Verwaltungsignoranz statt Bürgernähe
Ratsgruppe Tierschutz rügt Skandal um Baumfällung in Stadtwald

Gegen Anwohnerprotest und Ortspolitik: Der klägliche Rest der von Grün & Gruga gefällten Linde. Foto: Holger Ackermann/Tierschutz Essen

Und wieder ist es passiert: Eine Verwaltungsaktion quasi bei Nacht und Nebel gegen Bürgerwillen und Votum der Ortspolitik.
Am 29.03.2022 wurde von einem durch Grün und Gruga beauftragten privaten Unternehmen die zuletzt auch in der örtlichen Presse thematisierte etwa 80 bis 90 Jahre alte Linde in der Straße „Am Dönhof“ in Essen-Stadtwald unerwartet gefällt.

Ratsgruppe Tierschutz verurteilt Baumfällung durch Grün und Gruga
Begründet wurde die Fällung bei ihrer Ankündigung im vergangenen Herbst damit, dass die Linde durch Grün und Gruga als Gefahrenbaum eingestuft wurde, der aufgrund seines krankheitsbedingt angeblich schlechten Zustandes ein Sicherheitsrisiko im öffentlichen Raum darstellt.
Gegen den bereits im Februar diesen Jahres geplanten ersten Termin zur Baumfällung setzten sich die Anwohnerinnen und Anwohner im Umfeld der Linde tatkräftig ein und konnten die Fällung zunächst verhindern. Der Anwohnerschaft lag dabei der grundsätzliche Erhalt von Baum- und Grünbestand, insbesondere im stark verdichteten, innerstädtischen Raum am Herzen.
Ein Anliegen, bei dem die Anwohnerinnen und Anwohner sich im Schulterschluss mit parteiübergreifend klimabewussten Politikerinnen und Politikern befinden. "Dies müsste und sollte eigentlich auch der für die Grün-  und Freiflächen zuständigen Essener Stadtverwaltung ein primäres Ziel sein," rügt Holger Ackermann, sachkundiger Bürger der Ratsgruppe Tierschutz im Rat der Stadt Essen. "Unter anderem zum Schutz und Erhalt der städtischen Bäume wird die Stadtverwaltung jedes Jahr aufs Neue von der örtlichen Politik beauftragt und mit finanziellen Mitteln ausgestattet," so die Tierschützer im Stadtrat. 

Gefahrenstellen sichern und beseitigen kein Freibrief für leichtfertige Fällungen
Natürlich müssen unmittelbare Gefahrenstellen im öffentlichen Raum durch die Verwaltung beseitigt werden, wenn denn hinreichende Fakten vorliegen, die ein objektives Risiko belegen. Die engagierten Anwohner hielten die Begründung für die Fällung für nicht ausreichend, auch weil die Stadtverwaltung sich nur auf die mündliche Aussage eines entsprechenden Gutachters berief.
Daher gaben Anwohner privat und mit eigenen Finanzmitteln ein weiteres Fachgutachten in Auftrag, das nach eingehender fachlicher Prüfung der Linde, bei entsprechenden regelmäßigen Pflegemaßnahmen, eine restliche Lebensdauer von ca. 20 Jahren bescheinigte.

Ortstermin von Anwohnerschaft und Ortspolitik
Bei einem gemeinsamen Ortstermin von Anwohnerschaft und BezirkspolitikerInnen der BV II, zu dem auch Grün und Gruga geladen war, wurde schliesslich gemeinsam und unter Einbeziehung der Verwaltung beschlossen, dass sich die BV II nach eingehendem Studium des Baumgutachtens in der nächsten Sitzung zu diesem Thema erneut beraten wolle. Im Rahmen der Februarsitzung der BV II sprach sich das Gremium schließlich auch einstimmig für den vorläufigen Erhalt der alten Linde aus und forderte Grün und Gruga auf, die erforderlichen Pflegemaßnahmen zum Erhalt der Linde konkret zu ermitteln.

