmal 1000 bis 3000 Euro betragen. Im Schadensfall sprengt das die Urlaubskasse. Mit einer optionalen Selbstbehaltsversicherung lässt sich der Eigenanteil deutlich reduzieren. Allerdings steigt dann der Tagesmietpreis und trotzdem sind nicht immer alle Schadensfälle abgedeckt. Man muss also genauer hinschauen und abwägen.
Ist eigentlich schon eine gewisse Grundausstattung im Fahrzeug, zum Beispiel in der Küche, oder muss man alles selbst mitbringen?
Das Wohnmobil befindet sich in einem leeren Zustand. Handtücher, Geschirr, Besteck oder Bettwäsche müssen selbst mitgebracht und eingeräumt werden. Wer mit Kindern unterwegs ist, sollte auch an einen Kindersitz denken. Der ist bei Miet-Wohnmobilen in der Regel auch nicht dabei.
Kann ich mich nach der Anmietung direkt reinsetzen und losfahren, oder sind weitere Kenntnisse erforderlich?
Erstmal sollte man für die Abholung des Wohnmobils genug Zeit einplanen, denn man erhält eine gründliche Einweisung. Der Umgang mit der Frisch- und Abwasseranlage, die Strom- und Gasversorgung, Bedienelemente… Da gibt es eine ganze Menge zu beachten. Die Einweisung kann durchaus eine Stunde dauern und das ist auch sinnvoll. Wer zum ersten Mal ein Wohnmobil mietet, sollte sich mit den Fahrzeugdimensionen und dem Verhalten des Fahrzeugs vertraut machen. Länge und Breite sind ja anders als beim Auto. Ein Beispiel: Wenn man beim Abbiegen zu eng einlenkt, ist schnell mal der Bordstein rasiert.
Das Fahrzeug ist ja nur die halbe Miete. Wie sind in Deutschland und Europa die Plätze bislang gebucht?
Im Mai hat sich die Suche nach deutschen Campingplätzen auf PiNCAMP, dem Camping-Portal des ADAC, gegenüber dem Vorjahr vervierfacht. Die meisten Plätze in Deutschland sind für den Sommer bereits sehr stark belegt, manche sogar ausgebucht. Die Bundesregierung hat zudem die Reisewarnung für 29 europäische Länder zum 15. Juni aufgehoben. Bis zu den Sommerferien werden viele beliebte Ziele im Ausland wieder verfügbar sein. Einreisen nach Italien, ein Camping-Klassiker, sind jetzt schon wieder erlaubt. Zu erwarten ist, dass es - wie in Deutschland - auch in anderen Ländern zu einem verstärkten Inlandsurlaub kommt und damit zu einer hohen Auslastung der Stell- und Campingplätze. Deshalb sollte man zwingend vorher die Verfügbarkeit prüfen und nicht auf gut Glück losfahren. Sonst ist die Enttäuschung vor Ort groß.
Für Camping-Urlauber aus NRW sind gerade die Niederlande ein beliebtes Ziel. Gibt es da noch Corona-Einschränkungen?
Die Campingplätze unserer Nachbarn können angesteuert werden. An der Grenze gibt es in der Regel auch keine Probleme. Die sanitären Anlagen auf den Campingplätzen haben allerdings noch bis Ende Juni geschlossen, so dass man dort nur übernachten darf, wenn das Wohnmobil oder der Wohnwagen mit eigenen sanitären Anlagen ausgestattet ist. Ab 1. Juli sollen alle Campingplätze und auch Ferienparks wieder komplett öffnen. Restaurants, Cafés, Strandpavillons und Kneipen dürfen momentan maximal 30 Gäste bewirten und man braucht eine Reservierung. Ab Juli sind dann bis zu 100 Gäste erlaubt. Zum Schutz vor Covid-19 gilt auch in den Niederlanden ein Mindestabstand von 1,5 Metern.
Was muss man für den Stellplatz auf einem Campingplatz kalkulieren?
Auf Campingplätzen sollte man mit mindestens 20 Euro pro Tag rechnen, Tendenz aufwärts. Es können es auch 40 Euro werden. Teilweise gibt es auch kostenlose Stellplätze, wenn man auf Sanitäranlagen verzichten kann. Diese eignen sich aber meist nur für eine Zwischenübernachtung und nicht für einen längeren schönen Camping-Urlaub.
Wie finden Neueinsteiger das richtige Ziel für den ersten Camping-Urlaub?
Wer zum ersten Mal mit dem Wohnmobil unterwegs ist, der sollte mit einer realistischen Route und nicht zu großen Entfernungen starten. Mehr als 80 bis 90 Kilometer schafft man pro Stunde nicht. Deswegen unbedingt überlegen, wie viele Zeit man am Tag hinterm Steuer verbringen möchte. Ansonsten ist Frust vorprogrammiert. Infrage kommen vor allem Ziele innerhalb Deutschlands oder in Nachbarländern mit guter Infrastruktur und komfortablen Plätzen. Geeignet und beliebt sind Frankreich, die Niederlande, Dänemark, Österreich und Italien. Welche Art Camping- oder Stellplatz es wird, ist vor allem eine Typfrage: Was ist mir besonders wichtig? Die Lage, zum Beispiel am Meer oder mit Blick auf die Berge? Familienfreundlichkeit, Komfort, eine Top-Bewertung? Wer sich unsicher ist, probiert am besten mehrere Varianten aus. Das Tolle am Camping ist ja gerade die Flexibilität.
Was ist während der Fahrt erlaubt, kochen oder duschen zum Beispiel?
Klares Nein. Während der Fahrt sitzt man - genau wie im Auto - angeschnallt auf seinem Sitz. Mal eben ein Spiegelei brutzeln ist verboten und ehrlich gesagt lebensmüde. Schon bei einem Ausweichmanöver oder etwas stärkerem Abbremsen könnte so eine Aktion schlimme Folgen haben.
Wenn es einem unterwegs irgendwo gut gefällt, darf man dann spontan das Wohnmobil abstellen und übernachten?
Das wird je nach Reiseland sehr unterschiedlich geregelt. Das einzige Land in Europa, wo man uneingeschränkt übernachten und frei campen darf, ist Rumänien. In allen anderen Ländern gelten Einschränkungen oder das Übernachten bzw. freie Campen ist verboten. In Skandinavien wird das etwas lockerer gehandhabt, aber auch da kann es regionale Einschränkungen geben. In Deutschland ist das einmalige Zwischenübernachten zur Wiederherstellung der Fahrtüchtigkeit erlaubt. Wenn ich also extrem müde bin, darf ich mein Fahrzeug überall da, wo es nicht verboten ist, abstellen. Das gilt aber wirklich nur zum Ausruhen und maximal zehn Stunden. Camping-Aktivitäten entfalten, wie Liegestühle rausstellen, den Grill anschmeißen und die Markise ausfahren, geht nicht.
Die Camping-Leistung des ADAC Nordrhein:
• Eine Beratung zum Thema Camping-Urlaub bekommen Mitglieder und Kunden in den ADAC Reisebüros sowie telefonisch unter 0 800 5 21 10 12 (Mo-Fr: 10-17 Uhr; Sa: 9-14 Uhr). Alle Standorte unter www.adac-nordrhein.de.
Autor:Andrea Becker aus Essen-Borbeck |
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