Analyse & Konzepte und das Ministerium für Wahrheit
Unter Marktpreis – kaum bezahlbarer Wohnraum für Leistungsberechtigte
Um die Hamburger Firma Analyse & Konzepte ist es auffällig ruhig geworden. Nach der vernichtenden Kritik des Bundessozialgerichts an 6 Konzepten aus 5 Landkreisen geht ein so etwas wie ein kleines Beben durch die weiteren betroffenen Kreise, auch durch den Märkischen Kreis.
Die Bundessozialrichter beanstandeten in den Entscheidungen vom 30.01.2019 die Vorgehensweise bei der Ermittlung der Mietobergrenzen. In der Urteilsbegründung zum Jobcenter Salzlandkreis (Februar bis Juli 2011); B 14 AS 11/18 R ist in der Urteilsbegründung ausgeführt:
Rn. 27 „Ist die Ermittlung dieses abstrakten Angemessenheitswerts rechtlich zu beanstanden, ist dem Jobcenter Gelegenheit zu geben, diese Beanstandungen durch Stellungnahmen, ggf nach weiteren eigenen Ermittlungen, auszuräumen.“
Bedenkt man, dass die im Streit stehenden Kosten der Unterkunft nur den Monat Juli 2011 betreffen, dann wirkt solche jahrelange Urteilsverschleppung wie eine Verhöhnung der Leistungsberechtigten, weil nur die Kläger allein ein Recht auf Nachbesserung haben könnten und in diesem Fall auch nur für einen Monat.
Jetzt hat Susan Bonath in ihrem Artikel „Unter Marktpreis“ für die Junge Welt
darauf hingewiesen, dass das Jobcenter Börde für den Zeitraum Oktober 2013 bis September 2014 B 14 AS 24/18 R die Firma Analyse & Konzepte erneut verpflichtet hat und auch Nachbesserungen in Auftrag gegeben hat. Auch dieser Zeitraum entzieht sich jedem Zugriff weiterer Betroffene, die auf Widerspruch und Klage leichtfertig verzichtet hatten. Anders als Sozialleistungsbetrug bei Kunden, unterliegt der behördliche Sozialleistungsbetrug einem „Verfallsdatum“. Man könnte auch von einer politisch gewollten Legitimierung von Betrugsdelikten sprechen. Die Vermögensschädigung ist mit wenigen Rechenschritten in jedem Einzelfall detailliert bezifferbar.
„Kreissprecher Rüdiger Mages: Um das BSG-Urteil umzusetzen, verhandele der Landkreis gerade mit »Analyse & Konzepte«, sagte er am Freitag. Die Firma solle bis Anfang September eine »abgestimmte Nachbesserung der seit 2012 fortgeschriebenen Konzepte vorlegen«. Kosten: 7.140 Euro. Bisher habe man knapp 40.000 Euro an sie gezahlt und werde sie auch weiter beauftragen. Fragen zur Anzahl tatsächlicher angemessener Wohnungsangebote konnte er »mangels Erhebung nicht beantworten«. Aus demselben Grund wisse er nicht, wie viele Hartz-IV- und Sozialhilfebezieher aus dem Regelsatz zur Miete zuzahlen müssen. Anders ausgedrückt: Was interessiert die Realität – abstrakte Zahlen zählen. “
BSG: keine schlüssigen Konzepte in den Landkreisen Nienburg, Harz und Segeberg
Jobcenter Landkreis Nienburg (August 2016 bis Juli 2017); B 14 AS 27/18 R
Jobcenter Landkreis Harz (2011 bis 2013); B 14 AS 10/18 R
Jobcenter Landkreis Harz (2013 und 2014); B 14 AS 12/18 R
Jobcenter Kreis Segeberg (März bis August 2013); B 14 AS 41/18 R
Der Märkische Kreis hat seit Jahren keine gerichtsfesten Mietobergrenzen
Auch im August 2019 liegt noch keine Entscheidung über die Kosten der Unterkunft für den Zeitraum 2014-2017 vor. Das zugrundeliegende Konzept der Firma Analyse & Konzepte weist nach Auffassung von Rechtsanwalt Lars Schulte-Bräucker schwerwiegende Mängel auf. Die Mängelliste des Bundessozialgerichts in den oben genannten Entscheidungen ist teilweise übertragbar.
Schwerwiegende Indizien für vorsätzliche Täuschung zur Vermögensschädigung von Leistungsbeziehern sind bereits darin erkennbar, dass der Antrag von RA Lars Schulte-Bräucker auf Übersendung der Rohdaten zur Ermittlung der Konzepte bis heute nicht bedient wurde. Es ist zu erwarten, dass bei fachkompetenter Prüfung der Rohdaten gravierende Mängel auffällig werden. Weitere schwerwiegende Argumente sind vermutlich der Vielzahl der Mietsenkungsverfahren begründet.
Autor:Ulrich Wockelmann aus Iserlohn |
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