Am vergangenen Mittwoch beantwortete die Stadtverwaltung diese Anfrage mit der Fällung des Baumes als ultimatives Mittel der Kostenreduktion.

Skandalöser Umgang mit Bürgerwillen und Entscheidung der Bezirksvertretung
"Wir halten dies für ein skandalöses Vorgehen der Fachverwaltung, die von Bürgerschaft und Politik den Auftrag hat, das städtische Umfeld unter Berücksichtigung der besonderen Anforderungen durch den Klimawandel zu gestalten, Bäume und Grünflächen gesund zu halten, zu pflegen und zu schützen," so empört Manfred Gunkel, sachkundiger Bürger der Ratsgruppe Tierschutz im städtischen Umweltausschuss AUKV (Ausschuss für Umwelt, Klima- und Verbraucherschutz).
Das Handeln der Behördenvertreter und damit des gesamten Fachbereiches ist von erheblicher Ignoranz gegenüber dem Bürgerwillen und den gewählten, politischen Gremien geprägt. Ein Vorgehen, welches leider nicht erstmalig und einmalig festzustellen ist.
"Die Fällung fand zudem außerhalb der gesetzlichen Fällzeiten statt und hätte völlig gefahrlos zunächst weiter ausgesetzt werden können, bis eine gemeinsame Lösung von Politik und Verwaltung gefunden worden wäre," ergänzt Holger Ackermann von Tierschutz Essen. 

Verwaltungsregierung statt politischer Willensbildung?
Ackermann, auch engagiert bei den Grünen Lungen Essen, ist ausser sich: "Hier wurde das Engagement der Bürger von der Kettensäge zermalmt und so eine unglaublich negative Signalwirkung verbreitet. Statt Freude und Anerkennung für das vorbildliche Bürgerengagement zu empfinden, fühlt sich offenbar die Verwaltung in Ihrer vermeintlich hoheitlichen Entscheidungsgewalt beschnitten und demonstriert ihre exekutive Macht." Ein wiederholtes Vorgehen der Verwaltung der Stadt Essen, welches vielstimmig aus vielen politischen Richtungen moniert wird.

Tierschutz Essen fordert Konsequenzen
"Wir verurteilen das ignorante Verhalten von Grün und Gruga, das zur Fällung der Linde geführt hat, und verlangen für die Zukunft, bei ähnlich gelagerten Fällen dem Votum von Bürgern und vor allem deren gewählten Vertretern Rechnung zu tragen", unterstreicht Elisabeth Maria van Heesch-Orgass, Sprecherin der Ratsgruppe Tierschutz im Rat der Stadt Essen.
Die Tierschützer hinterfragen zudem, warum der Fachverwaltung offenbar nicht an einem Erhalt der Linde gelegen war, obwohl ein Gutachten über den nur mäßig geschädigten Zustand des Baumes vorlag. "Uns ist daran gelegen, dass Bürgerschaft und Politik sich zukünftig darauf verlassen können, dass die städtische Verwaltung zum Wohle der Allgemeinheit handelt, auf Basis von Fakten gemäß eigener und unterstützender Fachexpertise. Wenn dieses Vertrauen nachhaltig zerstört wird, kann eine Stadt, eine Stadtgesellschaft die klimabezogenen Herausforderungen, die vor uns allen liegen, nicht im notwendigen Maße gemeinsamer Anstrengung stemmen," so Ratsfrau van Heesch-Orgass

Vorfall wird Thema im städtischen Umweltausschuss
"Die Ratsgruppe Tierschutz fordert eine Entschuldigung der Fachverwaltung bei den Bürgern und der Bezirksvertretung II sowie die Erstattung der Kosten für das Baumgutachten der Anwohner durch die Stadt Essen. Wir werden diesen Vorgang nicht auf sich beruhen lassen, sondern in die nächste Sitzung des städtischen Umweltausschusses einbringen," betont engagiert Manfred Gunkel, Mitglied des Umweltausschusses AUKV für die Ratsgruppe Tierschutz.

Autor:

Elisabeth Maria van Heesch-Orgass Tierschutz Essen aus Essen

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